Was der Ethikratschef am Abtreibungsrecht ändern würde

Der neue Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Helmut Frister, hat den bisherigen rechtlichen Kompromiss zum Schwangerschaftsabbruch befürwortet. Der „Rheinischen Post“ sagte er, was er an der Regelung dennoch kritisch sieht.
Von Anna Lutz

Die Politik streitet schon seit Monaten über eine Abschaffung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch, dem sogenannten Abtreibungsverbot. Nun hat sich auch der neue Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Helmut Frister, dazu geäußert. In der „Rheinischen Post“ verteidigte er die bisherige Regelung „aus pragmatischen Gründen“. Denn er sorge „für einen Ausgleich zwischen dem Lager derjenigen, die den Frauen die freie Wahl geben wollen, und dem der strikten Abtreibungsgegner“.

Beunruhigt sei er aber, weil „in vielen deutschen Gegenden die Frauen gar keine Möglichkeit mehr haben, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden“. Zudem sieht er einen Widerspruch bei der derzeitigen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs: „Wenn wir den Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen tatsächlich als Unrecht bewerten wollten, dürften wir dieses Unrecht auch nicht dadurch fördern, dass die Sozialhilfe ihn bezahlt.“

Derzeit liegt dem Deutschen Bundestag ein Gruppenantrag zur Neuregelung des Abtreibungsrechts vor. Demnach wären Abbrüche in der frühen Schwangerschaft auch dann nicht mehr strafbewehrt, wenn einer Beratungspflicht nicht nachgekommen wird. Zudem sieht der Entwurf vor, dass die Krankenkassen für Abbrüche aufkommen. 

Neuregelung der Suizidbeihilfe

Frister fordert auch eine Neuregelung der Suizidbeihilfe. So spricht er sich etwa für ein klares Verfahren im Vorfeld von Sterbehilfe aus: Zwar halte er ein psychiatrisches Gutachten „nicht in jedem Fall für notwendig“, denn auch der behandelnde Arzt könne den Sterbewunsch beurteilen. „Aber das Vier-Augen-Prinzip muss in dem Fall gelten. Eine intensive Beratung ist ebenfalls geboten“, so Frister. 

Er selbst vertrete die Auffassung, „dass wir rechtlich und ethisch respektieren müssen, dass jemand freiwillig aus dem Leben scheidet. Es muss aber stets geprüft werden, ob das eine frei verantwortliche Entscheidung ist“.

Gesellschaft ist auseinandergedriftet

Doch es sind nicht nur medizinethische Themen, die den Ethikrat beschäftigen. Im kommenden Jahr soll es besonders um den Zusammenhalt in der Gesellschaft gehen und darum, „nicht weiter auseinanderzudriften und die politische Legitimationskrise zu überwinden“.

Den Ursprung dieser Krise sieht Frister einerseits in den multiplen Krisen der heutigen Zeit wie Klimawandel und Wirtschaftsprobleme. Aber auch in einer mangelhaften Kommunikation durch die Politik. Frister: „Die Realitäten haben sich geändert. Und es zeigt sich, dass wir Dinge ändern müssen, um unsere Welt und unsere Umgebung zu bewahren. Auch der Konservative muss manchmal die Dinge ändern. Und es ist vor allem völlig unrealistisch, dass dies alles ohne größere Belastungen für die Bürger abgehen könnte. Weil die Politik da nicht immer ehrlich ist, erwarten die Menschen von ihr schnelle und vor allem bequeme Lösungen und sind unzufrieden, wenn die nicht kommen.“

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