Rezension

„Wenn Kirche nicht digital auffindbar ist, stirbt sie aus“

Wie kommt die Kirche mit den digitalen Medien, mit Social Media, Videocalls und KI zurecht? Wo kann sie sie einsetzen? Das Buch „Gott ist online“ will Leitfaden vor allem für eine katholische Perspektive sein.
Von Jörn Schumacher
Gottesdienst am Laptop schauen

Das Buch „Gott ist online“ will Strategien, Maßnahmen und Tools vorstellen, wie Kirchen und NGOs die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz strategisch nutzen können. Der Leitfaden versteht sich auch als „Mutmacher“, neue Wege in der digitalen Glaubenskommunikation zu wagen und auszuprobieren. Das Buch wurde Anfang März im Rahmen der Tagung „Kirche im Web 2025“ in der Katholischen Akademie in Münster vorgestellt. Herausgeber ist der Journalist Christian Schnaubelt, Vorsitzender und Sprecher des Vereins „publicatio“, der Meinungsfreiheit und den journalistischen Nachwuchs fördern will und die Portale Kath.de, explizit.net und hinsehen.net herausgibt.

„Die Glaubenskommunikation steht vor einem großen Umbruch“, stellt Schnaubelt fest. Die Corona-Pandemie hätte diesen Effekt noch einmal beschleunigt. Rund die Hälfte der Kirchenmitglieder sei „nur noch über mediale Angebote wie Fernsehen, Internet und Social Media mit der (katholischen) Kirche verbunden.“ Der Journalist schreibt: „An den Sonntagen verfolgen ebenso viele Gläubige einen Gottesdienst am Bildschirm, wie vor Ort in den Kirchen.“ Deshalb müssten die digitalen Medien als Chance gesehen werden, Mitglieder am Gemeindeleben und an den Gottesdiensten aktiv(er) zu beteiligen.

„Christen waren von Anfang an medial kompetent“

Der Jesuit Eckhard Bieger plädiert dafür, die Angst vor den Medien auch im kirchlichen Bereich noch mehr zu überwinden. Schon die ersten Christen hätten ein damals „innovatives Medium“ genutzt: das gebundene Buch, Codex genannt. „Das konnte, anders als die jüdische Schriftrolle, leichter mitgenommen werden“, schreibt der Geistliche. Er hält zudem fest: „Luther war ein Mediengenie.“

Früher seien die Kirchengebäude zugleich die Medienzentren der Zeit gewesen, mit den „Medien“ Malerei, Skulpturen und Musik. Die neueren, digitalen Medien seien „weiter weg von den Kirchtürmen entstanden“, erinnert Bieger. „Sie sind auch nicht von Autoren aufgebaut worden, sondern von Technikern.“ Die Mühe, das Religiöse der Religion darzustellen, machten sich aber leider viele Journalisten nicht, „ebenso wenig kirchliche Pressestellen“. Bieger warnt auch: Die Gemeinde vor Ort sei weiter unentbehrlich. „Das Zeugnis der Anderen ist konstitutiv für die geistige Realität der Erlösung. Religion wird erst ‚wirklich‘ in Gemeinschaft.“

Sinne wie Riechen, Tasten und Schmecken nur im persönlichen Kontakt

Auch der Grazer Theologe Georg Plank zeigt sich überzeugt, dass viele „Grundbedürfnisse menschlicher Existenz“ weitgehend von körperlichem Zusammensein abhängig seien. „Überlegen Sie einmal, welche menschlichen Interaktionen nur dann als erfüllend und sinnstiftend erlebt werden, wenn sie auch sinnlich wahrnehmbar sind? Ein gemeinsames Mahl genießen, mit einem Glas Wein anstoßen, sich tröstend und liebevoll umarmen, Sexualität leben, sich gut riechen können, miteinander singen, ein Tänzchen wagen …“

Während Online-Kommunikation Seh- und Gehörsinn ansprechen könnten, entfalteten die Sinne Riechen, Tasten oder Schmecken erst im persönlichen Kontakt ihre Möglichkeiten, so Plank, der das Weblog „Pastoralinnovation“ betreibt.

Schnaubelt, Christian (Hg.): „Gott ist online. Leitfaden zum Einsatz von Internet, Social Media und Newslettern für Kirche und NGOs”, Aschendorff-Verlag, 104 Seiten, 14 Euro, ISBN 9783402131473

Die Liturgie, die noch immer die „vergegenwärtigte Inkarnation als Leib Christi“ in einem „hic et nunc!“verkörpere, sowie das hohe Gut der Gastfreundschaft kämen nur im persönlichen Kontakt wirklich zur Geltung, ist Plank überzeugt. Ähnlich sieht er es bei der Musik. Die Konzerte des Popstars Taylor Swift seien schließlich auch vor allem deswegen ausverkauft, weil sie Millionen Menschen live erleben wollten, anstatt nur ihren Klang zu hören.

Wenig konkrete Tipps

Dafür, dass das Buch „Leitfaden“ und „Mutmacher“ zum Einsatz von digitalen Medien für die Kirche sein will, wird der praktische Teil leider etwas vernachlässigt. Dafür soll laut den Autoren eher die Webseite www.gottist.online gedacht sein, die parallel zum Buch erschien und in Zukunft weiter ausgearbeitet werden soll.

Die Gefahr der Redundanz ist bei diesem Thema freilich groß; aus verschiedenen Blickwinkeln wird auch hier immer wieder festgestellt, dass das Internet das Leben und das Informationsangebot radikal verändert hat und sich daher auch die Kirche darauf einstellen sollte. Man hätte sich vielleicht noch mehr konkrete Vorschläge gewünscht, etwa: wie man Tools in die Kirche einsetzen kann, Infos über Websites oder Software, Ideen für den digitalen Einsatz und so mehr. Manche Tipps wirken dann sogar ein wenig aus der Zeit gefallen. Dass digitale Medien dazu genutzt werden können, dass kirchliche Gruppen sich auf Webseiten vorstellen oder sich über Mail und Messenger miteinander vernetzen und Termine absprechen können, dürfte inzwischen auch in Kirchenkreisen weitestgehend bekannt sein. Auch das zukunftsträchtige Thema Künstliche Intelligenz wird allenfalls gestreift. Konkrete KI-Systeme werden kaum genannt. Spannend wäre es zudem gewesen, zu erfahren, welche neuen Technologien denn in Kirchenkreisen eher abgelehnt werden, welche besonders erfolgreich funktionieren oder vielleicht sogar, welche man sich für die Zukunft wünschen würde.

Immerhin stößt das Buch ein Nachdenken über die Nutzung digitaler Medien in der Kirche überhaupt an. Einige konkrete Vorbilder oder Anlaufstellen werden genannt, etwa www.missio-betet.de mit pastoralen Angeboten, holyblocks.de mit Glaubensanstößen mit Hilfe des Spiels „Minecraft“, oder der www.churchdesk.com über die Funktionsweise von Online-Gemeindeplattformen. Und gerade in der Katholischen Kirche, in der die Liturgie maßgeblich nur durch die Präsenz der Gläubigen vor Ort ihren Sinn erfüllt, sind die Fragen dringlich. Herausgeber Schnaubelt ist sich jedenfalls sicher: „Wenn Kirche nicht digital auffindbar ist, stirbt sie aus.“ Denn: „Es geht vielmehr darum, dass (kirchliche) Institutionen dort präsent sind, wo die Menschen sind und damit auch in der digitalen Welt auffindbar sind.“

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