In dieser Woche berichteten Medien von mindestens 89 Toten in Zusammenhang mit einer Jesus-Sekte in Kenia. Ihre Anhänger wollten sich zu Tode hungern, um „Jesus zu treffen“. Die Behörden hätten elf Mitglieder vor dem Hungertod gerettet, aber auch Massengräber gefunden.
Der Afrikanist und Theologe Roland Werner sieht die Ereignisse in Kenia in einer langen traurigen Tradition: „Ähnliche religiös-ideologisch motivierte kollektive Todesfälle gibt es immer wieder“, sagte er auf Anfrage von PRO.
Werner verweist auf Massenhinrichtungen im Rahmen eines marianisch-apokalyptischen Kultes in Uganda im Jahr 2000, aber auch auf einen Massenselbstmord 1978 in Jonestown (Guyana), der weltweit für Aufsehen sorgte. Oft seien es „narzisstische, machtbesessene Führerpersönlichkeiten, die Menschen religiös an sich binden“ und von der Außenwelt abschotteten. Hinzu kämen noch apokalyptische Endzeit-Ängste und Massensuggestion, mit denen die entsprechenden religiösen Führer arbeiteten: „Dann sind solche Phänomene nicht weit.“
Auch in den aufgeklärten Westen blicken
Es sei aber zu einfach, bei solchen Fällen von Machtmissbrauch und ideologischer Massenmanipulation mit dem Finger auf Afrika zu zeigen, „wo unter einer christlichen Oberfläche noch vielerlei animistische Vorstellungen wirken“. Extreme und ideologisch motivierte Vorfälle gebe es auch im „vermeintlich aufgeklärten Westen“. Die müssten nicht immer direkt in einem religiösen Gewand daherkommen, erklärte Werner, der eine Honorarprofessur für Theologie im Globalen Kontext an der Evangelischen Hochschule Tabor in Marburg bekleidet. Der Ruf nach dem „totalen Krieg“ habe etwa in den 1930er Jahren auch in Deutschland zu unsäglichen Folgen geführt.
Gegen die „menschliche Ideologieanfälligkeit“ helfe eine biblisch begründete Nüchternheit und die demütige Bereitschaft zur Korrektur: „Wer allerdings seine eigene religiöse oder politisch Überzeugung als absolut setzt und andere Blickweisen nicht gelten lassen kann, wird leicht ein Opfer der eigenen Ideologisierung.“
Pastor scheint ein Wiederholungstäter zu sein
Nach den Vorfällen unweit der Küstenstadt Malindi will die kenianische Regierung eine Anzeige gegen den Sektenführer wegen Mordes prüfen. Das kündigte Innenminister Kithure Kindiki am Montag an. Die Behörden waren aktiv geworden, nachdem es Mitte April Hinweise auf eine solche Bewegung gegeben hat.
Nach Angaben des Innenministers wird ein mehr als drei Quadratkilometer großes Waldgebiet als Tatort gesichert. Bei dem Sektenführer soll es sich um einen freikirchlichen Pastor aus Malindi handeln, der seit Montag vergangener Woche in Untersuchungshaft sitzt. Er sei bereits in der Vergangenheit durch radikale Ansichten aufgefallen und habe mehrfach vor Gericht gestanden.