Wer zieht ein ins Weiße Haus?

Donald Trump gegen Kamala Harris: Am 5. November wählen die Amerikaner einen neuen Präsidenten – oder die erste Präsidentin der Geschichte. Was für Christen wichtig ist.
Von Nicolai Franz
Trump, Harris, Wahl, USA

1. Abtreibung spielt eine große Rolle

Am 10. September begegneten sich die Demokratin Kamala Harris und der Republikaner Donald Trump das erste Mal persönlich. Und grüßten sich wider Erwarten per freundlichem Handschlag. Danach war es vorbei mit der Höflichkeit. Eine angriffslustige Vizepräsidentin stieß auf einen Ex-Präsidenten, der bisweilen ins Straucheln geriet. Was überraschte: Die Journalisten des TV-Senders ABC räumten dem Thema Lebensrecht und Abtreibung gleich am Anfang einen sehr großen Raum ein. In den USA ist die Frage, ob und unter welchen Umständen Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sind, ein zentrales Thema. Harris ist so wie ihr designierter Vize Tim Walz sind für ihre liberalen Ansichten bekannt. Sie will „Roe v. Wade“ wieder einführen, ein mittlerweile überholtes Urteil des Supreme Court, nach dem Abtreibungen Privatsache der Schwangeren sind, auch wenn es gewisse Einschränkungen gibt.

Trump hingegen hatte indirekt dafür gesorgt, dass „Roe v. Wade“ abgeschafft wurde, indem er konservative Verfassungsrichter einsetzte, die die Entscheidung 2022 aufhoben. Damit wurde das Thema Lebensrecht des ungeborenen Menschen eine Angelegenheit der Bundesstaaten. Das Resultat:  Staaten wie Kalifornien oder New York behielten ihre liberalen Regelungen, in konservativen Staaten des Südens sind Abtreibungen weitgehend verboten. Trump gab an, dass er das Thema Abtreibung nicht weiter angehen will. Die Einwohner der Staaten könnten dann selber über eine Regelung entscheiden. Harris will hingegen eine nationale – liberale – Abtreibungsgesetzgebung, nach der „Frauen über ihren eigenen Körper entscheiden können“. Manche Christen stecken damit in einer Zwickmühle, wenn sie Trump als charakterlich ungeeignet empfinden, aber auch die liberale Einstellung zum Lebensrecht von Harris nicht mitgehen können.

2. Evangelikale: Stimmgaranten für Trump?

Evangelikale stimmen für Trump, so hieß es schon bei den Wahlen 2016 und 2020. Doch das ist nur teilweise richtig. Tatsächlich sind es vor allem die weißen Evangelikalen, die Trump wählen. Und zwar laut „Pew Research“ zu gut 80 Prozent, während nur 16 Prozent Harris unterstützen. Was gerne unterschlagen wird: Auch die weißen, nicht-evangelikalen Protestanten sind zum Großteil für Trump (58 zu 41 Prozent). Bei schwarzen Protestanten, zu denen natürlich auch Evangelikale und Pfingstler zählen, sieht es anders aus. Hier unterstützen 86 Prozent die demokratische Bewerberin, nur 11 Prozent Trump.

Damit ist die Zustimmung für Harris unter schwarzen Protestanten höher als unter allen Schwarzen im Gesamten (77 Prozent). Die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe spielt also eine deutlich größere Rolle als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten christlichen Glaubensrichtung. Beobachter werten das als Resultat einer als rassistisch beschriebenen Grundhaltung der „MAGA“-Bewegung („Make America Great Again“) von Donald Trump.

3. Umfragewerte: mit Vorsicht zu genießen

Harris liegt klar vor Trump und nähert sich unaufhaltsam Richtung Weißes Haus? Weit gefehlt – auch wenn man das angesichts der medialen Berichterstattung hierzulande meinen könnte. Wenn es immer wieder heißt, Harris liege „in Umfragen“ vor Trump, ist das zumindest irreführend. Denn der „popular vote“, also die landesweiten Zustimmungsraten, sind irrelevant. Es zählt ausschließlich, wie viele Stimmen des „Electoral College“ die Kandidaten gewinnen. Das „Electoral College“ ist die Versammlung der 538 Wahlleute, die den Präsidenten wählen. Durch das „Winner-takes-all“-Prinzip gewinnt derjenige (bis auf wenige Ausnahmen) alle Wahlmännerstimmen eines Bundesstaates, der die relative Mehrheit im jeweiligen Bundesstaat erzielt.

Die meisten Staaten wählen bei so gut wie jeder Wahl entweder immer demokratisch oder immer republikanisch. Entscheidend sind die in der Regel sieben „Battleground States“: Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin. In diesen Staaten liegen die beiden Bewerber fast gleichauf. Ein klarer Favorit zeichnete sich noch nicht ab. Der Umfrage-Guru Nate Silver spekulierte, dass viel dafür spricht, dass es in den Umfragen bis zum Wahltag ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben könnte. Zumal natürlich nur die echten Wählerstimmen am Ende zählen – egal, was die Umfragen sagen.

4. Der Glaube der Kandidaten

Über den Glauben von Menschen urteilt am Ende nur Gott – aber natürlich sind Christen in den USA daran interessiert, welchen religiösen Hintergrund ihre Kandidaten haben. Kamala Harris nimmt Bezug zur Religion vor allem, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht. Ihre Mutter kommt aus Indien, ihr Vater aus Jamaika. Sie lernten sich in Berkeley kennen, einer intellektuell und liberal geprägten Stadt in der kalifornischen Bay Area. In einer Nachbarstadt ging Harris auch in eine Kirche, die überwiegend von Schwarzen geprägt ist: „Ich wuchs in Oakland auf, dort besuchte ich die 23rd Avenue Church of God, wo wir gelernt haben, uns um die Geringsten zu kümmern. Und ich sang im Chor darüber, wie uns der Glaube in Verbindung mit Entschlossenheit durch schwierige Zeiten führen wird. Meine Mutter kommt aus Indien, also nahm sie uns auch in den Hindutempel mit, um zu sehen, dass uns alle Religionen lehren, der Gerechtigkeit nachzujagen.“ Heute besucht Harris die Gottesdienste der Third Baptist Church of San Francisco.

Donald Trump wurde presbyterianisch getauft. 2020 bezeichnete er sich laut einem Medienbericht als „non-denominational“ (keiner Denomination zugehörig) Christ. Das antwortete er auf die Frage, ob er sich als Teil der evangelikalen Christen sehe. In einer Rede vor Studenten der Liberty University gab Trump an, die Bibel sei sein „Lieblingsbuch“, dicht gefolgt von seinem eigenen Buch „The Art of the Deal“. Trump, der um die Macht der Bilder weiß, ließ sich gar mit einer Bibel in der Hand vor einer Kirche fotografieren, als gerade Anti-Rassismus-Proteste tobten. Den Weg dahin ließ er sich von den Sicherheitskräften gewaltsam freiräumen. Überhaupt scheint er es mit der Bibel zu haben: Er verkauft sogar eine „God Bless The USA Bible“ (59,99 Dollar), auf dessen Cover er als Herausgeber angegeben ist. Als er von einem Reporter nach seinem Lieblingsvers gefragt wurde, verweigerte Trump die Antwort. Das sei ihm zu persönlich.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 5/2024 von PRO – das christliche Medienmagazin. Sie können die Ausgabe hier bestellen.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen