In 144 Ländern der Welt leiden Christen wegen ihres Glaubens, werden diskriminiert, vertrieben und ermordet. „Wer Christenverfolgung öffentlich thematisiert, gerät schnell in den Ruch, antimuslimische Ressentiments zu füttern und damit die Agenda Rechtsextremer zu befördern“, schreibt der Europakorrespondent der Wochenzeitung „Die Zeit“ in Brüssel, Ulrich Ladurner, in einem Artikel unter dem Titel „Jagd auf das Kreuz„. Ladurner hat als Krisenreporter unter anderem aus dem Irak, Pakistan und Afghanistan berichtet.
Die Debatte zum Thema Christenverfolgung gestalte sich schwierig, weil sich Politiker wie der ungarische Premierminister Viktor Orbán und in Deutschland die AfD des Themas angenommen hätten. Eine Initiative der AfD im Deutschen Bundestag, die Entwicklungshilfe für Länder zu kürzen, in denen Christen verfolgt würden, sei „erwartungsgemäß abgelehnt“ worden. „Das Thema ist also vergiftet“, schreibt der Zeit-Journalist, und weiter: „Doch es hilft nichts. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache.“ Ladurner nennt in dem Bericht Beispiele der weltweiten Verfolgung und Vertreibung von Christen, etwa im Irak: Dort hätten bis 1990 noch 1,4 Millionen Christen gelebt, heute seien es noch rund 150.000.
Britisches Außenministerium: „80 Prozent religiös motivierter Gewalt gegen Christen gerichtet“
Ladurner führt in seinem Artikel eine Untersuchung des britischen Außenministeriums zur weltweiten Verfolgung von Christen aus dem Jahr 2019 an. Demnach richten sich „80 Prozent der religiös motivierten Gewalt gegen Christen“. Der Bericht habe nicht zum Ziel, Christen „als Art bevorzugte Opfer hervorzuheben“, sondern erinnere an ein fundamentales Menschenrecht: das Recht, zu glauben oder nicht zu glauben. „Und es ist nun einmal so, dass dieses Recht im besonderen Maße Christen genommen wird“, schreibt Ladurner.
Bei Diskussionen um das Thema Christenverfolgung werde angeführt, dass historisch gesehen die „gewaltsame Kolonisierung“ der Welt „im Zeichen des Kreuzes“ stattgefunden habe. „Das wird schnell ins Feld geführt, nur um nicht sehen zu müssen, was Christen heute vornehmlich sind: Opfer“, schreibt der Zeit-Korrespondent. „Das postkoloniale, postimperiale schlechte Gewissen macht viele Europäer blind für diese Tatsache.“
„Westliche Hasenfüßigkeit“ am Fall Asia Bibi erkennbar
Ladurner schildert die „westliche Hasenfüßigkeit“ beim Umgang mit Christenverfolgung an dem Fall der pakistanischen Christin Asia Bibi. Deren Schicksal sei im Westen „außer den üblichen islamophoben Kreisen“ lange Zeit fast nicht auf Interesse gestoßen, „als ob man einen Religionskrieg provozieren wollte, wenn man auch nur über solche Fälle spricht“.
Ladurner kommt zu dem Fazit: „Wer Christenverfolgung verschweigt, wer sie nicht in verantwortlicher Weise thematisiert, der beschwört eine politische Gefahr herauf.“ Denn wenn die „Einschüchterung und Verfolgung“ von Christen im Nahen Osten so weitergehe, würden die Terroristen des sogenannten Islamischen States letztlich ihr Ziel erreichen: das Christentum im Nahen Osten und die „Erinnerung an die Geschichte der Christen in der Region“ verschwinden zu lassen.
Von: Norbert Schäfer