„Waffen für die Ukraine – aber nicht aus Deutschland“

Die Linken-Politikerin Petra Pau hat mit PRO über Laizismus, Glaube im Sozialismus und linke Politik in Zeiten des Krieges gesprochen.
Von Anna Lutz

PRO: Frau Pau, Sie sind seit Anfang des Jahres religionspolitische Sprecherin Ihrer Fraktion. Ist das für Sie eine Herzenssache?

Petra Pau: Ich habe mich aktiv in der Fraktion um die Position beworben. Ich möchte nach außen, aber auch innerhalb der Partei, das Wissen um und das Verständnis für Religion fördern. Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht. Das ist mir wichtig.

Ist Religion ein Zankapfel in Ihrer Partei?

Nein. Ich denke, viele Linke haben sich bisher nicht mit Religion auseinandergesetzt. Tatsächlich habe ich nach unserem erstmaligen Einzug als Linke in den Bundestag 2005 viele Briefe von Linken aus West und Ost bekommen, die forderten, wir müssten eine atheistische Partei sein. Ich und auch viele andere Linke wie Bodo Ramelow oder Christine Buchholz, meine Vorgängerin als religionspolitische Sprecherin, haben das nie so gesehen. Marxismus, Sozialismus und Religion verhalten sich zueinander nicht wie Feuer und Wasser, sondern haben programmatische Gemeinsamkeiten.

„Religion ist per se nichts Gutes oder Schlechtes, sie auszuleben, ist schlicht ein Menschenrecht.“

Petra Pau im Gespräch mit PRO

Wie das? In allen maßgeblichen größeren Staaten, die sich heute noch auf den Sozialismus berufen, werden Christen unterdrückt: China, Eritrea, Kuba, Nordkorea, Laos, Vietnam. Offenbar gibt es keinen Sozialismus, in dem religiöse Menschen frei leben können.

Ich bin der festen Überzeugung, dass das funktionieren kann. Der Sozialismus sow­jetischer Prägung ist vollkommen zu Recht in Europa untergegangen. Was heute in China, Vietnam oder sonstwo passiert, hat nichts mit dem demokratischen Sozialismus zu tun, den ich als Mitglied der Partei Die Linke anstrebe. Religion ist per se nichts Gutes oder Schlechtes, sie auszuleben, ist schlicht ein Menschenrecht. Und jeder Sozialist ist gut beraten, dafür zu kämpfen, dass jeder seinen Glauben leben darf, auch öffentlich. Natürlich auch dann, wenn einer sagt, ich glaube nicht. Die Freiheit gilt für alle.

Sie waren in der DDR SED-Mitglied und Mitarbeiterin der FDJ. Begegnen Ihnen Christen, besonders aus dem Osten Deutschlands, mit Skepsis?

Ich erlebe eine große Offenheit mir gegenüber. Das rührt wohl auch daher, dass ich mich als Innenpolitikerin für die Rehabilitierung in der DDR verfolgter Schülerinnen und Schüler einsetze. Da sind viele aus der Jungen Gemeinde dabei. Ich weiß, dass viele Traumata davongetragen haben.

Zwischen Platte und Kirche im Kiez: Petra Pau in ihrem Berliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf Foto: pro/Anna Lutz
Petra Pau im Jahr 2018 in ihrem Berliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf

Die Linke hat 2017 eine „Kommission Religionsgemeinschaften, Weltanschauungsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“ gegründet. Warum?

Der Anlass war ein Parteitag in Bonn, bei dem eine sächsische Landesarbeitsgemeinschaft zu später Stunde einen Beschluss zur Aufkündigung der Staatsverträge mit den Kirchen durchboxte. Offensichtlich dachten die Parteikollegen, es handele sich um die Staatskirchen­leistungen – da merkt man schon das verbreitete Nicht-, beziehungsweise Halbwissen. Ich habe dann interveniert und der Beschluss wurde zurückgeholt. Daraufhin habe ich die Gründung der Kommission vorangetrieben.

Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, sagte jüngst in der Zeit: „Jesus wäre Sozialist, wenn er heute leben würde.“

Das sehe ich ganz genauso. Ich habe schon im Jahr 2005 zu Jürgen Rüttgers gesagt: „Jesus wäre heute auf den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV.“

Jesus Christus lässt sich offenbar gut vereinnahmen, es gibt auch ein Buch mit dem Titel „Jesus der Kapitalist“.

Da muss ich mal nachschauen! Die Frage ist doch: Was verstehe ich unter Sozialismus? Und für mich ist damit der Wunsch nach einer gerechten Welt, nach sozialem Ausgleich, Frieden, Bürgerrechten und Demokratie verbunden. An letzterem ist der real existierende Sozialismus gescheitert.

Die Frage ist auch: Wer ist Jesus Christus für Sie?

(Pau überlegt lange, lacht dann zögerlich.) Dazu fällt mir gerade nichts ein.

„Das nächste Parteiprogramm der Linken wird das Wort Laizismus vermutlich nicht mehr beinhalten.“

Petra Pau im Gespräch mit PRO

Sie betonen immer wieder „Die Linke ist keine atheistische Partei“. In Ihrem Parteiprogramm schreibt Ihre Partei dennoch: „Laizismus bedeutet für uns die notwendige institutionelle Trennung von Staat und Kirche.“ Warum wollen Sie eigentlich diese strikte Trennung?

Nur so lässt sich der Grundsatz der Glaubensfreiheit durchsetzen. Jeder muss seinen Glauben leben können. Damit das möglich ist, darf der Staat sich nicht mit einer Glaubensrichtung gemein machen. Deshalb müssen wir die Staatsleistungen an die Kirchen ablösen und auch das Kirchensteuersystem reformieren. Die Religionsgemeinschaften sollten ihre Beitragszahlungen selbst regeln. Wir finden auch, dass die Militärseelsorge unabhängig vom Staat sein sollte und nicht in die Bundeswehr eingebunden wie derzeit.

Zur Person

Petra Pau ist Mitglied der Fraktion Die Linke und sitzt seit 1998 im Deutschen Bundestag. Seit 2006 ist sie Bundestagsvizepräsidentin. In der aktuellen Legislaturperiode ist sie außerdem religionspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Pau ist in Ost-­Berlin aufgewachsen, ihr Wahlkreis ist bis heute dort. In der ehemaligen DDR war sie SED-Mitglied und FDJ-Pionierleiterin sowie Lehrerin. Nach der Wende trat sie in die PDS ein und setzt sich seitdem für die Aufarbeitung der DDR-Diktatur ein. Pau ist evangelisch getauft und konfirmiert, aber heute kein Mitglied der Kirche mehr. Sie bezeichnet sich als gläubig.

Laizismus bedeutet auch große Einschränkungen der Religionsfreiheit: Das Tragen religiöser Symbole im öffentlichen Dienst wäre dann untersagt.

Ich bin dafür, dass Lehrerinnen und Lehrer ihre Glaubenssymbole tragen dürfen. Aber ich bin dagegen, dass ein Kruzifix im Gerichtssaal oder in Amtsstuben hängt.

Mit einem laizistischen Staat ginge die Abschaffung des Körperschaftsstatus für Weltanschauungsgemeinschaften einher. Das würde die Arbeit von Kirchen schwerer machen.

Die Kommission, über die wir bereits sprachen, wird dazu zeitnah Konzepte vorlegen. Ein Papier ist schon erarbeitet, aber es muss noch verabschiedet werden. Deshalb muss ich da noch zurückhaltend sein. Aber wenn Sie mich fragen: Das nächste Parteiprogramm der Linken wird das Wort Laizismus vermutlich nicht mehr beinhalten.

Sie sind gegen einen Religionsunterricht an Schulen. Fördern Sie damit nicht die Entstehung von Koranschulen und anderer Parallelstrukturen?

Ich bin Verfechterin eines verpflichtenden Faches Ethik, das gewährleistet, dass jeder Schüler und jede Schülerin lernt, warum Muslime im Ramadan fasten oder warum Juden Pessach feiern. Religionsunterricht wird es weiter an den Schulen geben. Das akzeptiere ich. Aber wir sollten uns bemühen, ihn dann auch für alle Religionsgemeinschaften anzubieten. Wenn Sie so wollen, habe ich mich da etwas bewegt.

Wir sprachen eben über Ulrich Schneider. Er ist einer von über 800 Mitgliedern, die allein im September aus der Linken ausgetreten sind, nachdem Sahra Wagenknecht im Deutschen Bundestag gefordert hat, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg“ gegen Russland zu beenden.

Jeder Austritt schmerzt mich. Die Linke hat sich als Antikriegspartei gegründet. Solange ich Mitglied des Deutschen Bundestages bin, habe ich noch keinem Einsatz der Bundeswehr zugestimmt und ich werde das auch nicht tun. „Schwerter zu Pflugscharen“ ist für mich noch immer ein wichtiges Wort, obwohl ich mich nicht als Pazifistin bezeichnen würde. Es ist tragisch, dass es Parteimitglieder gibt, die nicht in der Lage sind, den Aggressor und die Aggression gegen die Ukraine zu verurteilen, ohne gleich ein „aber“ hinterherzuschieben. Beim letzten Parteitag hat die Linke festgestellt, dass sie den verbrecherischen Angriffskrieg Russlands verurteilt. Damit ist die Sache eigentlich klar.

Sie sagten im April: „Waffenlieferungen sind nicht die Aufgabe der Bundesrepublik.“ Sehen Sie das noch immer so? Nach Mariupol? Nach Butscha?

Die Bundesrepublik darf nicht Bestandteil des Konflikts werden. Die Nato darf nicht in den Bündnisfall kommen. Zugleich hat die Ukraine das Recht, sich zu verteidigen. Wir müssen Hilfsgüter liefern, keine Frage.

Und Waffen?

Es müssen Wege gefunden werden, wie die Ukraine an die Waffen kommt, die sie braucht. Aber ich bin gegen direkte Waffenlieferungen aus Deutschland.

Frau Pau, vielen Dank für das Gespräch!

Dieses Interview ist zuerst in der aktuellen Ausgabe des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Abonnieren Sie PRO kostenlos hier.

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8 Antworten

  1. „Religion ist per se nichts Gutes oder Schlechtes, sie auszuleben, ist schlicht ein Menschenrecht.“
    Petra Pau im Gespräch mit PRO. O wei! Da ist nicht viel dran..Da steckt nicht viel dahinter. An Religion. Und schon gar nicht an christlichem Glauben.

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  2. „Ich habe schon im Jahr 2005 zu Jürgen Rüttgers gesagt: „Jesus wäre heute auf den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV.“ So ein Blödsinn. Genauso wenig wie er sich seinerzeit für Demos der Juden gegen die Römerbesatzung hätte einspannen lassen. Weil er selbst von sich sagte: Mein Reich ist nicht von dieser Welt!

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  3. „Marxismus, Sozialismus und Religion verhalten sich zueinander nicht wie Feuer und Wasser“

    Da hat sie Marx aber nicht aufmerksam gelesen. Er bezeichnete Religion nämlich als das „Opium des Volkes“.

    „Ich bin der festen Überzeugung, dass das funktionieren kann. […] hat nichts mit dem demokratischen Sozialismus zu tun, den ich als Mitglied der Partei Die Linke anstrebe“

    Diesen „demokratischen Sozialismus“ wird es aber nie geben. Es ist die Lebenslüge der Linken zu glauben, das die unzähligen bisherigen gescheiterten Versuche „nur nicht richtig gemacht“ wurden. Selbst wenn die Linke mit 51% gewählt wird, wird man die restlichen 49% „zu ihrem Glück zwingen“ müssen. Alle Ideologien haben zusätzlich das Problem, dass die Realität irgendwann im Widerspruch zur Ideologie steht. Da die Ideologie aber unfehlbar ist, muß man dann eben seine eigene Realität erschaffen, die mit der wirklichen Realität nicht viel zu tun hat.

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  4. Ich bin wirklich in den meisten Punkten nicht der gleichen Meinung wie Frau Pau aber wegen ihrer Ehrlichkeit hat sie meinen allerhöchsten Respekt. Zudem ist sie eine der glaubwürdigen Politiker im Bundestag. Und mit der Abschaffung der Kirchensteuer hat sie doch Recht. Dann ist auch die EKD keine Vorfeldorganisation der Grünen mehr und muss sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren.

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  5. „Wer ist Jesus Christus für Sie?“ – „Dazu fällt mir gerade nichts ein“ – Als religionspolitischen Sprecherin der Linken!? Erschreckend, dieser religiöse Analphabetismus, der in politischen Kreisen schon sehr verbreitet ist. Noch erschreckender, wenn er die Grundlage des religionsspezifischen Resorts der Linken bildet. Da ist dann auch nicht viel zu erwarten, wenn es um aktuelle Fragen geht. Das bestätigt das Interview. Die Schüler sollen lernen „warum Muslime im Ramadan fasten oder warum Juden Pessach feiern“. Wer Jesus ist oder den christliche Glauben, auf dem unser (abnehmend) christliches Abendland fußt, braucht nicht einmal die religionspolitische Sprecherin der Linken zu kennen.

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    1. „Wer Jesus ist oder den christliche Glauben, auf dem unser (abnehmend) christliches Abendland fußt, braucht nicht einmal die religionspolitische Sprecherin der Linken zu kennen.“ Ich finde das ist unsauber argumentiert: Die Frage „Wer ist Jesus Christus für Sie?” zielt ja auf die persönliche Einstellung, nicht auf die Kenntnisse über das Christentum. Aus der Antwort auf diese Frage auf generelles Unwissen, „religiöse Analphabetismus“ zu schließen, vergleicht Äpfel mit Birnen.

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  6. Jesus Christus hätte den Hartz-Gesetzen nicht zugestimmt.
    Sehe ich genauso.
    Jesus Christus steht Allgemein gesehen immer für Buße und Umkehr zu Gott, sonst hätte das Reich Gottes keinen Sinn.

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  7. „Es müssen Wege gefunden werden, wie die Ukraine an die Waffen kommt, die sie braucht. Aber ich bin gegen direkte Waffenlieferungen aus Deutschland.“

    Das ist doch total inkonsequent. Sie will, dass die Ukraine Waffen bekommt, aber ein anderer soll sie liefern? Wie heuchlerisch!

    Ich bin gegen jede Waffenlieferung. Waffen fördern Krieg und Gewalt – nicht Frieden.
    Verteidigungswaffen – ja! Also bildlich gesprochen: ein Schild Ja, aber ein Schwert Nein.

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