Bereits zum zweiten Mal ist Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) Ziel einer Attacke geworden. Dieses Mal wurde die Fassade seines Wohnhauses durch Unbekannte großflächig mit roter Farbe beschmiert. Außerdem hinterließen die Täter mehrere Schriftzüge mit den Worten „Genocide Joe Chialo“ (Deutsch: Genozid Joe Chialo), wie die Polizei am Montag mitteilte. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt. Politiker aus dem gesamten demokratischen Spektrum verurteilten die neuerliche Attacke auf das Schärfste.
Der Kultursenator war erst vor wenigen Tagen bei einem öffentlichen Auftritt in Berlin aus einer Gruppe von 40 Personen heraus tätlich angegriffen und beleidigt worden. Ein Großteil der Täter trug bei dem Vorfall Polizeiangaben zufolge sogenannte Palästinensertücher. Sie riefen unter anderem die verbotene Parole „From the River to the Sea“ (Deutsch: „Vom Fluss zum Meer“). Überdies hätten sie den Senator einen Rassisten genannt.
Die erneute Attacke auf das Wohnhaus Chialos wurde am Montag einhellig verurteilt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte diese „durch nichts zu rechtfertigen“. Wer Politiker und ihre Familien bis hin zu ihrem Zuhause bedrohe, habe sich „aus jeder demokratischen Auseinandersetzung verabschiedet“. Derartige Taten seien Ausdruck von Hass und Gewalt und der Versuch, Angst zu schüren.
Überschreitung „jeder Grenze“
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach von einer Überschreitung „jeder Grenze“. Die Täter disqualifizierten sich damit für jegliche Diskussion. Wegner fügte hinzu, deshalb sei die Demokratieklausel bei der Vergabe staatlicher Mittel dringend notwendig: „Kein Steuergeld für Demokratiefeinde.“
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) nannte die Angriffe auf die Privatwohnung von Chialo und die gewaltvollen, tätlichen Angriffe gegen seine Person widerwärtig. Diese seien „absolut inakzeptabel“ und überschritten jede Grenze. Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker sei eine Gefahr für die Demokratie, egal aus welcher politischen Richtung.
Auch die Berliner SPD versicherte Chialo ihre volle Solidarität. Die SPD-Landesvorsitzenden Nicola Böcker-Giannini und Martin Hikel erklärten, der Anschlag sei durch nichts zu rechtfertigen und eine
unentschuldbare Grenzüberschreitung. „Die Täterinnen und Täter versuchen die Auseinandersetzung des Gaza-Konflikts nach Berlin zu tragen und machen mit solchen Einschüchterungsversuchen die Propaganda-Arbeit der Hamas. Wir dürfen und werden das niemals dulden“, fügten die beiden SPD-Landesvorsitzenden hinzu.
Ver.di Landesbezirksleiterin Andrea Kühnemann betonte, körperliche Angriffe und Schmierereien seien kein Mittel der politischen Auseinandersetzungen in einer pluralistischen Gesellschaft. Solche „aggressiven Einschüchterungsversuche“ stünden im Widerspruch zu einem demokratisch notwendigen Diskurs über die Entwicklung der kulturellen und künstlerischen Vielfalt.
Christ, der sich gegen Antisemitismus stark macht
Chialo ist bekannt dafür, sich gegen Antisemitismus starkzumachen. Er plante die Einführung einer „Antidiskriminierungsklausel“ für Kulturschaffende, die Zuwendungen des Senats an das Bekenntnis gegen Antisemitismus knüpft. Es gab breiten Widerstand aus der Szene. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, begrüßte dagegen die Klausel. Schließlich räumte der Senat das Vorhaben wegen juristischer Bedenken wieder ab.
Chialo ist zudem gläubiger Christ. Im Interview mit PRO sagte er jüngst: „Das Gebet begleitet mich. Ich stehe zu meinem Christsein, wenn man mich fragt und ich glaube, dass Beten eine Kraftquelle ist. Es lohnt sich, das neu zu entdecken. Die Hinwendung zu etwas Größerem lehrt uns Demut. Und es hilft, sich zu strukturieren, seine Wünsche für die Zukunft zu sortieren. Leider ist das nicht mehr en vogue.“
Autor: epd/Anna Lutz