Wolfgang Schäuble ist so lange wie kein anderer Politiker Mitglied des Deutschen Bundestags. Der baden-württembergische CDU-Abgeordnete gehört dem Hohen Hause seit 49 Jahren ununterbrochen an. Er galt als Nachfolger von Helmut Kohl und stolperte über die Spendenaffäre. Obwohl ihm sein Beruf fast das Leben gekostet hätte, haderte er nie mit Gott.
Am 18. September in Freiburg im Breisgau geboren, war Schäuble die Politik fast schon in die Wiege gelegt. Bereits sein Vater Karl saß für die CDU im baden-württembergischen Landtag. Wolfgang wuchs mit seinen beiden Brüdern in einem konservativ-evangelisch geprägten Elternhaus auf.
Nach dem Abitur studierte der nun 80-Jährige Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Freiburg und Hamburg. Parallel dazu engagierte er sich in der Jungen Union und im Ring Christlich-Demokratischer Studenten. Das CDU-Parteibuch hatte er seit 1965. Sein Studium beendete er 1971 mit einer Promotion. Zunächst wurde Schäuble 1972 Finanzbeamter des Landes Baden-Württemberg.
Verhandler des Einigungsvertrags
Bei der Wahl im selben Jahr zog er erstmals in den Bundestag ein – und konnte sein Mandat bis heute verteidigen. Schäuble hatte in fünf Jahrzehnten viele herausragende Posten in Partei und Fraktion inne: vom Parlamentarischen Geschäftsführer bis zum Fraktionsvorsitzenden. 1998 wurde er CDU-Parteichef. Beide Ämter gab er im Februar 2000 im Zuge der CDU-Spendenaffäre zurück.
Schäuble war in seiner Laufbahn Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes. Er war in zwei Kabinetten Bundesinnenminister und stand später als Bundesfinanzminister für die Politik der Schwarzen Null. Von 2017 bis 2021 war er Präsident des Deutschen Bundestages und hatte damit nominell das zweithöchste Staatsamt inne.
Einer der ersten Höhepunkte seiner politischen Karriere hatte er, als er 1990 den Einigungsvertrag zur Auflösung der DDR mit aushandelte. In diesem Jahr erlebte Schäuble auch die Schattenseiten seiner herausgehobenen Position. Ein psychisch kranker Täter verübte ein Attentat auf ihn. Seitdem sitzt Schäuble im Rollstuhl. Fünf Jahre später bat der Täter sein Opfer öffentlich um Verzeihung.
Der Kronprinz, der nie erbte
Schäuble galt lange als Kronprinz Helmut Kohls. Da Kohl aber 1998 selbst noch einmal zur Bundestagswahl antrat und verlor, musste er die Kanzlerschaft abschreiben. Seine Kontakte zum Waffenhändler Karlheinz Schreiber und die Verwicklung in die CDU-Spenden-Affäre, in der er Spendengelder nicht „ordnungsgemäß behandelte“, machten ihn endgültig chancenlos. Schäuble verneinte, dass die CDU-Führung und die Bundesregierung unter Helmut Kohl bestechlich gewesen seien. Viele Fragen blieben unbeantwortet. Kohl verriet die Namen der Spender nie.
„Ich habe nie mit Gott gehadert“
Als Finanzminister spielte Schäuble eine wichtige Rolle in der Euro-Rettung. Diese machte ihn vor allem zur Zielscheibe des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis. In der Finanzpolitik unterstützte der Minister die Straffreiheit von Steuerhinterziehern, die sich selbst anzeigen. Er war dagegen, dass die Länder Daten mit Steuer-CDs kaufen sollten.
Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung bekannte Schäuble einmal, dass er lebenslang nie mit Gott gehadert habe – auch nicht nach dem Attentat. Er habe, frei nach Bonhoeffer, Widerstandskraft in der Not erhalten. Das Christliche bezeichnete er als Orientierungsrahmen für eine pragmatische Politik. Er nehme Gott nicht in Anspruch, um Finanzkrisen zu lösen.
Die Trennung von Politik und Religion sei die Voraussetzung für die „Universalität der Menschenrechte“. Die Religion dürfe nicht zu viel Macht über die Politik gewinnen, müsse sie aber auch immer wieder kritisieren: „Aber die Kirche darf sich nicht zum Maßstab der politischen Auseinandersetzung machen.“ Auf sein Lebensende blickt Schäuble nach eigenen Worten gelassen: „Ich weiß schon sehr, dass mein Leben endlich ist. Das betrübt mich nicht“, sagte der evangelische Christ.
Kuratoriumsvorsitzender beim Christival
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, würdigte das politische Engagement anlässlich des Geburtstages. „Ihre Kraft und Lebenszeit, Ihre kluge Nachdenklichkeit und Redegewandtheit haben Sie – in welchem Amt auch immer – in den Dienst unserer Gesellschaft gestellt. Davon hat auch ‚Ihre‘ evangelische Kirche profitiert“, sagte die Theologin laut einer EKD-Pressemitteilung vom Freitag.
Schäuble gehöre zu denen, die sich öffentlich erkennbar zu ihrem christlichen Glauben bekennen. Der CDU-Politiker habe die evangelische Kirche in den zurückliegenden Jahren verlässlich begleitet. „Sie waren ansprechbar für die Themen, die uns am Herzen lagen, und Sie haben viele unserer Veranstaltungen durch Ihr Mitwirken bereichert.“
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bedankte sich beim Jubilar für dessen Disziplin und Geradlinigkeit, Professionalität, Wissen und Pragmatismus, der ihm über alle Parteigrenzen hinweg größten Respekt eingebracht habe. „Dabei ist immer unverkennbar, aus welchen Quellen Sie schöpfen: aus dem christlichen Menschenbild, der Tradition Ihrer badischen Heimat, einem tief verwurzelten bürgerschaftlichen Ethos und nicht zuletzt der Schule einer aufgeklärten Vernunft in freiheitlicher und demokratischer Überzeugung“, heißt es in der Verlautbarung des Bundespräsidialamtes.
Schäuble ist mit der Volkswirtin Ingeborg Schäuble verheiratet, mit der er vier Kinder hat. Schäubles bereits verstorbener Bruder Thomas war Innenminister in Baden-Württemberg. Tochter Christine ist mit dem baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl verheiratet. Die Zahl der Auszeichnungen für Schäuble ist vielfältig: vom Bundesverdienstkreuz über etliche Ehrendoktor-Titel.
Schäuble ist Träger des Toleranzpreises der Evangelischen Akademie Tutzing für seine Initiative zur Islamkonferenz. Zudem wurde ihm 2012 der Karlspreis für seine Verdienste um die „Wiedervereinigung und Neuordnung Europas“ verliehen. Der Ehrenbürger seiner Heimatstadt Offenburg war Botschafter der Evangelischen Kirche in Deutschland für das Reformationsjubiläum 2017 und saß dem Kuratorium des Christival vor.
2 Antworten
Glückwunsch, Herr Schäuble! Auch für 50 Jahre im Bundestag. Aber, mit Verlaub, man möchte Ihnen dringend auch zurufen: „Lasch gut sein, Wolfgang! Geh heim, genieß noch ein paar Jahre Deine Ruhestandsdiäten, mach Dir ein schönes Leben, zusammen mit Deiner Frau!“
Wolfgang Schäuble ist für mich ein Vorbild. Leider werden diese Menschen derzeit weniger.