pro: Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat im Zusammenhang mit ihrem Haushalt beschlossen, dass es einen Förderfonds geben soll, für dessen Gelder sich evangelikale Medienwerke bewerben können. Dafür läuft der Zuschuss für idea innerhalb der nächsten zwei Jahre aus. Warum kritisieren Sie dies?
Helmut Matthies: Den Medienfonds kritisiere ich überhaupt nicht. Ich kritisiere das Verfahren. Wir wurden von der EKD in keiner Weise vorher in Kenntnis gesetzt, dass so etwas ansteht. Man kann uns ja sagen, wenn man mit uns Probleme hat. Das bin ich seit 40 Jahren gewohnt. Auch dass es keinerlei Begründung gibt, ist nicht fair.
Sie haben nichts gewusst und nichts geahnt?
Gewusst haben wir auf jeden Fall nichts. Dass idea immer mal wieder in der Kritik steht, ist klar. Auf der Synode 2016 fiel ein Satz von der hessisch-nassauischen Pröpstin Gabriele Scherle, dass es Bedenken gebe wegen der islamkritischen Berichterstattung von idea und man deswegen den idea-Zuschuss überprüfen müsse. Aber seitdem ist uns nie gesagt worden, dass es zu so einer Entscheidung kommen könnte.
Sie haben scharfe Kritik geübt. Warum begrüßen Sie es nicht, wenn die EKD eine Vielfalt evangelikaler Werke fördern möchte?
Ich begrüße das sehr. Die einzige Kritik, die ich daran übe, ist, dass es ja nur um die 132.000 Euro geht, die idea bislang bekommt. Dieser Zuschuss beträgt 0,0024 Prozent der Kirchensteuereinnahmen. Die von der EKD geförderte kirchliche Publizistik, die über das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik läuft, hat einen Etat von über zwölf Millionen Euro. Die Höhe des Zuschusses für idea beziehungsweise zukünftig alle evangelikalen Medien ist etwas mehr als ein Prozent davon. Angesichts dessen, dass die EKD selbst erklärt hat, die Mehrheit der aktiven Christen seien Evangelikale, ist das ein winziger Betrag. Warum wird der Betrag nicht aufgestockt, wenn alle evangelikalen Medien davon profitieren sollen?
Gegenüber dem Deutschlandfunk haben Sie nun angekündigt, dass idea von dem Fonds keinen Gebrauch machen wird. Warum?
Das ist meine persönliche Meinung. Das muss schließlich der idea-Vorstand entscheiden. Reinhard Mawick, Chefredakteur des EKD-Monatsmagazins Zeitzeichen, hat es richtig ausgedrückt: Es sehe „nach Bestrafung aus, danach, dass der Meinungsmainstream sein Mütchen kühlen möchte“. Ich habe idea immer auch als geistliche Opposition zu in unserer Sicht theologischen Fehlentwicklungen in der EKD gesehen. Das hat die EKD noch bis zur letzten Synodenperiode gewürdigt. Insofern war es auch eine Abstrafung meiner Person, weil ich für diesen Kurs stehe.
Im Rat der EKD war von „Abstrafen“ nie die Rede.
Präses Diener wirft uns im Interview mit Ihnen Einseitigkeit vor. Natürlich bringen wir gerade auch Stellungnahmen, die andere nicht veröffentlichen. Nicht, weil wir gegen die EKD sind, sondern weil wir für sie sind im Sinne einer Volkskirche, die alle Seiten zu Wort kommen lassen sollte. Es geht uns um Meinungsäußerungen von EKD-Mitgliedern selbst. Da sind wir natürlich vielen Kirchenleitungen ein Dorn im Auge.
In einem Kommentar für idea hat Peter Hahne die Entscheidung als Angriff auf die Meinungsvielfalt gedeutet. Sieht sich idea als „publizistischer Märtyrer“?
Wir fühlen uns überhaupt nicht als Märtyrer, aber wir befürchten, dass durch diese Streichung die EKD als noch einseitiger wahrgenommen wird, als bisher schon. Der Vorsitzende der EKD-Kammer für öffentliche Verantwortung, Reiner Anselm, hat als Fazit einer Untersuchung festgestellt, dass das Meinungsspektrum der EKD kleiner geworden sei. Wir bestehen auch unabhängig vom Zuschuss der EKD. Der Zuschuss macht vier Prozent unseres Etats aus. Er ist gedacht für die Arbeit von idea als Evangelische Nachrichtenagentur. ideaSpektrum trägt sich vollständig durch Abonnenten und Anzeigen.
Sie beschreiben in dem Beitrag des Deutschlandfunks, dass idea als Folge des EKD-Beschlusses Umschläge mit Geldspenden erhalte. Hat die EKD idea aus finanzieller Sicht einen Gefallen getan?
Finanziell ja. Wir haben noch nie so viele Spenden und Abos erhalten wie seit dem EKD-Beschluss. Viele Kirchenmitglieder verstehen nicht, wie die EKD mit einer noch im Haushaltsplan 2016 so bezeichneten „anerkannten Nachrichtenagentur“ idea so umgehen kann.
Die Berichte von idea über den Haushaltsbeschluss legen nahe, dass Sie enttäuscht sind, dass auch evangelikale Synodale und Ratsmitglieder dem Haushaltsentwurf weitgehend ohne Fragen oder Änderungsanträge zugestimmt haben. Was hätten Sie sich gewünscht?
Ich verstehe, dass manche angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der Synode nicht den Mut haben, sich öffentlich zu äußern, bedaure es aber sehr. Dass die EKD-Synode nicht die gesamte EKD widerspiegelt, sehen Sie daran, dass nur drei Tage nach dem Beschluss die sächsische Landessynode spontan entschied, idea einen Zuschuss zu geben. In zwei Landeskirchen in den alten Bundesländern laufen ähnliche Initiativen. Wir haben in der EKD eine Menge Unterstützer und Förderer auf verschiedenen Ebenen – leider im Augenblick nicht im Rat der EKD.
Konkret: Hätten die Betroffenen Ihrer Ansicht nach dem gesamten Haushalt über Millionen Euro nicht zustimmen sollen wegen des Postens der idea-Förderung, obgleich die Gelder im evangelikalen Medienbereich verbleiben sollen?
Synodale können immer Minderheitenvoten abgeben, indem sie etwa sagen: Ich stimme dem Haushalt zu bis auf den Punkt, dass idea die Zuschüsse gestrichen werden. Das ist nicht erfolgt.
Damit hätte man sich gegen den Medienfonds ausgesprochen, der ja mit dem bisherigen idea-Zuschuss unmittelbar zusammenhängt.
Nein, es geht ja erstmals um die Streichung des idea-Zuschusses! Im Übrigen hat Präses Diener – wie er selbst geschrieben hat – diesen Projektförderfonds vorangetrieben. Dass er als Repräsentant des Pietismus idea nicht vorab informiert hat, bedaure ich sehr.
Aus Ihrem Hause wird Kritik an den Aussagen von Michael Diener laut, der in einem Interview des Christlichen Medienmagazins pro sagt, idea berichte zum Teil einseitig. Vorhin haben Sie dargelegt, dass Sie tatsächlich bestimmte theologische Positionen stärken. Hat Herr Diener also doch recht?
Präses Diener vertritt leider mittlerweile in wichtigen Fragen nicht mehr manche theologischen Positionen des Pietismus. So verteidigte er die Mitwirkung des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm im Kuratorium des Münchener Islam-Forums – eines Moscheebauprojekts; Evangelikale sollten dies nicht als „christlich inakzeptabel“ darstellen. Das ist meines Erachtens eine Position, die dem Pietismus fremd ist, denn nach dem biblischen Zeugnis ist die Förderung eines fremden Gottes verboten.
Weitere Punkte sind, dass er sich hinter die Erklärung der Synode gegen die Judenmission gestellt hat und er sich praktizierende Homosexuelle als Mitarbeiter in evangelischen Gemeinschaften wünscht. Wir vertreten mit idea weiterhin das, was jahrhundertelang der Pietismus und weite Teile der Evangelischen Kirche vertreten haben. Von daher sind wir für ihn, der eine andere Position vertritt, einseitig. Seine Positionen haben so leider auch zu einer Spaltung der evangelikalen Bewegung und zur Gründung des Netzwerkes „Bibel und Bekenntnis“ geführt.
Michael Diener wünscht sich, dass Homosexuelle nicht pauschal von der Mitarbeit in Gemeinden ausgeschlossen werden. Aber zurück zur Sache: In der Berichterstattung zu dieser Synodalentscheidung hat idea eine Nachricht sowie drei Kommentare veröffentlicht, die diesen Beschluss kritisieren. Die Möglichkeiten des geplanten Fonds werden nicht diskutiert. Ist das nicht auch einseitig?
Wir konnten noch nicht viel berichten! Präses Diener sagt im Interview von pro selbst, dass die Dinge noch im Fluss sind und die Regularien zu gegebener Zeit benannt werden. Wir haben veröffentlicht, dass es diesen Förderfonds für evangelikale Projekte gibt. Damit haben wir berichtet, was bekannt ist. Wir kritisieren, dass wir über die Streichung des idea-Zuschusses nicht informiert wurden und nicht einmal die Chance bekamen, ein Gespräch darüber zu führen.
Die Kommentare gehen weit über diesen Punkt hinaus.
Weil es ja auch um grundsätzliche Probleme geht.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellten Stefanie Ramsperger und Jonathan Steinert