Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegen Mitbegründer von Willow Creek

Der Mitbegründer der amerikanischen Willow Creek Community Church und Mentor des Pastors Bill Hybels, Gilbert Bilezikian, wird beschuldigt, eine langjährige Mitarbeiterin in den Achtzigerjahren sexuell bedrängt zu haben. Die Gemeinde räumte am Dienstag Fehler ein.
Von Jörn Schumacher
Nun wurden auch gegen den Mitbegründer der amerikanischen Willow Creek Community Church und Mentor des Pastors Bill Hybels, Gilbert Bilezikian, Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs laut.

Eine langjährige Mitarbeiterin der Willow Creek Community Church in South Barrington bei Chicago im US-Bundesstaat Illinois hat am Wochenende über Facebook beschrieben, wie sie in den Achtzigerjahren von Gilbert Bilezikian, einem Mitbegründer der Gemeinde, bedrängt wurde, mit ihr sexuelle Handlungen zu vollziehen. Ann Lindberg, die bis 2016 Mitarbeiterin in der Gemeindeleitung war, schrieb, dass sie mehrmals versuchte, sich beim Ältestenrat Gehör zu verschaffen, doch nie ernst genommen wurde. Nun gab die Gemeindeleitung von Willow Creek zu, dass es offenbar ein Problem mit Bilezikian gab.

Im April 2018 war der Gründer und langjährige leitende Pastor von Willow Creek, Bill Hybels, zurückgetreten. Ehemalige Mitglieder der Gemeinde hatten ihm vorgeworfen, weibliche Mitglieder seiner Gemeinde sexuell belästigt zu haben. Bilezikian war bis 1992 Theologieprofessor am Wheaton College bei Chicago und Lehrer von Bill Hybels. Er war maßgeblich am Aufbau von Willow Creek beteiligt. In einem Interview des Magazins Christianity Today hatte Hybels gesagt: „Ohne Gilbert Bilezikian gäbe es kein Willow Creek.“

„Großer Druck“ auf Neubekehrte

Lindberg, die seit 1984 in der Gemeinde mitarbeitete, ging am Wochenende in einem Facebook-Post an die Öffentlichkeit. Sie habe in den vergangenen neun Jahren wegen der sexuellen Übergriffe mehrmals das Gespräch mit Leitern der Gemeinde gesucht, schreibt sie. „Bis heute habe ich damit wenig erreicht“, schreibt Lindberg. Zwischen 1984 und 1988 habe Bilezikian eine „unangemessene Beziehung“ zu ihr gehabt, bei der es erst um einen Flirt ging, dann seien Küsse und Umarmungen dazugekommen. Dann habe Bilezikian sie an ihrem Auto unsittlich angefasst und gegen die Wand gedrückt. „Ich denke, er hätte Sex mit mir gehabt, wenn ich es erlaubt hätte“, so Lindberg. Bilezikian habe ihr gesagt, dass er in seiner Ehe unzufrieden sei, und durch sie fühle er sich besser. Das könne wiederum der Gemeinde helfen. Auf sie als noch frisch bekehrte Christin und Mitarbeiterin der Gemeinde habe das einen „großen Druck“ ausgeübt, schreibt Lindberg, da sie „weder die Gemeinde noch ihn“ habe enttäuschen wollen.

Erst im Jahr 2010 habe sie die nötige innere Stärke gefunden, um sich dem „geistlichen Missbrauch“ zu stellen und sich gemeinsam mit ihrem Mann an die Leitung von Willow Creek zu wenden. „Traurigerweise waren die Ergebnisse dieser drei Treffen enttäuschend“, schreibt Lindberg. Man habe sie nicht ernst genommen. Weil es nicht zu Sex zwischen ihnen gekommen sei, wolle man in dieser Sache nichts weiter unternehmen, habe die Gemeindeleitung ihr mitgeteilt. Auch mit Bilezikian habe sie über die Anschuldigung sprechen wollen, doch er teilte ihr mit, er könne sich an nichts erinnern. Sie habe unter Stress, Depression und Schlaflosigkeit gelitten, schreibt Lindberg. In der Gemeindeleitung habe sie es schwer gehabt, sei häufig kritisiert und zurückgewiesen worden. Schließlich teilte die Leitung der Gemeinde ihr mit, dass sie ihre Arbeit darin abgeben solle. Ihr Mann habe weiter dort arbeiten dürfen, und fortan sollte sie ihrem Mann als gute Ehefrau zur Seite stehen. Das Ehepaar lehnte ab und verließ Willow Creek.

„Das war falsch, und wir entschuldigen uns“

In einem offenen Brief wandte sich der Ältestenrat der Kirche am Dienstag an alle ihre Mitarbeiter. Vor zehn Jahren habe die Gemeindeleitung Lindbergs Behauptung geglaubt, dass sich Bilezikian in den Achtzigerjahren ihr gegenüber „unangemessen“ verhalten habe, heißt es darin. Der Ältestenrat habe dessen Dienst daraufhin auch eingeschränkt. „Aber diese Einschränkung wurde nicht angemessen kommuniziert“, heißt es in dem Text. Daraufhin habe Bilezikian, der allseits unter dem Spitznamen „Dr. B.“ bekannt war, für weitere Jahre gelehrt. „Das war falsch, und wir entschuldigen uns dafür“, schreibt der Ältestenrat.

Weiter heißt es: „In den vergangenen Jahren kam Verhalten ans Licht, das sowohl schädlich als auch inakzeptabel für einen Nachfolger Christi ist. Dieses sündhafte Verhalten, das Dr. Bilezikian and Bill Hybels unserer Auffassung nach an den Tag gelegt haben, war falsch, und jeder, dem wir eine leitende Rolle in der Willow Creek Community Church anvertraut haben, ist an höhere Führungsstandards gebunden.“

Bilezikian wuchs als Kind armenischer Flüchtlinge in Paris auf. Er war bei Willow Creek nicht angestellt, sondern hatte mehrere Dienste ehrenamtlich übernommen. Bilezikian ist verheiratet und hat vier Kinder.

Wie Religion News Service berichtet, hat auch das Wheaton College am Mittwoch mitgeteilt, dass es Untersuchungen wegen Fehlverhaltens von Bilezikian gebe. Bilezikian hatte in einer E-Mail an den Nachrichtendienst Religion News Service am Dienstag die Anschuldigungen von sich gewiesen.

Von: Jörn Schumacher

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