Als Grund für den Annäherungsprozess nennt Hempelmann die ökumenisch ausgerichtete Spiritualität der Evangelikalen. Außerdem habe sich eine "transkonfessionell orientierte Gesinnungsökumene" gebildet. Evangelikale und Katholiken verbinde gleiche Glaubenserfahrungen und Anliegen bei Themen wie Ethik, Homosexualität und Lebensschutz. "Vor allem die Evangelisierung Europas wird als zentrale Aufgabe beider Seiten unterstrichen", sagte der Theologe. Zudem sei auf beiden Seiten Sympathie und Respekt gegenüber dem Papst zu erkennen. Dieser spreche mit seiner Modernitäts- und Relativismuskritik vielen Evangelikalen aus dem Herzen. Außerdem hätten die Bücher des Papstes "Jesus von Nazareth " I und II großen Anklang auf evangelikaler Seite gefunden.
Hempelmann betonte, dass die Annäherung auch mit einer Stilveränderung verbunden sei. Angesichts "einer Verdunstung des Christlichen in unserer Gesellschaft treten gemeinsame missionarische, diakonische und pastorale Herausforderungen in den Vordergrund." Die Annäherung zeige auch, dass die Milieuzugehörigkeit eine immer größere Rolle spiele im Gegensatz zu der Frage, welcher Konfession man angehöre. Trotz allem gebe es aber weiterhin Unterschiede zwischen evangelisch und katholisch. Es bilde sich aber eine neue Allianz.
Der Gedanke der Gemeinsamkeiten zwischen Evangelikalen und Katholiken ist nicht neu. Erstmals kam er im Mai 2011 durch die "Woche für das Leben" auf. Sie wird regelmäßig von der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) veranstaltet und engagiert sich für den Wert und die Würde des menschlichen Lebens. Die Tageszeitung "Die Welt" berichtete darüber und berief sich auf den Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb. Steeb sah in einigen Fragen die Nähe der Evangelikalen zu den Katholiken größer als zur Evangelischen Kirche. Das sei vor allem beim "Ja ohne jedes Nein zum menschlichen Leben" und bei der Ablehnung der Homosexualität so, sagte Steeb. Kardinal Joachim Meisner sprach sich damals für eine "gemeinsame Verteidigung des Lebens" aus.
Papst warnt vor Pfingstkirchen
Der Papst hat laut der "Deutschen Presseagentur" (dpa) den weltweiten Vormarsch von Pfingstkirchen und unabhängigen charismatischen Gruppen beklagt. Beim ökumenischen Gespräch mit Spitzenvertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagte der 84-Jährige am Freitag in Erfurt nach Angaben des Vatikan: "Es ist ein Christentum mit geringer institutioneller Dichte, mit wenig rationalem und mit noch weniger dogmatischem Gepäck, auch mit geringer Stabilität." Kennzeichnend für diese Gemeinden seien "Wunderprediger, emotional aufgeheizte Massengottesdienste und der Glaube, dass Reichtum den Segen Gottes anzeigt".
(pro)