Von fliehenden Fröschen und sprechenden Eseln

Frösche, Bären und Esel kommen in der Bibel vor – neben über hundert anderen Tierarten. Den biblischen Spezies widmet sich eine Ausstellung im Kasseler Naturkundemuseum. pro-Redakteur Jonathan Steinert hat sie sich angeschaut.
Von PRO
Die Geschichte von Bileam und seiner sprechenden Eselin ist die Lieblingsszene von Museumsdirektor Kai Füldner
Der Himmel ist dunkelblau, wie dünne Zweige verästeln sich darauf weiße Blitze. Tiere sind schon auf einer nachgebauten Arche: Oben auf dem Bug steht ein Eisbär, umringt von Pelikanen, Reihern, Kranichen und anderen Vögeln. Die Tür ins rettende Schiff ist noch offen. Wer die Ausstellung „Sintflut und Sündenfall. Die Tierwelt in der Bibel“ besucht, die seit Ende Juni im Naturkundemuseum Kassel zu sehen ist, kommt nicht an der Arche vorbei – er muss zuerst hinein, um auch die anderen Räume sehen zu können. In die Museumsräume wurde für die Ausstellung aufwendig ein hölzerner Schiffsrumpf gebaut. Darin steht der Mensch zwischen zahlreichen präparierten Tieren verschiedenster Arten und Größen. Er bekommt einen Eindruck von der Vielfalt und von dem Gewimmel, das auf Noahs Schiff geherrscht haben mag. Tiere, die sich im wirklichen Leben wohl kaum friedvoll zusammen in einen Raum gesellen würden: Tiger, Bär und Hirsch stehen nebeneinander, gegenüber ein Zebra und ein Kaffernbüffel. Zwischen ihnen kriechen Schlangen am Boden, über ihnen hangeln sich Affen an einem Strick entlang. Ein Hirschkäfer krabbelt die Wand hinauf, hinten im Gebälk haben sich Hornissen ein Nest gebaut, in einer anderen Ecke hängt ein Faultier herum. Überall sitzen Vögel. Am Boden stehen Körbe mit Melonen und Getreide, in der Ecke lehnt ein Strohbesen. Liebevoll und detailreich ist die Arche eingerichtet. Wie Museumsdirektor Kai Füldner erklärt, müssen die Tierpräparate auch von ihrer Mimik her zu diesem Platz passen. Zähnefletschende Raubtiere wären für die Arche nicht geeignet gewesen. Nur der Eisbär sieht grimmig aus. Aber der dürfe das, denn er gucke gegen den Wind, sagt Füldner mit einem Augenzwinkern.

Nicht auf Konflikt angelegt

Die Ausstellung verbindet die biblischen Erzählungen mit aktuellen Themen. So erfährt der Besucher etwas über Zoos als Orte des Artenschutzes und über das Svalbard Global Seed Vault, einem Bunker auf der norwegischen Insel Spitzbergen, in dem Samen von Nutzpflanzen im Permafrostboden eingelagert sind – eine moderne Form, um sich vor Naturkatastrophen zu rüsten und Leben zu erhalten. Pflanzen, bemerkt Füldner, habe Noah offenbar vergessen, zumindest berichte die Bibel nichts davon. Dabei sei die Frage, ob die Tiere bis dahin alle Vegetarier waren, wenn sie sich in der Arche nichts angetan haben. Auch ob ein 600-Jähriger tatsächlich in der Lage gewesen sei, ein 130 Meter langes Schiff zu bauen, sei fraglich. Für Füldner geht es nicht darum, ob sich die biblischen Erzählungen in jedem Fall mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen vertragen. Viele biblische Berichte müssten als Metaphern verstanden werden, mit denen verschiedene Völker der damaligen Zeit ihre Idee der Schöpfung erklärten, sagt er. „Als Museum fühlen wir uns der Evolutionstheorie verpflichtet.“ Diese Spannung thematisiert die Ausstellung aber nicht. Die biblischen Aussagen werden nicht mit widersprechenden naturwissenschaftlichen Erkenntnissen konfrontiert, sondern dürfen für sich stehen. Füldner legt Wert auf die Neutralität der Präsentation: „Wir wollen, dass Gläubige die Ausstellung genauso anschauen können wie Atheisten und dabei erfahren, was die Bibel über Tiere beinhaltet“, sagt Füldner. Weder solle jemand vom Glauben überzeugt noch vor den Kopf gestoßen werden. Das gelingt der Ausstellung, auch indem sie Konflikte umgeht. So werden im Garten Eden keine Menschen gezeigt, um Aussagen darüber zu vermeiden, wie sie aussahen. Stattdessen hängt eine Schlange im Geäst eines nachgebildeten Granatapfelbaumes und ein Pfau sitzt auf einem Brunnen. „Die Menschen sind gerade rausgeworfen worden“, erklärt Füldner. Um nicht ungewollt religiöse Befindlichkeiten zu treffen, habe er sich vom Oberrabbiner Kassels Rat geholt. Darüber hinaus habe das Museum auf theologische Beratung verzichtet.

Bileam und seine schlaue Eselin

Neben den jeweiligen Exponaten und Szenen können die Besucher die entsprechenden biblischen Geschichten nachlesen. Außerdem werden Hintergründe dazu erläutert und die Symbolik einiger Tiere erklärt, wie die des Löwen oder des „Sündenbocks“. Exponiert in der Mitte eines Raumes steht auch ein goldenes Kalb, wie es sich die Israeliten einst in der Wüste gebaut haben könnten. Ebenso hat das Apothekersymbol – die um einen Stab gewundene Schlange – seinen Ursprung in der Wüstenwanderung und ist, wenn auch etwas unscheinbar, in der Ausstellung zu sehen. Sehr aufschlussreich ist die wissenschaftliche Annäherung an die zehn Plagen vor dem Auszug der Israeliten aus Ägypten. Anhand von Zeichnungen werden mögliche natürliche Ursachen dafür aufgezeigt. So könnten rote Algen zu einer Verfärbung des Nils und zum Fischsterben geführt haben. Dies könnte wiederum Frösche ans Land getrieben haben, die sehr sensibel auf Wasserverschmutzung reagieren. Die Stechmücken- und Fliegenplagen hätten in der Folge Krankheiten bei Menschen und Tieren nach sich ziehen können. Der Bezug zu heutigen „Plagen“ wie Ölkatastrophen, Waldsterben oder auch Stress, erscheint zunächst etwas bemüht. Denn diese Parallele ist völlig losgelöst von den geistlichen und historischen Zusammenhängen, in denen die biblischen Plagen ihre Bedeutung hatten. Aber deren theologische Einordnung und Deutung sind auch nicht die Aufgabe eines Naturkundemuseums. So sind die aktuellen Bezüge durchaus bedenkenswert. Die Lieblingsszene Füldners ist die Geschichte von Bileam, dem Propheten, der das Volk Israel verfluchen soll, es aber stattdessen segnet. Seine Eselin läuft nicht weiter, als ihr ein Engel im Weg steht. Bileam kann den Engel nicht sehen und schlägt das Tier. Daraufhin fängt die Eselin an zu sprechen und fragt ihn, warum er sie schlage. In der Ausstellung sieht man eine Wachsfigur auf einem Esel sitzen, im Hintergrund ein großes Wandbild mit einer Wüstenlandschaft jener Region und einen schemenhaften Engel. „Der Esel ist hier der Schlaue, das gefällt mir“, sagt Füldner. „Obwohl er Recht hatte, bekam er Schläge. Diese Ungeduld Bileams passiert mir auch manchmal im Alltag.“

Die Erde untertan machen – aber wie?

Füldner sieht in der Bibel und im jüdischen Tanach einen Wissensschatz, der unsere Kultur geprägt und auch den Umgang mit der Natur beeinflusst hat. Das Verhältnis der Menschen zur Natur sei in der Bibel sehr gut dokumentiert. Wie Menschen nach biblischem Zeugnis und heute mit Tieren umgehen, stellt der letzte Ausstellungsraum sehr plastisch dar. Während im Orient Esel, Rind, Kamel und Ziege als Haus- und Nutztiere waren, dienen heute mitunter kitschig verkleidete Haustiere eher als Menschenersatz. Auch die Problematik der Massentierhaltung wird angesprochen. So entlässt die Ausstellung den Besucher mit der ganz grundsätzlichen Frage: Was bedeutet es für den Menschen, sich die Erde und alle Tiere darauf untertan zu machen? Die Ausstellung ist für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet. Die ausgestellten Tiere und Hintergrundinformationen zu ihrer Bedeutung und der damaligen Lebensweise können zum besseren Verständnis mancher Bibeltexte verhelfen. Außerdem regt die Ausstellung dazu an, über den eigenen Umgang mit der Natur nachzudenken. Kinder können viel entdecken, von den vielen großen und kleinen Tieren in der Arche, über verschiedene Quizspiele bis hin zu lebenden Heuschrecken und Fröschen, die im Raum der zehn Plagen in Aqua- und Terrarien ausgestellt sind. Nur in den Bauch des Fisches, der Jona verschluckte, können sie nicht kriechen. Dieses Tier hätte bei einer Ausstellungsfläche von 400 m² wohl auch kaum in das Museum gepasst. Die Ausstellung läuft noch bis Ende Januar 2015. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/film/detailansicht/aktuell/noah-der-fanatiker-87810/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/weltweit/detailansicht/aktuell/die-arche-ist-kein-maerchen-87709/
https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft/detailansicht/aktuell/nur-10-prozent-der-amerikaner-glauben-die-welt-waere-ganz-ohne-goettliche-hilfe-entstanden/
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