Was taten Christen gegen Hitler? ARD-Dokumentation am Montagabend

Was tat die Kirche, was taten einzelne Christen in Deutschland, um gegen das Nazi-Regime Adolf Hitlers anzugehen? Diese Frage beleuchtet die sehenswerte ARD-Dokumentation „Mit Gott gegen Hitler“, die am 4. Mai 2020 in der ARD zu sehen ist.
Von Jörn Schumacher
Der Theologe Dietrich Bonhoeffer in der ARD-Dokumentation „Mit Gott gegen Hitler“thias Koberlin

Gleich zu Beginn überrascht die Dokumentation „Mit Gott gegen Hitler“, welche die ARD anlässlich des 75. Jahrestag des Kriegsendes produziert hat. Es ist das Jahr 1933, und Hitler ruft einer begeisterten Menschenmasse zu, es breche nun ein neues Reich an: „Das neue deutsche Reich der Größe, der Ehre und der Kraft und der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit, Amen!“ Es klingt kurz wie das Vater Unser. Und das sicher nicht zufällig.

Wie Hitler es verstand, beide großen Kirchen in Deutschland für seine Zwecke einzuspannen und wie einzelne Helden dieser Kirchen es verstanden, diesem fast übermächtigen Gegner mutig Paroli zu bieten, davon handelt „Mit Gott gegen Hitler“. Leider läuft der Film, der szenische Filmsequenzen mit dokumentarischen Informationen und Experten-Interviews abwechselt, erst sehr spät am 4. Mai 2020 in der ARD, nämlich erst um 23.30 Uhr. Doch immerhin ist sie an diesem Tag bereits ab 18 Uhr in der ARD-Mediathek verfügbar.

Im Mittelpunkt stehen Menschen, die gegen Hitler gekämpft haben, weil sie Christen waren. Eine zentrale Position nimmt Dietrich Bonhoeffer ein, der schon 1934 seine Mitchristen ermahnte, Hitlers Nationalsozialismus am besten „in die Speichen“ zu fallen. In dieser Zeit hielt er seine Rede „Die Kirche vor der Judenfrage“. Seine Botschaft fiel auf wenig fruchtbaren Boden – Bonhoeffer bekam es mit Widerstand in seiner eigenen Kirche zu tun. Die zeige, dass er schon damals „eine klare Vorstellung davon hatte, was es heißt, das ernst zu nehmen, was wir heute Menschenwürde nennen“, sagt Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratsvorsitzender. Die Historikerin Jutta Koslowski betont: Bonhoeffer hörte eben nicht auf die Stimme der Vernunft, denn die hätte ihm wahrscheinlich gesagt, lieber wieder nach Amerika zu gehen. „Es war letztlich eine innere Stimme, die Stimme des Gewissens, obwohl er wusste, dass ihm das das Leben kosten könnte.“

Kritik an Hitler, aber kein Wort zur Judenverfolgung

Das Leben Dietrich Bonhoeffers ist vielleicht vergleichsweise gut bekannt, aber die Dokumentation hat zum Glück auch Informationen zu weniger bekannten Personen, die als Christen Hitler die Stirn boten. Der Zuschauer erfährt, dass zu Beginn der Hitler-Diktatur etwa 95 Prozent der Bewohner des Deutschen Reiches Christen waren, davon rund zwei Drittel evangelisch, ein Drittel katholisch, Juden machten 0,8 Prozent aus. Für viele vielleicht zudem überraschend: Die NSDAP hatte in evangelischen Gebieten etwa doppelt so hohe Stimmanteile wie in katholischen Gebieten. Während der Diktator die evangelische Kirche eher „von unten nach oben“ eroberte, schaffte er dies bei der katholischen „von oben nach unten“: Mit dem Vatikanstaat schloss Hitler einen Vertrag: Gemäß dem Reichskonkordat verzichtete der Vatikan auf jede politische Betätigung, dafür bekam er eine Bestandsgarantie – die jedoch, wie sich zeigte, nicht viel wert war.

Eine weitere Figur, welcher die ARD-Dokumentation Aufmerksamkeit schenkt, ist Laurentius Siemer, Provinzial des Dominikanerordens in Südoldenburg. Siemer trat dem Nationalsozialismus von Anfang an kompromisslos entgegen, vor allem in veröffentlichten Schriften. Am 9. April 1935 wurde Siemer wegen angeblicher „Devisenvergehen“ von der Gestapo verhaftet, wurde jedoch nach einigen Monaten wieder freigesprochen. Ab 1941 unterstützte Siemer Widerstandsgruppen und stellte das Kloster Walberberg für konspirative Treffen zur Verfügung. Siemer konnte sich vor den Nazis verstecken und überlebte das Kriegsende. Er starb am 21. Oktober 1956 in Köln.

Zu den weiteren, eher unbekannteren Personen im christlichen Widerstand gegen Hitler werden Pastoren wie Hans Asmussen aus Dithmarschen genannt, der Hitler einen Brief schrieb und es wagte es, dessen Versuche, sich Kirchen zunutze zu machen, als „Schweinerei“ zu bezeichnen. Papst Pius XI. warnte vor den Nazis in einer Enzyklika „Mit brennender Sorge“, doch die Judenverfolgung erwähnte er mit keinem Wort. Auch die „Barmer theologische Erklärung“, in der Vertreter von evangelischen Landeskirchen erklären, sich nicht zu Handlangern der Nazis machen zu wollen, weist mit keinem Wort auf die die Judenverfolgung hin. Die Gruppe „Die Weiße Rose“ indes wird erstaunlicherweise nur am Rande zu erwähnt, dabei gründeten die jungen Mitglieder ihren lebensgefährlichen Widerstand gegen Hitler doch ebenfalls auf ihren christlichen Glauben. Auch einen Verweis auf Franz Jägerstätter hätte man sich gewünscht, dem der amerikanische Star-Regisseur Terrence Malick mit dem Film „Ein verborgenes Leben“ vor kurzem ein Denkmal gesetzt hat und der 2007 selig gesprochen wurde. Jägerstätter war überzeugter Katholik, dem sein Glaube es verbot, für Nazi-Deutschland zu kämpfen. Dennoch ist „Mit Gott gegen Hitler“ eine wichtige Dokumentation, die 75 nach dem Sieg über Hitler wertvolle Informationen über Christen im Widerstand liefert.

„Mit Gott gegen Hitler“, 4. Mai 2020, 23.30 Uhr in der ARD, am selben Tag bereits ab 18 Uhr in der ARD-Mediathek

Von: Jörn Schumacher

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