Yale-Professor: Amerikaner „fremdeln“ mit Jesus

Für den Yale-Theologen Miroslav Volf unterscheidet sich die Kirche in den USA kaum noch von der Politik und gesellschaftlichen Trends. Darin liege ein Grund für ihren Niedergang. Auch weil die Menschen mit Jesus kaum noch etwas anfangen können.
Von Norbert Schäfer
Kirche in den USA

Der US-amerikanische anglikanische Theologe Miroslav Volf erkennt eine Ursache für das schwindende Interesse der Amerikaner an der Religion in einer „inneren Selbst-Säkularisierung“ der Kirchen. „Die Leute finden in den Kirchen heutzutage nichts mehr, das sie nicht auch anderswo finden“, erklärte der Direktor des „Center for Faith and Culture“ an der Yale-Universität in einem Gespräch des Domradios im Hinblick auf gesellschaftliche Trends.

Zudem übe die Politik immer mehr Einfluss auf die Kirche aus, weil die sich verstärkt mit der Politik „verbandelt“ habe. Das sei bereits unter Präsident Bush erkennbar geworden. Die Nähe zu Donald Trump habe den Kirchen „Ansehen und soziales Kapital“ gekostet.

Dinge, die Jesus für wichtig erachtet habe, spielten heute für „normale Kirchgänger keine große Rolle mehr“. Andererseits habe sich Jesus damals nicht für Themen interessiert, die die Menschen heute bewegten, wie beispielsweise das eigene Erscheinungsbild.

Aktivismus als neue Form der Spiritualität

Volf hat festgestellt, dass „nicht unbedingt ein Interesse an der Geschichte von Jesus Christus“ bestehe, sondern vielmehr an der Institution Kirche an sich. Das Interesse an einer Kirche erwachse mit deren Angeboten und politischen Positionierungen, seien diese konservativ oder progressiv.

„Damit können sich Menschen identifizieren und eine Gemeinschaft finden“, erklärte der Professor für systematische Theologie in dem Gespräch, und: „Wenn es aber um das Evangelium und das Leben Christi geht, gibt es da oftmals ein Fremdeln mit dieser Figur“. Eine Instrumentalisierung des Glaubens hat der Theologe auf Seiten der religiösen Rechten als auch bei der progressiven Bewegung ausgemacht.

Dass sich immer weniger junge Menschen mit einer Glaubensgemeinschaft identifizieren, führt der Theologe unter anderem darauf zurück, dass es heute „andere Formen der Spiritualität“ gebe, wie beispielsweise den Aktivismus, der seiner Ansicht nach „religiöse Dimensionen“ entwickeln könne.

Volf meint, einen „neuen Hunger“ nach gewissen Formen von Religiosität zu beobachten. Der Theologe sieht darin eine Chance für die Kirchen. Allerdings dürfe es in der Kirche nicht „nur um Dogmatik und Moral“ gehen, sondern „um einen Kompass für das wahre Leben“. Um sich die Chancen nutzbar zu machen, soll Kirche „authentisch aus der Botschaft Christi – oder ihrer entsprechend anderen Überzeugungen – leben“.

Hinweis: In einer früheren Fassung der Meldung war Miroslav Volf irrtümlich zunächst als katholischer Theologe bezeichnet worden.

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