Wie wichtig sind Kerzen, Tannenduft und Spekulatius? Sind die Zeiten mit Knusperhäuschen und Pfefferkuchen fein nicht längst vergangen? Und warum erleben wir weihnachtliche Winterlandschaften nur in Musik-Videos, Werbespots und alten Bilderbüchern? Brauchen wir wirklich kreativ designte Premium-Adventskalender, wenn kaum noch jemand Zeit findet, die Türchen zu öffnen? Und ganz im Ernst: Wie unbefangen werden wir wohl künftig ins Gewühl der Weihnachtsmärkte eintauchen, um dort unbeschwert Glühwein genießen zu können?
Weihnachten ist das schönste Fest der Christenheit – es ist weltweit einzigartig hinsichtlich seiner zahllosen kulturellen Ausprägungen. Auch wenn heutzutage jede Menge Weihnachtsmänner für Bescherung sorgen, so geht es doch an Weihnachten immer wieder um diese faszinierende Stall-Story aus dem antiken judäischen Bethlehem: Die Durchreisenden Maria und Josef, ihr neugeborenes Jesuskind, das in einer Futterkrippe liegt. Dazu Hirten, Schafe, mysteriöse Weise aus dem Morgenland. Und nicht zuletzt der Engel Gottes, der „große Freude“ verspricht, „die dem ganzen Volk zuteil werden“ soll. Weihnachten steht für Friede, für Liebe, für Versöhnung und Familie. Auch vielen Menschen, die mit Christentum und Kirche wenig anfangen können, ist dies wichtig.
Vieles gibt Anlass zur Verunsicherung
Und nun ist fünf Tage vor Heiligabend genau das geschehen, was Sicherheitsbehörden lange befürchtet hatten: Ein blutiges Attentat auf einen Weihnachtsmarkt. Tödlicher, blinder Hass. Mitten in Berlin. Aus der „abstrakten Bedrohungslage“ ist grausige Wirklichkeit geworden. Weihnachten werde „überschattet wie noch nie“, kommentiert der Berliner Tagesspiegel und drückt damit die Empfindungen von Millionen aus.
Obwohl unser Land insgesamt im internationalen Vergleich noch immer bemerkenswert kraftvoll und robust dasteht, sind viele Menschen zum Ende des Jahres 2016 tief verunsichert. Und misstrauisch: Europa droht seit geraumer Zeit in einem Strudel aus unbewältigter Zuwanderung, Staatsschuldenkrise, islamistischer Terrorbedrohung und Brexit zu versinken. Ins Weiße Haus zieht im Januar ein US-Präsident ein, der viele Ängste weckt. Und in Deutschland schwindet das Vertrauen nicht nur in die etablierte Politik: Ob es um Zusagen bei der Rente geht, um Zinserträge oder die einst legendäre automobile Zuverlässigkeit made in Germany: alles wackelt, alles wankt.
Gott kommt den Menschen maximal nahe
Etliche empfinden auch Weihnachten als „verlogen“. Sie verorten das Fest irgendwo zwischen Kirche, Kulturtraditionen, Kitsch und Kommerz. In einer TNS-Emnid-Umfrage im Auftrag von Focus haben lediglich 47 Prozent der Befragten Interesse an Weihnachtsgottesdiensten bekundet. Das traditionelle Fest der Familie und der Liebe ist nach Berichten von Psychologen, Telefonseelsorgern und Sozialarbeitern für immer mehr Menschen eher eine Zeit der Einsamkeit und Probleme: Arme, Kranke, Alte, Sterbende, Trauernde, Alleinstehende, Hilflose, sozial Isolierte – der vermeintliche „Rand“ der Gesellschaft dürfte viel größer sein, als wir wahrhaben wollen. Auch viele Polizisten, Soldaten, Wachleute, Krankenschwestern oder Busfahrer haben sicher gemischte Gefühle, wenn sie an Weihnachten denken.
Was also bleibt von Weihnachten? In Wahrheit ist es die 2000 Jahre alte Kernaussage. Sie ist zwar alt, aber nicht altmodisch. Als die Hirten bei Bethlehem plötzlich den Engel sehen, der nach der Beschreibung des Evangelisten Lukas in unbeschreiblich gleißendes, göttliches Licht gehüllt ist, erleben sie eine Machtdemonstration – aber keinen Machtmissbrauch. Stattdessen sagt der Engel: „Fürchtet euch nicht!“ Eine Botschaft in drei Worten. Sie ist heute so aktuell wie damals. Das Obdachlosenkind im Stall ist der Sohn Gottes, er kommt als „Retter“, sagt der Engel: Gott selbst ist somit nicht nur majestätisch und fern. Sondern er kommt dem Menschen zugleich maximal nah – er wird selbst Mensch. Der Engel spricht deshalb von riesiger Freude und von der Perspektive „Friede auf Erden“. Mit diesen Worten weckt er Hoffnung, und er reagiert auf die tiefe Sehnsucht, die Milliarden Menschen aller Kulturen und Generationen eint. Bis heute. Und gerade heute. (pro)
Von: iri