Meinung

Warum die Öffentlich-Rechtlichen nicht gendern sollten

Einige Journalisten gendern, andere nicht. Dabei sollten sich vor allem öffentlich-rechtliche Medien nicht zum Vorreiter eines Konzepts machen, das ein Großteil der Bevölkerung ablehnt. Christen können derweil aus der Debatte um die richtige Sprache etwas lernen.
Von Jonathan Steinert
Duden

Die Debatte um das sprachliche Gendern erhitzt immer wieder die Gemüter. Anfang August zum Beispiel haben über 70 Linguisten in einer gemeinsamen Stellungnahme den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dafür kritisiert, immer mehr eine „gendergerechte Sprache“ anzuwenden. Das jedoch entspreche weder den Regeln der Grammatik und der Rechtschreibung noch dem Bildungsauftrag und dem Neutralitätsgebot des Rundfunks. Im Gegenteil: Dieser Sprachgebrauch sei stark ideologisch motiviert.

Beim Gendern geht es darum, auf die grammatische Form des „generischen Maskulinums“ zu verzichten. „Generisch“ bedeutet so viel wie allgemein, nicht spezifisch. Das generische Maskulinum bezieht sich daher nicht spezifisch auf Männer. Es kann geschlechtslose Gegenstände (Tische, Stühle, Lappen) bezeichnen, ebenso wie Personen in einem Kontext, bei dem es nicht auf deren spezifisches Geschlecht ankommt. „Leser“ ist daher eine Person, die liest. Ob Mann oder Frau, ist dafür erst einmal völlig egal. Doch weil die maskuline Form dieselbe ist, die auch einen männlichen Leser bezeichnet, finden Verfechter des Genderns es ungerecht gegenüber Nicht-Männern, sie zu verwenden, wenn unter den „Lesern“ auch Frauen sind. Daraus sind dann Ersatzformen entstanden wie Lesende, Leserinnen und Leser, LeserInnen, Leser:innen, Leser*innen.

Das Anliegen dahinter ist sehr gut nachvollziehbar: Gerechtigkeit, Sichtbarkeit und Wertschätzung von Menschen, indem sie konkret angesprochen werden. Das sind auch aus christlicher Sicht bedeutsame Werte. Trotzdem finde ich das Gendern nicht überzeugend. Denn es geht ja bei der generischen Form gerade darum, dass Unterschiede zwischen den Menschen in einem bestimmten inhaltlichen Kontext keine Rolle spielen – übrigens auch, wenn ich von den grammatisch maskulinen „Menschen“ insgesamt spreche. Indem ich das Geschlecht sprachlich betone, stelle ich den Unterschied umso stärker heraus.

Und weitergedacht: Müssten außer dem Geschlecht nicht dann auch noch andere Merkmale, die zu Diskriminierung geeignet sind, gesondert erwähnt werden? Herkunft, Alter, Größe, Gewicht? Das ist offensichtlich absurd. Den Aufruf der Sprachwissenschaftler finde ich daher richtig. Medien haben nun einmal eine Vorbildfunktion, auch was Sprache angeht. Gerade die öffentlich-rechtlichen Medien haben eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft – und werden ja auch von ihr finanziert. Daher sollten sie sich nicht zum Vorreiter eines gesellschaftlich-sprachlichen Konzepts machen, für das die Mehrheit der Bevölkerung nichts übrighat.

Von einer medialen „Umerziehung“, wie der Initiator des Aufrufs Fabian Payr gegenüber der Bild-Zeitung sagte, würde ich aber auch nicht sprechen. Denn das unterstellt eine manipulative Absicht, die „den“ Öffentlich-Rechtlichen und einzelnen Journalisten so sicher nicht gerecht wird. Außerdem ist jeder erwachsen genug, sich selbst zu positionieren, sich daran zu reiben oder es zu unterstützen. Daher sollten Gender-Befürworter und -Gegner sich auch nicht zu einer Art Glaubenskampf versteigen. Denn viele bemühen sich sehr bewusst und aus innerlicher Überzeugung um angemessene sprachliche Formen.

Der Streit ums Gendern wird sicherlich nicht so bald zu Ende sein. Aber er hat vielleicht etwas Gutes: Dass wir uns mehr Gedanken über die Worte machen, die wir gebrauchen. Das mahnte schon König Salomo an.

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4 Antworten

  1. Wiedermal ein Beitrag, der klug und ausgewogen an ein heikles Thema herangeht!
    Danke!!
    Auch den Hinweis am Schluss, dass gute Arbeit einen Preis hat, begrüße ich. Wir sind es gewohnt, dass alles im Internet kostenlos ist.
    Ich hoffe auf viele Unterstützer und Unterstützerinnen, damit wir weiterhin mit sorgfältigen Infos versorgt werden können!

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    1. „Unterstützerinnen und Unterstützer“ also für die „Journalistinnen und Journalisten“, die ihren „Leserinnen und Lesern“ gute Qualität liefern möchten?

      Warum nur immer diese floskelhaften Genderismen, hier die unnötige Geschlechterdoppelung???

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  2. Es ist ein guter Hinweis, abwägend zu formulieren. Allerdings kann man der „Gendersprache“ kaum kritisch gegenüberstehen und sie gleichzeitig beliebig tolerieren. Die sachlichen Argumente beschreibt der Artikel ja recht gut, wenn auch knapp. Leider verdirbt der Gebrauch des generischen Maskulinums, als wäre es ein spezifisches, die gewachsene Sprache, weil das Empfinden „umtrainiert“ wird. Insofern hat Herr Payr leider recht.

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