Wenn Sinnsuche reich macht

Mit der Sinnsuche der Menschen können Geschäfte gemacht werden. Und das nicht zu knapp. Nach Scientology, Christentum und Islam ist nun die "Transzendentale Meditation" filmisch unter die Lupe genommen worden. Vom eingebildeten Fliegen, dem Regisseur David Lynch und goldenen Autos handelt der kurzweilige Film "David Wants to Fly" von David Sieveking.
Von PRO
David Sieveking ist Film-Student, 32 Jahre alt, und die sympathische Version von Michael Moore. Doch anders als sein mittlerweile millionenschweres amerikanisches Pendant ist Sieveking schmächtig, groß gewachsen, auf Filmförderung angewiesen und mit einer zarten Freundlichkeit seinen Interviewpartnern gegenüber gesegnet. Für den Studenten der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin ist niemand anderes als der Regie-Meister David Lynch das große Vorbild. Und dessen großes Vorbild wiederum ist ein indischer Guru, der bis zu seinem Tod in Sachen Weltfrieden viel Geld eingenommen und eine große Bewegung geschaffen hat, die der Kinogänger dank Sieveking und "David Wants to Fly" näher kennen lernt.

Der in Montana geborene Regisseur, Maler und Fotograf David Lynch gilt als einer der verschrobensten Vertreter seiner Gattung. Mit Filmen wie "Der Elefantenmensch", "Dune – Der Wüstenplanet", "Wild at Heart" oder "Lost Highway" hat er sich einen festen Platz in der "hall of fame" Hollywoods gesichert. Lynch ist eine komplexe Persönlichkeit. Man sagt, er sammle Plastinate von Missgeburten, und seine Gemälde seien die Abbildungen von Albträumen. Seine Filme spalten die Kinoliebhaber: Für die einen sind sie Spiegelbilder einer kranken Fantasie, für die anderen unerreichte Meisterwerke. Seit vielen Jahren ist Lynch privat vor allem von einem Thema eingenommen: der Transzendentalen Meditation (TM).

Eine Religion, die keine sein will

Eine Religion sei dies nicht, betonen ihre Anhänger. Vielmehr bestehe sie schlicht aus dem Versinken im inneren Selbst und dem ständigen Wiederholen eines ganz persönlichen Mantras, einem Wort aus dem Sanskrit. Ihre Auswirkungen seien medizinisch messbar, beschwören die Maharishis, die Anhänger des Erfinders der TM, Maharishi Mahesh Yogi. Eine Behauptung, die der deutsche Filmemacher David Sieveking für seinen Film ebenso am eigenen Leib austestet wie das "Yogische Fliegen". Durch den Film zieht sich die Frage: Ist das nun eine Religion, eine simple Entspannungstechnik, oder doch schlichtweg eine riesige Geschäftemacherei?

Fliegen, das wollen viele Anhänger der Transzendentalen Meditation, das will vielleicht auch David Lynch, auf jeden Fall probiert es sein Namensvetter, David aus Deutschland, der sein amerikanisches Idol immer wieder an unterschiedlichen Orten der Welt trifft, aus. Und seine Fragen werden immer provokanter. Denn so langsam dämmert David: die Transzendentale Meditation dient vor allem dazu, einigen wenigen TM-Lehrern viel Geld in die Taschen zu pumpen. Der Chef der "Maharishi European Research University" im schweizerischen Seelisberg erzählt, wie er einer der wichtigsten TM-Lehrer wurde: durch die "Spende" von einer Millionen Euro. Das berühmte "Fliegen" ist eigentlich nur ein Hüpfen. Maharishi selbst konnte natürlich für längere Zeit in der Luft schweben. Gesehen hat das nie jemand, aber das liege nur daran, dass der Guru ein so bescheidener Mann gewesen sei, sagt der Schweizer Maharishi-Topmanager, er tat es lieber ohne Zeugen.

David Lynch selbst hat Unmengen von Geld in die Religion gesteckt und über seine "David Lynch Foundation" gesammelt. Weitere prominente Anhänger, die auch im Kinofilm kurz zu sehen sind, sind die beiden Ex-Beatles Paul McCartney und Ringo Starr. Lynch hat vor ein paar Jahren den Teufelsberg gekauft, einen über 100 Meter hohen Haufen aus den Trümmern des 2. Weltkrieges vor den Toren Berlins. Dort will er ein Zentrum für TM bauen, eine "Universität", wie es im Jargon heißt. Die Präsentation der Pläne im Berliner "Urania"-Kino – mit David Lynch selbst – indes kam nicht so gut an. Ein wichtiges Schlagwort der Meditationsanhänger mit dem vielen Geld lautet "Unbesiegbarkeit", und es liegt auf der Hand, dass einem Berliner Publikum der Schlachtruf "ein unbesiegbares Deutschland!"bei der Grundsteinlegung auf dem Teufelsberg ganz besonders bizarr anmutet.

Hartnäckiger Film-Neuling

Dem Filmemacher David Sieveking selbst bringt die Transzendentale Meditation offenbar wenig Glück. Er wirft sich gleich zu Beginn mitten hinein in die Meditationsübungen, nimmt an Kursen teil, lauscht der Lehre des 2008 verstorbenen Erfinders Maharishi Yogi und repetiert fleißig sein Mantra. Immer wieder huscht ihm dabei ein Grinsen über die Lippen, oder seine Augenbrauen heben sich misstrauisch. Aber er versucht zumindest, mit dem spirituellen "Fahrstuhl" zu fahren, wie Lynch es ausdrückt. Doch die Erleuchtung will nicht kommen. Stattdessen drohen ihm die Maharishis mit einer Klage, sollte er seinen Film veröffentlichen, und sein Idol Lynch reagiert immer gereizter auf die Interviewanfragen seines jungen Verehrers aus Deutschland. Sieveking streift immer auch seine persönliche Lebenssituation, was leider nicht unbedingt zu seiner Dokumentation passt. Seine Freundin Marie taucht immer wieder auf, tanzt durch das Bild oder hoppt nach New York und wieder zurück. Aber dem Zuschauer bleibt verschlossen, welche Rolle sie in einem Film über David Lynch und die Transzendentale Meditation eigentlich spielt. Sie hat schließlich einen anderen, verlässt David, und so wird der Zuschauer, der etwas über Lynch und TM erfahren wollte, unfreiwillig Zeuge des tränenreichen Beziehungsendes des Regisseurs. Diese Doku-Soap-Einlagen hätte man getrost weglassen und damit den fast 100 Minuten langen Film kürzen können.

Der Film "David wants to fly" ist ein sehenswerter Einblick in die Geschäftswelt der Transzendentalen Meditation. Wenn sich nur 10.000 "Yogische Flieger" zusammentun und um die Wette "fliegen", beziehungsweise hüpfen, kommt der Weltfrieden, dieses Versprechen hat Maharishi Yogi einst gegeben. Auch wenn ein Aussteiger, der weltweit wahrscheinlich mehr Geld in die Organisation gesteckt hat als irgendwer anderes, vor der Kamera erzählt, dass der Meister selbst an dieser Aussage massive Zweifel hatte, so gibt es doch mehrere Millionen Menschen, die ihr Leben nach dieser Lehre ausrichten. In den 60er Jahren schwappte TM durch die Beatles nach Europa. Seitdem ist die Begeisterung abgeebbt, und das erst kürzlich für 8.000 Anhänger erbaute Zentrum "Brahmasthan" in Indien steht praktisch leer. Doch noch immer überlassen viele Menschen weltweit ihr Geld der Bewegung in der Hoffnung, sich selbst und der Welt so zu Frieden zu verhelfen. Doch hinter der Lehre von Meditation und Mantra steht eine irdische Organisation, deren Chefs goldene Stretch-Limousinen fahren, und an deren Spitze nach dem Tod des Gründers ein offener Machtkampf entbrannt ist, den die Maharishis vor dem deutschen Filmemacher gerne geheim halten wollen. Ähnlich wie Michael Moore bleibt Sieveking hartnäckig, wenn man ihn abweist oder ihm zugesagte Interviewtermine absagt. Doch er bleibt bei all dem gutmütig, humorvoll und neugierig. Er ist sich nicht zu schade, jeden religiösen Schnickschnack mitzumachen.

Nach und nach wird klar: es handelt sich bei TM sehr wohl um eine Religion. Offen bekennen die Anhänger, dass es darum gehe, durch die Meditation "den Himmel auf Erden" zu errichten. Und so sehr ihre Anhänger es auch bestreiten, so hat sie sogar viele Berührungspunkte mit einer typischen Sekte. In der Mitte steht ein Guru, der Frieden für die Anhänger und für die Welt verspricht, Geld gerne und in Mengen annimmt, dabei Enthaltsamkeit predigt, während er gleichzeitig junge weibliche Nachfolgerinnen in seinem Palast mit privaten Unterrichtungen in Sachen Sex beglückt. Aussteiger berichten, dass sie so lange in der Nähe ihres Meisters geduldet waren, wie sie Geld mitbrachten. Waren sie pleite, wurden sie "verscheucht wie Fliegen".

Erkenntnis auch ohne Spendenüberweisung

So wenig er letzten Endes mit TM etwas anfangen kann, so wartet auf Sieveking irgendwann dann doch eine Erleuchtung. Und zwar in der rauen Bergwelt des Himalaya, in die sich der Filmemacher begeben hat, um sowohl die Quelle des heiligen Flusses Ganges zu finden, als auch die Quelle der Yogischen Lehre. Vor der überwältigenden Kulisse des Himalaya findet der Regisseur und Hauptdarsteller seines Films vielleicht nicht den Frieden dieser Welt, und er lernt auch nicht das Yogische Fliegen. Aber er trifft auf einsame Wanderer, die, nur mit einem Turban und einem orangefarbenen Gewand bekleidet, die Berge durchziehen und ein schlichtes, bescheidenes Leben in Spiritualität führen, ohne goldene Autos und junge, willige Gespielinnen.

An der Tür des Klosters im Himalaya, auf 4.000 Metern Höhe, in dem die spirituelle Reise des Meisters Maharishi einst seinen Anfang nahm, prangte eins ein Schild, auf dem stand: "Spenden sind hier nicht erlaubt. Hier darfst Du nur Deine Sünden opfern." (pro)

Der Film "David wants to fly – Ein yogisches Abenteuer" läuft seit dem 6. Mai 2010 in einigen deutschen Kinos. Mehr Informationen und Aufführungstermine unter www.davidwantstofly.de.
http://www.davidwantstofly.de
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