Mehr als 50 Unternehmen in Deutschland haben ein gemeinsames Gütesiegel für Künstliche Intelligenz (KI) eingeführt. Das Gütezeichen des Bundesverbandes KI basiert auf der Einhaltung von ethischen Grundwerten sowie dem sicheren und datenschutzkonformen Umgang verwendeter Daten.
Der Verein „KI Bundesverband“ mit Sitz in Berlin hat das KI-Gütesiegel am 22. März vorgestellt. „Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) prägt den technologischen Fortschritt wesentlich und wird dafür sorgen, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen grundlegend verändert werden“, heißt es in der Mitteilung des Vereins. „Viele Dimensionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens sind vom Einsatz Künstlicher Intelligenz betroffen, was gleichsam zu ethischen als auch zu ökonomischen sowie sicherheitsrelevanten Fragestellungen führt.“ Mit dem KI-Gütesiegel bekämen Unternehmen die Möglichkeit, sich auf die Einhaltung grundlegender Qualitätsparameter berufen zu können.
Das Gütesiegel soll nach Aussage der Experten „einen menschen-zentrierten und menschen-dienlichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz sichern“. Ein Unternehmen kann sich beim Verband um die Vergabe des Gütesiegels bewerben und es in seiner Kommunikation nach außen, also etwa auf der Webseite, nutzen. Jörg Bienert vom Vorstand des Bundesverbands KI erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa), für das Gütezeichen hätten sich KI-Experten aus praktischer Sicht mit den Themen Datenethik und Datenschutz auseinandergesetzt. „Das Ergebnis ist, dass die innovativen KI-Unternehmen in Deutschland diese Prinzipien als Stärke des Standorts Deutschland sehen und nicht als Nachteil.“
KI soll Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Toleranz bringen
Dem Siegel liege ein „übergeordnetes Werte-und Prozessverständnis“ zugrunde, teilte der Verein mit. „Im Zentrum stehen die Gütekriterien Ethik, Unvoreingenommenheit, Transparenz sowie Sicherheit und Datenschutz.“ Zu jedem Gütekriterium seien notwendige Maßnahmen festgehalten. Mit dem Gütesiegel sei eine Selbstverpflichtungserklärung verknüpft.
Zu den „europäischen Grundwerten“, auf die sich die IT-Experten berufen, gehörten „Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit“. Die Werte zeichneten sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität sowie die Gleichheit der Geschlechter aus, so der Verein. So müsse etwa bei Mensch-Maschine-Interaktionen der Mensch immer die Möglichkeit haben, einzugreifen oder das System anzuhalten.
Die Autoren weisen zudem auf das mögliche Problem der Diskriminierung bei den Daten für KI-Systeme hin und erklären deshalb: „Künstliche Intelligenz soll zu mehr Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität, Toleranz und Pluralismus führen und es ist sicher zu stellen, dass sie nicht zur Diskriminierung oder gegen Demokratie oder Menschenrechte genutzt wird.“
Bereits bei der Auswahl der Daten, mit denen KI-Systeme gefüttert werden, könne grundlegend ins System eingegriffen werden: „Wird diese falsch getroffen, werden alte Stereotypen und Vorurteile, die bereits in den Daten vorhanden sind, durch das KI-System gelernt und dabei verstärkt.“ Daher müsse eine „verzerrte Wahrnehmung“ (englisch „Bias“) etwa aufgrund eigener Vorurteile eliminiert werden. „Diese Verzerrung der eigenen Wahrnehmung kann sich in technischen Systemen widerspiegeln“, so die Experten, daher spiele dieser Punkt bei der Vergabe des Gütesiegels eine Rolle.
Im März 2016 hatte etwa der Softwarehersteller Microsoft ein Experiment mit einem „Tay“ getauften Chatbot nach weniger als 24 Stunden abgebrochen, weil dieser sich – wohl aufgrund gezielter Angriffe einzelner Twitter-Nutzer – zu einem rassistischen Verschwörungstheoretiker gewandelt hatte. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern der Universität Cardiff legt nahe, dass überall dort, wo Maschinen von Menschen programmiert oder mit Daten gefüttert werden, menschliche Vorurteile in die maschinelle Intelligenz einfließen können. Selbst reine Maschinen-Gesellschaften wären nicht völlig vorurteilsfrei, schlussfolgerten die Wissenschaftler in ihrer Studie aus dem Jahre 2018.
Achtung von Sicherheit und Datenschutz
Schon die Datenvorverarbeitung müsse bei jedem Schritt transparent sein, fordern die Experten außerdem. Die Verfahren, die für die Entwicklung der KI angewendet werden, müssen „von bekannten und geeigneten Analyseverfahren begleitet werden“, damit Dritte sie nachvollziehen können. „Das Ziel ist, sogenannte Black-Box-Systemarchitekturen in vor allem sicherheitsrelevanten Anwendungen zu vermeiden.“ Konkret bedeutet das, dass das Sammeln und Verarbeiten der Daten sicher und datenschutzkonform vor sich gehe. Die Daten müssten vor Manipulationen geschützt werden.
Zum Verein „KI Bundesverband“ mit Sitz in Berlin gehören mehr als 160 kleine und mittelständische Unternehmen und Experten, die Technologien auf Basis von KI entwickeln und anwenden. Er wurde im März 2018 gegründet. Sein Ziel ist es nach eigener Aussage, die Öffentlichkeit über KI zu informieren, speziell über deren konkreten Nutzen für den öffentlichen Sektor, und „die öffentliche Debatte hierzu fördern“. Außerdem will der Verein „Handlungsempfehlungen für Politik und Gesetzgebung“ anbieten.
Von: Jörn Schumacher