Menschen sollen sich nicht dafür entschuldigen müssen, wenn sie schwach sind. Das betonte die Medizinerin und katholische Theologin Doris Nauer beim 7. Christlichen Gesundheitskongress in Kassel. „Wenn Menschen suggeriert wird, dass sie sich dafür entschuldigen müssen, wenn sie schwach, hilfsbedürftig und pflegebedürftig sind, müssen wir ein Veto einlegen.“
Nauer warb dafür, vor allem in den Pflegeberufen immer den ganzen Menschen zu sehen. Der Mensch sei nicht zusammengesetzt aus irgendwelchen Teilen, sondern er sei als Ganzes ein „gottgewolltes Seelenwesen“. Dieses Ganze gelte es zu hegen, zu pflegen, aber auch nicht zu vergötzen. Das jüdische Erbe bezeichne den Menschen als Geschöpf Gottes: „Wir sind Gottes geliebte Meisterwerke. Das bedeutet, dass wir dynamisch sind, nie ‚ausgelernt‘ haben und riskante, neue Wege gehen.“ Das heiße auch, dass Lebensanfang und -ende nicht in menschlicher Hand lägen. Gottes Ebenbild zu sein beinhalte zudem, Verantwortung für den Erhalt der Schöpfung zu übernehmen.
„Tod ist kein Feind“
Kritisch sah die Theologin das Weltbild des Transhumanismus mit dem Fernziel der Unsterblichkeit des Menschen mithilfe digitaler Technik: „Der Tod ist nicht unser Feind, der mit allen Mitteln bekämpft werden muss. Wir dürfen sterben dürfen und kranksein dürfen.“ Der christliche Glauben speise sich aus dem Erlöstsein, auch wenn man das den Menschen oft nicht ansehe.
Dieses Erlöstsein sorge für Gelassenheit und Entschleunigung am Arbeitsplatz. Zudem gebe es Christen eine Hoffnung über den Tod hinaus. Dieser sei nur eine Durchgangsstation in ein qualitativ völlig neuartiges Leben: „Im Vertrauen auf Gott können wir sterben, aber auch unsere Sterbenden gehen lassen.“ Von daher sei das christliche Menschenbild eine Provokation, „aber sie ist heilsam, weil sie nicht den Idealen des Zeitgeists folgen muss“.
„Kein Copyright auf Menschenrechte“
Die Politikwissenschaftlerin Claudia Baumgart-Ochse beschäftigte sich mit dem Menschenbild weltweit. Die Menschenwürde sei zwar im Grundgesetz zentral verankert. Sie sei aber auch in allen anderen Ländern der Welt ein rechtlicher Mindeststandard: „Die Menschenrechte gelten für den Menschen auf Grund seines Menschseins und nicht aufgrund seiner Religion oder seiner Herkunft.“
Diese Standards hätten ihre Vorläufer unter anderem in den Zehn Geboten, der griechischen Antike und der Aufklärung. „Die Menschenrechte haben eine westliche Tradition, aber sie sind nicht genetisch der westlichen Welt alleine verfügbar. Wir haben kein Copyright darauf, weil sie sich bei uns zuerst durchgesetzt haben.“ Baumgart-Ochse forderte dazu auf, den Begriff der Menschenwürde mit Inhalt zu füllen. Dies bleibe eine tägliche Aufgabe für alle.
Die Ärztin Gisela Schneider berichtete im Auftrag des Deutschen Instituts für ärztliche Mission über die Arbeit eines Krankenhauses in der Demokratischen Republik Kongo. In dem Land sei die Menschenwürde nicht viel wert. Beim Kampf der Milizen spielten Rohstoffe und politische Interessen eine wichtige Rolle. Oft bleibe den Menschen nur der Glaube und die Hoffnung, die Situation zu verändern. Die Menschen bräuchten die westliche Solidarität: „Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie unser Beitrag aussehen kann, damit ein Leben in Würde möglich ist.“
Der 7. Christliche Gesundheitskongress mit über 600 Teilnehmern steht unter dem Motto: „Du bist es wert: Menschen Würde Achten“. Dabei geht es bis Samstag in verschiedenen Seminaren und Referaten um christliche Ethik und Menschenwürde im Gesundheitssystem.
Von: Johannes Blöcher-Weil