In einem Gastkommentar in der „Welt“ kritisiert der Medienwissenschaftler Stephan Ruß-Mohl, dass Medienhäuser, die sich selbst gerne mit dem Begriff des „Qualitätsjournalismus“ schmückten, inzwischen „oft alles andere“ lieferten „als Nachrichten-Journalismus, der sich verlässlich um Wahrheitssuche, Perspektivenvielfalt und ergebnisoffene Recherche“ bemühe. Stattdessen betrieben Medien zunehmend „Haltungs-Journalismus“.
„Gegen das Prinzip ‚Facts are sacred, comments are free‘ (Anm. d. Red.: Fakten sind heilig, Kommentare frei.) wird immer öfter verstoßen. Das beginnt schon bei der Nachrichtenauswahl, die zum Beispiel bei ARD und ZDF häufig einseitig erfolgt: Wer dem Publikum wichtige Fakten vorenthält, um beispielsweise straffällig gewordene Migranten zu schützen, berichtet eben nicht mehr, sondern kommentiert auf subtile Weise das Geschehen“, schreibt Ruß-Mohl. Die Medien verwechselten Public Relations mit Journalismus, bevormundeten und erzögen ihr Publikum, statt es „nach bestem Wissen und Gewissen mit Nachrichten zu versorgen“.
Redaktionen vor Übergriffen schützen
Ruß-Mohl führt den zunehmenden Haltungs-Journalismus letztlich auf die „Konkurrenz um Aufmerksamkeit“ und das „Streben nach Vorherrschaft im politisch-kulturellen Raum“ zurück, denen sich der Medienbetrieb unterworfen habe.
An einem Punkt hält er Haltung im Journalismus allerdings für geboten. „Wenn Presse- und Meinungsfreiheit zu verteidigen sind, wären mehr Journalisten wünschenswert, die beherzt und mutig für diese Grundwerte kämpfen“, schreibt der Medienwissenschaftler. Es gelte, „Redaktionen vor übergriffigen Regierungen und ihren Geheimdiensten zu schützen, aber auch vor Großkonzernen, die mit ihren Suchmaschinen und sozialen Netzwerken stark beeinflussen können, was wir alle zu sehen, zu hören und zu lesen bekommen“.