Wahlrecht ab 16: Das sagen christliche Verbände

In einigen Bundesländern dürfen Jugendliche bereits mit 16 ihre Stimme abgeben. Die Ampel-Koalition möchte das Wahlalter auch für die Bundestagswahlen absenken. Christliche Jugend-Verbände begrüßen mehrheitlich das Vorhaben – und gehen noch weiter.
Von PRO
Wahlen

Wählen ab 16. Geht es nach der Ampel-Regierung, soll das bald auch bei Bundestagswahlen möglich sein – jedenfalls steht das im Koalitionsvertrag. Die dafür eingesetzte „Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit“ soll für dieses Vorhaben entsprechende Empfehlungen ausarbeiten. Jene Kommission, die auch für die Verkleinerung des Bundestages zuständig ist.

Das Problem ist allerdings, dass für eine entsprechende Grundgesetzänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag notwendig ist. Diese liegt jedoch für die Koalition in weiter Ferne. Zwar unterstützt die Linke den Plan, Union und AfD sind aber strikt dagegen.

Steinmeier dafür, Union dagegen

Kürzlich äußerte sich gar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in dieser Angelegenheit. Obwohl er lange skeptisch gewesen sei, halte er es mittlerweile für geboten, „darüber nachzudenken, ob wir das Gewicht der Jüngeren durch eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahren auch bei der Bundestagswahl ausgleichen“.

Frank-Walter-Steinmeier Foto: PRO/Martin Schlorke

Kritik auf die Aussagen Steinmeiers folgte prompt aus der CDU. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, wies den Vorstoß des Staatsoberhauptes zurück. Durch das Herabsetzen des Wahlalters würde das Wahlrecht „letztlich entwertet“.  „Man kann kaum begründen, warum jemand über die Geschicke unseres Landes mitentscheiden soll, den wir in anderen Bereichen nicht für reif genug erachten, seine Angelegenheiten ohne die Zustimmung seiner Eltern zu regeln.“

Das sagen christliche Verbände 

Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. (CJD)

„Ausdrücklich“ begrüßt wird das Vorhaben vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschland (CJD). Vorstand Oliver Stier fordert zudem, dass auch junge Menschen ab 16 gewählt werden können. Bisher gibt es beim passiven Wahlrecht auch bei Kommunal- oder Landeswahlen ein Mindestalter von 18.  Mit der Absenkung des Wahlalters sieht das CJD die Chance, dass „Politik wieder nachhaltiger – im Sinne von Langfristig- und Verlässlichkeit – gestaltet wird und sich nicht nur auf die Zeit bis zur nächsten Wahl erstreckt“.

Gleichzeitig müsse aber politische Bildung in der Schule und Jugendarbeit mehr Platz eingeräumt werden. Aus diesem Grund sei dies beim CJD ein „wesentliches Handlungsfeld der Persönlichkeitsbildung“. Denn „für eine Demokratie ist die Beteiligung und die Verantwortungsbereitschaft junger Menschen sehr wichtig“.

„Entschieden für Christus“ (EC)

Der Generalsekretär des Jugendverbandes „Entschieden für Christus“ (EC), Klaus Göttler, sieht im Vorhaben der Regierung parteipolitische Erwägungen. „Luft nach oben“ sieht er dagegen in der Stärkung von Jugendverbänden, damit Jugendliche in ihrer gesellschaftlichen Beteiligung gefördert werden.

Unabhängig von einer Reform des Wahlalters hat für Göttler jugendpolitische Bildung, die weder parteipolitisch noch ideologisch ist, einen „wichtigen Stellenwert“. Im Falle einer Absenkung des Wahlalters brauche es „ähnlich zum begleiteten Fahren mit 17, eine parteipolitisch unabhängige Wahlbegleitung“.

Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ)

Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) steht dem Vorhaben positiv gegenüber und würde sogar noch einen Schritt weitergehen. Gegenüber PRO erklärt die Bundesvorsitzende Lena Bloemacher, dass „sogar ein Wahlalter ab 14 oder sogar noch früher“ diskutiert werden solle. „Wir erleben in unserer intensiven Verbandsarbeit, dass Jugendliche in der Regel ab 14 Jahren bereit sind, selbst ehrenamtliche Verantwortung auf verschiedene Weise zu übernehmen.“ Dies sei ein Alter, „in dem wir Jugendlichen politische Entscheidung und Verantwortung auf jeden Fall zutrauen können“.

Allerdings sieht der BDKJ Bedarf an einer zielgruppengerechten Ausarbeitung der politischen Programme, die mitberücksichtigt werden müsse. Zudem müsste politische Bildung einen anderen Stellenwert erhalten. Der BDKJ setze sich beispielsweise schon jetzt dafür ein, dass Kinder und Jugendliche stärker in politische Prozesse eingebunden werden. Das könne durch Mitarbeit in verschiedenen Gremien und Ausschüssen in der Kommunalpolitik geschehen.

Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V. (aej)

Die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V. (aej) begrüßt die Bestrebungen der Koalition. In einem Beschluss von 2006 fordert die Arbeitsgemeinschaft eine Absenkung des Wahlalters auf kommunaler, Länder-, Bundes-, Europaebene und im kirchlichen Raum auf 14 Jahre.

Die Referentin für Kinder- und Jugendpolitik, Daniela Broda, sieht zeitgleich aber die Notwendigkeit eines höheren Stellenwertes von politischer Bildung, denn „politische Bildung ist eine wichtige und notwendige Voraussetzung für die persönliche, soziale und zivilgesellschaftliche Teilhabe von Individuen an der Gesellschaft.“ 

Christlicher Verein Junger Menschen (CVJM)

Carsten Korinth, Referent für Jugendpolitik beim CVJM Deutschland, sieht Jugendverbände als „Werkstätten der Demokratie“: „Junge Menschen werden hier befähigt, Gaben und Kompetenzen zu entdecken und für ihre Bedürfnisse einzutreten.“ In politischen Begegnungs- und Austauschformaten werde Demokratie und gesellschaftspolitisches Engagement erlebt und gelebt.

Korinth beobachtet, dass das politische Interesse junger Menschen in den vergangenen 20 Jahren zugenommen hat: „Sie sind also keinesfalls mit einer Wahlentscheidung überfordert. Allerdings fühlen sich viele nicht durch die Politik wahrgenommen oder repräsentiert. Ihre Stimmen sollten aber gehört werden, damit sie ihre Ideen einbringen.“ Es gehe darum, ihre Teilhabe zu stärken

Gerade Jugendverbände könnten Räume bieten, in denen Jugendliche diskutieren und reflektieren. Deswegen sei es auch unerlässlich, die Jugendverbände in der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu stärken und ihre Arbeit zu wertschätzen beziehungsweise finanziell zu sichern. Der „föderale Flickenteppich“ in Bezug auf das Wahlrecht sei nur schwer vermittelbar. „Warum sollen Jugendliche das EU-Parlament wählen dürfen, aber nicht den Deutschen Bundestag: Es ist deswegen dringend erforderlich, das Wahlalter bei allen Wahlen auf 16 Jahre zu senken und gleichzeitig die Jugendverbandsarbeit zu stärken.“

„Wertestarter“

Der Geschäftsführer der „Wertestarter“, Johannes Nehlsen, erklärte auf Nachfrage von PRO, dass er das Herabsetzen des Wahlalters befürwortet. „Angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft bekommt die Wählergruppe der Senioren ein immer größeres Gewicht. Somit bestimmt eine Wählergruppe über Zukunftsthemen, der nicht die Zukunft gehört.“ Zudem zeigten aktuelle Debatten wie die um die Klimakrise, dass „die junge Generation ein Gespür für zukunftsrelevante Themen hat.“

Aus Sicht von Nehlsen müssten mit einem Herabsetzen des Wahlalters auch stärkere Bemühungen um politische Bildung einhergehen. Dort sieht er ein „hohes Potenzial“ für Gemeinden und christliche Werke, Projekte mit gesellschaftlicher Relevanz anzubieten – auch in Kooperationen mit Schulen.

Mehrheit der Deutschen gegen Wahl ab 16

Einer Umfrage des Forschungsinstitut Insa zufolge ist eine Mehrheit der Deutschen gegen ein solches Vorhaben. Demnach lehnen 62 Prozent der Befragten es ab beziehungsweise eher ab, das Wahlalter bei Bundestagswahlen abzusenken.

27 Prozent sprachen sich für die Pläne der Koalition aus, sieben Prozent ist es derzeit egal und vier Prozent wollen sich nicht positionieren.

Von: Johannes Blöcher-Weil und Martin Schlorke

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