Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt derzeit gegen den evangelischen Pfarrer und früheren SPD-Politiker Steffen Reiche. Verschiedene Medien, darunter die „Bild“-Zeitung und der Berliner „Tagesspiegel“, berichteten über den Fall. Die Staatsanwaltschaft bestätigte PRO, dass sie aufgrund einer Anzeige wegen Untreue ein Ermittlungsverfahren eingeleitet habe.
Wie die Zeitungen berichteten, soll Reiche in den vergangenen Jahren mehrmals Geldgeschenke und Darlehen in Höhe mehrerer Tausend Euro von der verwitweten Geschäftsfrau Waltraud Söhnel-Jaeck erhalten haben. Offenbar änderte sie zudem ihr Testament. Eigentlich sollte die Gerhard-Jaeck-Stiftung Werte aus dem Erbe der Stifterin erhalten, so ist es in der Satzung festgeschrieben; Söhnel-Jaeck hatte diese Stiftung 2009 mit dem Namen ihres verstorbenen Mannes gegründet, um damit bedürftige Kinder und Jugendliche zu unterstützen.
Doch bei der Testamentseröffnung nach dem Tod Soehnel-Jäcks im Oktober 2023 sei der Stiftungsvorstand davon überrascht worden, dass diese Reiche als Alleinerben eingesetzt habe. So schreibt es der „Tagesspiegel“ unter Berufung auf ein Vorstandsmitglied. Deshalb habe die Stiftung das Testament anfechten lassen und Anzeige erstattet. Ob Reiche sich strafrechtlich tatsächlich etwas zuschulde kommen ließ, ist nun Sache der Justiz.
Reiche war SPD-Landesvorsitzender und Minister
Reiche war bis 2023 Pfarrer in Berlin-Nikolassee, danach ging er mit 62 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand und war bis diesen Sommer als Auslandspfarrer auf Teneriffa tätig. Sein früherer Dienstherr, die Evangelische Kirche Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, hat ein Disziplinarverfahren gegen Reiche eingeleitet. Zu weiteren Hintergründen dieses Verfahrens äußerte sich die Kirche auf PRO-Anfrage nicht.
Pfarrer dürfen keine Zuwendungen oder andere Vorteile für sich annehmen. Das betrifft auch erbrechtliche Begünstigungen. So schreibt es das Pfarrdienstgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland vor.
Bereits in der DDR war Reiche als Pfarrer tätig. Der gebürtige Potsdamer engagierte sich in der Bürgerrechtsbewegung, war 1989 an der Gründung der Sozialdemokratischen Partei der DDR beteiligt und stand nach der Vereinigung mit der bundesdeutschen SPD bis zum Jahr 2000 an der Spitze des Landesverbandes Brandenburg. Er gehörte der ersten frei gewählten Volkskammer an und war nach der Wiedervereinigung für mehrere Jahre in der brandenburgischen Landespolitik als Minister und Abgeordneter aktiv, bevor er 2005 für eine Legislaturperiode in den Bundestag gewählt wurde. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik kehrte Reiche in den Pfarrberuf zurück.
Zu den Vorwürfen hat sich Reiche auf Anfrage mehrerer Medien bislang nicht geäußert.