Wo Kirche drauf steht, muss Kirche drin sein

Der gestrige Donnerstag markiert eine Zäsur in der Geschichte der Kirchen in Deutschland. Sie dürfen Religionszugehörigkeit bei Mitarbeitern nicht mehr unbedingt voraussetzen. Damit nehmen die Richter christlichen Organisationen ihren Markenkern. Ein Kommentar von Anna Lutz
Von Anna Lutz
Das Kreuz: Für manche ein Glaubenssymbol und für andere zwei übereinanderliegende Balken. Was der Einzelne darin sieht, darf nicht mehr unbedingt über die Anstellung in kirchlichen Werken entscheiden.

Es war nicht überraschend, aber für die Leitungsetagen von Kirchen und anderen christlichen Organisationen deshalb nicht weniger unerfreulich. Seit Donnerstag ist durch das Bundesarbeitsgericht amtlich, was zuvor schon der Europäische Gerichtshof entschieden und an deutsche Gerichte verwiesen hatte: Kirchliche Arbeitgeber dürfen die Religionszugehörigkeit ihrer Mitarbeiter nicht mehr unbedingt voraussetzen. Bisher hatten die Kirchen selbst, aber auch ihnen angegliederte Werke wie Diakonie oder Caritas, auf Basis des kirchlichen Arbeitsrechts für bestimmte Positionen die christliche Glaubensorientierung der Bewerber gefordert – im konkreten Fall etwa für eine Referentenstelle des Diakonischen Werks zum Thema Rassismus.

Die Forderung der konfessionslosen Klägerin klingt zunächst nachvollziehbar. Warum sollte ein Hausmeister, ein Koch oder ein Sekretär eine Kirchenmitgliedschaft nachweisen müssen? Bei einem Pfarrer hingegen spielt der Glaube und die Zugehörigkeit zur Institution eine wesentliche Rolle. Im akuten Fall handelt es sich um eine Stellung, die weder direkte Verkündigungsdienste betrifft, noch völlig vom christlichen Glauben losgelöst zu sehen ist.

Wer bei der Kirche arbeitet, ist ihr Botschafter

Natürlich kann auch eine konfessionslose Referentin sich adäquat dem Thema Rassismus widmen. Für die Kirchen besonders wichtig könnte aber sein, dass ihre Mitarbeiterin die Wertebasis des Arbeitgebers teilt. Denn das Diakonische Werk, bei dem sie angestellt gewesen wäre, ist nicht nur ein auf verschiedenen Ebenen tätiges Hilfswerk. Die Mitarbeiter sprechen und agieren auch im Namen ihrer Kirche. Letztere darf davon ausgehen dürfen, dass erstere kirchlichen Zugang haben, denselben christlichen Ansatz teilen und in dieser Weise agieren. Referenten, die öffentlich für eine Organisation auftreten oder die Themen für andere vorbereiten, sind auch Botschafter selbiger.

Man stelle sich vor, ein Redakteur eines evangelischen Medienhauses wäre nicht evangelisch und ordnete die Welt nicht nach den Maßstäben christlicher Ethik ein und erledigte seine Arbeit nicht auf Basis eines Menschenbildes, das Gott miteinbezieht und Jesus als Maßstab aller Dinge anerkennt. Man stelle sich vor, der Koch oder Kellner im christlichen Jugendgästehaus habe ein Problem mit dem Tischgebet. Man stelle sich vor, der in einer christlichen Kita angestellte Erzieher vermittle den Kindern, dass Gott sie nicht liebt – weil es ihn gar nicht gibt.

Auch Parteien setzen Wertebasis voraus

Für das Jugendmagazin der Bundeszentrale für politische Bildung erklärte eine Referentin der Grünen-Fraktion einmal: „Ich denke, dass man in diesem Umfeld und in der Funktion nur arbeiten kann, wenn man mit der Politik und mit den Grundwerten der Partei übereinstimmt.“ So, wie das bei Parteien gilt, sollte es auch bei Kirchen einbezogen werden. Man stelle sich vor, die SPD müsse Referentenstellen an CSU-Politiker vergeben.

Diakonie und Kirchen haben in einer Reaktion nach dem Urteil betont, das Kriterium der Religionszugehörigkeit nicht willkürlich angewendet zu haben, sondern nur dann, wenn sie es für die Position als wichtig erachten. Dieses Augenmaß fehlte den Richtern offenbar, die hier zwar im Sinne der negativen Religionsfreiheit gegen Diskriminierungen vorgehen wollten, am Ende aber gerade die Religionsfreiheit verletzt haben, indem sie den Kirchen ihren Markenkern nehmen.

Wenn das Diakonische Werk künftig nicht mehr dezidiert evangelisch ist, die christliche Kita nicht mehr christlich, die katholische Schule nicht mehr getrieben von religiösen Grundsätzen – dann kann sie problemlos durch staatliche Einrichtungen ersetzt werden. Diese Einrichtungen werden dann zu Behältern mit falschem Etikett. Davon haben weder Kirche noch der Rest der Gesellschaft etwas. Nachdem das weder der Europäische Gerichtshof noch das Bundesarbeitsgericht erkannt haben, ruht die Hoffnung der Kirchen auf dem Bundesverfassungsgericht. Es ist anzunehmen, dass der Fall auch dort landet.

Teile dieses Kommentars hat pro bereits im April nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes veröffentlicht.

Von: Anna Lutz

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