Der elektronische Sport, also das wettbewerbsorientierte Spielen von Videospielen, hat sich in der Vergangenheit vielerlei Diskussionen ausgesetzt gesehen, die teilweise auch mittels moralischer Argumentationsweisen geführt worden sind. Es ist hierfür wichtig zu wissen, woher diese Sichtweisen kommen und woraus sie sich speisen.
Die „Killerspiel-Debatte“ ist hier ein klassisches Beispiel. Ist es moralisch in Ordnung, wenn man in einem Videospiel digitale Gegner, die auch von Menschen gesteuert werden, abschießt? Da Moral und Ethik auch individuell oder kollektiv subjektiv sein können, kann man diese Frage mit einem „Jein“ beantworten: Viele Menschen finden das in Ordnung, viele andere sehen dies eher kritisch. Dabei geht es gar nicht unbedingt darum, ob es erlaubt sein sollte, dies zu tun. Das wäre dann eher eine Frage der politischen Freiheit. Vielmehr stellt sich die Frage, ob es moralisch und ethisch vertretbar ist, dies zu tun.
Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ich selbst bin gläubiger Christ und in gesellschaftlichen Fragen eher konservativ. Allerdings sehe ich überhaupt keinen Widerspruch, wenn ich gleichzeitig Videospiele wie Counter-Strike oder Battlefield toll finde. Die Darstellung von Gewalt ist etwas anderes als ihre Verherrlichung. Das Spielziel bei Taktikshootern basiert auf Kommunikation, Strategien, taktischem Vorgehen, Teamplay und dem richtigen Timing. Dass es dabei dann auch ums Schießen und gegebenenfalls Töten von virtuellen Spielfiguren geht, ist für mich persönlich vollkommen unproblematisch – und ich sehe hier auch keine Reibungspunkte zu meinen religiösen Überzeugungen.
Andere mögen das anders sehen. Wieder andere sind vielleicht überhaupt nicht gläubig, sehen aber aus philosophischen oder gesellschaftlichen Gesichtspunkten Problemstellungen. Das stelle ich beispielsweise häufig bei Gesprächen mit Menschen aus Jugendbüros fest, die zwar wissen, dass es Altersbeschränkungen gibt, diese Spiele in Summe aber dennoch ablehnen.
Gegenseitige Rücksichtnahme: Negativbeispiel SMITE
Das Action-MOBA (Multiplayer Online Battle Arena, d. Red.) „SMITE“ ist seit Jahren mein Lieblingsspiel. Ich mag die taktische und strategische Tiefe bei gleichzeitiger Action und vor allem Skillelementen, die es sonst kaum in MOBAs gibt, zum Beispiel Trueshots, also echtes Aiming (Zielen, d. Red.). Ebenso finde ich das Setting interessant. Gespielt werden Gottheiten aus unterschiedlichen Pantheons. Gleichzeitig werden die einzelnen Gottheiten im Spiel auch erklärt, sodass dies durchaus einen Mehrwert für die eigene Bildung haben kann.
Dennoch sehe ich SMITE an einer Stelle kritisch. Das Spiel bedient sich nicht nur aus den Götterwelten vergangener Religionen, also solcher, die keine praktische Relevanz mehr in der Gegenwart haben. Vielmehr sind auch Götter aus Religionen spielbar, die über Millionen von Gläubigen verfügen. Zu nennen ist hier insbesondere der Hinduismus. Der Hinduismus ist auch grundsätzlich an bestimmten Stellen kritisch zu bewerten, weil er Menschen auf Basis ihres vermeintlichen „Wertes“ von Geburt an in Kasten selektiert. Für mich eine unethische Vorgehensweise. Dennoch gilt es auf Hindus und ihren Glauben Rücksicht zu nehmen. Das macht SMITE nicht. Vielmehr sind hinduistische Gottheiten spielbar und werden teilweise sehr überzeichnet dargestellt. Das führte unter anderem dazu, dass SMITE in bestimmten Regionen Indiens, in dem der Hinduismus die größte Religionsgemeinschaft bildet, verboten worden ist.
Aber auch andere religiöse Systeme, die gegenwärtig aktiv gelebt werden, lassen sich im Spiel finden, etwa die in Afrika verbreitete Religion der Yoruba.
Meine Meinung ist, dass das nicht sein muss. Das ist für die Gläubigen der jeweiligen Religion eine Herabsetzung der eigenen Überzeugungen: Spielbare Gottheiten. SMITE benötigt diese Religionen auch nicht, um Vielfalt im Spiel zu generieren. Es gibt genug „tote“ Glaubenswelten, etwa aus dem alten Ägypten, Rom, Griechenland, Mittelamerika und Asien. Hier kann man ebenfalls viel aus der Geschichte lernen, ohne die religiösen Gefühle anderer Menschen zu verletzen.
Fazit
Wie überall im Leben sollte Toleranz auch in religiösen Fragen eine der obersten Prämissen im Miteinander sein. Das bedeutet, wie in Deutschland häufig fälschlicherweise angenommen wird, nicht, dass man etwas akzeptieren oder gutheißen muss. Vielmehr definiert sich Toleranz dadurch, dass man etwas inhaltlich ablehnen kann, ohne dagegen vorzugehen. Solange eine Überzeugung, ein System oder eine Weltanschauung nicht darauf abzielt, Andersdenkende zu bekämpfen oder herabzusetzen, sollte sie von allen toleriert werden. Das gilt im Übrigen auch für atheistische Überzeugungen, also die Annahme, dass die negative Existenz Gottes beweisbar wäre – was im Grunde nichts anderes ist als eine Glaubensfrage. Eine „Unsicherheit“ über Gott wäre im Übrigen kein Atheismus, sondern Agnostizismus, und damit auch eine Glaubensfrage.
Ob man bestimmte Computerspiele im Allgemeinen oder E-Sport im Speziellen im Kontext der eigenen Wertvorstellungen gut oder schlecht findet, ist immer eine sehr individuelle Frage. Selbst innerhalb einer Religion oder eines philosophischen Systems wird man sehr unterschiedliche Antworten auf diese Frage mit zahlreichen Nuancen erhalten. Das bedeutet: Im Grunde muss das jeder für sich selbst entscheiden. Menschen, die aber ein Problem mit diesen Phänomenen haben, sollten sie tolerieren. Schließlich zielen weder Gaming, noch E-Sport darauf ab, irgendwem aktiv zu schaden oder dies passiv in Kauf zu nehmen.
Eindimensionale Betrachtungen auf etwas haben jedenfalls noch nie zu einem Mehr an Wahrheit geführt. Im Gegenteil.
Dieser Text erschien zuerst auf Gaming-Grounds.de, hier erscheint er in gekürzter Form. Wir danken für die Genehmigung der Übernahme.
Von: Timo Schöber