Den Glauben an Gott bekommt Werner Wigger von seiner Mutter vermittelt, die eine fromme Frau ist. Das macht den kleinen Jungen, der selbstverständlich den Kindergottesdienst besucht, zum Außenseiter in der DDR. Er begeistert sich für die verbotenen Karl-May-Bücher und entdeckt die Geschichte des Missionsarztes Albert Schweitzer. Spätestens da steht für ihn fest, dass er dies auch werden möchte.
Geradlinig das Christsein leben
Dieser Wunsch ist hinter dem „eisernen Vorhang“ weit entfernt. Seine bewusste Entscheidung für Jesus als Jugendlicher nimmt Wigger ernst. Er will als Christ erkennbar leben. Sein erstes Wunder erlebt er, als er trotz dieser Entscheidung an der Erweiterten Oberschule angenommen wird. Er ist im höheren sozialistischen Bildungswesen angekommen. Ein Mitschüler, der auch Christ ist, möchte als solcher nicht auffallen. Doch das ist Werner Wiggers Sache nicht. Wigger widersetzt sich – soweit es geht – dem System. Dabei muss er so manche gefährliche Klippe umschiffen. So weigert er sich, sozialistische Aufrufe seiner Schule zu unterschreiben. Bei alledem steht er immer unter Spannung, ob er von Menschen aus seinem Umfeld als Klassenfeind observiert werden könnte. Der junge Mann geht dennoch seinen Weg, und das möglichst kompromisslos. Vor seinem Studium muss er noch seinen Wehrdienst ableisten, was eine harte, aber lehrreiche Zeit für ihn wird. Er verhehlt auch dort nicht, dass die Bibel ein „wichtiger Wegweiser für ein geradliniges Leben ist“.Immer geistlich auftanken
Zeit zum Auftanken findet Wigger bei Glaubenskonferenzen und in seiner Gemeinde. Sein Weg führt ihn zum Medizinstudium nach Rostock. Er wird zum gerne gewählten Gesprächspartner anderer Studenten. Es fällt ihm schwer zu glauben, warum viele von ihnen nicht „die Hohlheit sozialistischer Phrasen“ durchschauen. In dieser Zeit soll er auch als Stasi-Spitzel angeworben werden, und erlebt dabei eines der vielen weiteren Wunder seines Lebens: Er wird nach vergeblichen Anwerbeversuchen durch die Staatssicherheit kein aktives Opfer der Stasi. Seine erste Arbeitsstelle findet er in Greifswald. Mit seinem Chefarzt findet Wigger die richtige Basis der Zusammenarbeit. Dieser gewährt ihm eine gute Ausbildung, solange er durch dessen Verhalten keine Schwierigkeiten bekommt. Erster Adressat seiner Ängste bleibt Gott. Durch die Beziehungen seiner Gemeinde mit dem Westen kommt er in Kontakt mit Westbürgern. In Wigger reift ein folgenreicher Entschluss: Er möchte in den Westen fliehen. Die abenteuerliche Flucht gelingt. Mit Gott erlebt er, wie er sprichwörtlich über Mauern springen kann. Er wird als Flüchtling anerkannt. Sein Weg führt ihn nach Hessen, wo er eine Stelle in einem kleinen Krankenhaus erhält. Er versucht, sein Leben zu normalisieren, spürt aber auch im Westen noch die weiten Arme der Stasi. Ein Hauskreis-Abend ist der Auslöser dafür, dass sein lange gehegter Traum doch noch wahr werden kann. Als dort bei einem Vortrag ein Arzt gesucht wird, der mit nach Afrika reist, weiß Wigger nach kurzer Bedenkzeit, dass Gott ihn meint. Einer ersten Reise nach Afrika folgen weitere. Geprägt von den Ereignissen fragt er Gott, wie er weiter vorgehen soll. Das Ergebnis ist die Gründung des Deutschen Missionsärzte-Teams, um Interessenten aus medizinischen Berufen Einblicke in den missionsmedizinischen Dienst zu ermöglichen. Darin entdeckt er seine eigene Berufung, trotz Flugzeugentführungen, plötzlicher Todesfälle in seinem Team und der üblichen Schwierigkeiten einer solchen Organisation. Zwischendurch hat der Leser das Gefühl, dass sich in Wiggers Leben Wunder an Wunder reiht. Aber es gibt auch Tiefschläge und Enttäuschungen. Es ist das Lebensbild eines Menschen, der in der Rückschau sagt, dass er mit aller Begeisterung ein bewusster Christ ist und war. Das Buch ist sehr spannend und trotzdem eine angenehme Lektüre mit vielen Facetten und Themen. Prädikat: sehr empfehlenswert. (pro)Werner Wigger/Albrecht Kaul, „Wunder inbegriffen: Ein Leben voller Risiken und Nebenwirkungen“, 224 Seiten, 14,99 Euro, Brunnen-Verlag, ISBN: 978-3-7655-0935-3.