Taylor Swift, geboren in Pennsylvania und aufgewachsen in Tennessee, hat ihre Wurzeln im bibelgläubigen „Bible Belt“ der USA. In einer Region, in der Religion und Werte eng miteinander verwoben sind, hat sie sich immer wieder mit spirituellen Themen auseinandergesetzt. In ihren frühen Songs und auch in späteren Tracks wie „Soon You’ll Get Better“ von 2019 tauchen christliche Bezüge auf – etwa wenn Swift in einem Lied über ihren Glauben an Gott und die heilende Kraft der Medizin singt. Der evangelische Pfarrer Vincenzo Petracca, der Taylor Swift in seiner Heidelberger Kirche thematisiert hat, sieht in ihr eine Künstlerin, die sich öffentlich zum Christentum bekennt.
Obwohl Swift lange Zeit ihre politische Meinung und ihren Glauben nicht öffentlich äußerte, änderte sich dies vor den Senatswahlen 2018 in ihrem Heimatstaat Tennessee. Swift sprach sich gegen die konservative Politikerin Marsha Blackburn wegen ihrer Ansichten zu bestimmten Rechten von Frauen und gleichgeschlechtlichen Paaren aus. Die Republikanerin begründete ihre Positionen mit den „christlichen Tennessee-Werten“. In einer Netflix-Dokumentation sagte Swift in einem Streitgespräch mit ihrem Vater: „Ich ertrage keinen weiteren Werbespot (d. Red.: mit Blackburn), der diese Politik hinter den Worten ‚christliche Tennessee-Werten‘ verbirgt. Ich lebe in Tennessee. Ich bin Christin. Das ist nicht, wofür wir stehen.“
Auch ihre Unterstützung für Kamala Harris bei der Präsidentschaftswahl 2024, die sie auf der sozialen Plattform Instagram verkündete, sorgte für viel Aufmerksamkeit. Ihre politische Stimme hat Gewicht – nicht nur in den USA, sondern weltweit, wo Millionen von Fans ihren Entscheidungen folgen.
Taylor Swift: Eine Erlöserfigur für ihre Fans?
Für viele „Swifties“ ist Taylor Swift mehr als nur ein Popstar – sie gilt als Wegweiserin und Orientierung im Leben. Der Religionsphilosoph Jay McDaniel sieht in Swift eine „Pastoraltheologin“ der Popkultur. Ihre Songs wirken wie emotionale Impulse, die ihren Fans helfen, schwierige Lebensphasen zu meistern. McDaniel interpretiert sie als eine Art „Erlöserfigur“, die ihren Anhängern durch ihre Songs und ihre öffentliche Persona Trost spendet und sie zu einem konstruktiven Umgang mit den eigenen Erfahrungen anregt.
Aber nicht alle teilen diese Sicht. Pfarrer Petracca erklärt, dass McDaniel Swifts Rolle als Erlösergestalt aus einer prozesstheologischen Perspektive betrachtet. Er sehe ihre Texte eher als große Literatur, die es jedem Leser ermögliche, eine persönliche Bedeutung zu finden – ohne dass dies zu einer religiösen Verehrung führen müsse.
Dennoch: „In einer Erlösergestalt schwingt etwas Religiöses mit. Als Pfarrer höre ich dann ‚messianische Gestalt‘. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Fans sie als Messias verstehen. Ich sehe in Swift keine messianische Gestalt“. Swift bleibe für viele eine Art „Freundin“, die durch ihre Offenheit und ihre persönlichen Erfahrungen eine enge Verbindung zu ihren Fans pflege, erklärt Pater Petracca.
Rituelle Aspekte der Swift-Konzerte
Die Konzerte von Taylor Swift sind längst zu einem Ereignis von fast religiöser Dimension geworden. Fans campieren vor den Hallen, tauschen Freundschaftsbändchen und erleben die Musik als gemeinschaftliches Ritual. Die Psychologin Sophia Wiegand beschreibt die Konzerte als „Pilgerfahrt“, bei der sich die Fans gegenseitig unterstützen und eine besondere Verbundenheit spüren. Auch Pater Petracca erkennt in der kollektiven Begeisterung der Fans einen rituellen Charakter – einen Moment, in dem emotionale Ausbrüche öffentlich ausgelebt werden können.
Allerdings werden nicht alle Aspekte von Swifts Musik und Image von ihren Fans und Kritikern unkritisch aufgenommen. Insbesondere ihr Musikvideo zu „Willow“ wurde von einigen als Anspielung auf okkulte Praktiken verstanden. Swift selbst ist dafür bekannt, ihre Fans durch symbolische Anspielungen und versteckte Botschaften in ihren Songs und Videos zu inspirieren. Für einige ihrer Anhänger, wie die Christin und Psychologin Wiegand, überschreiten solche Themen jedoch eine Grenze, die mit ihrem persönlichen Glauben nicht vereinbar ist.
Besonders das aktuelle Album von Taylor Swift, „The Tortured Poets Department“, sorgt für Aufregung in christlichen Kreisen der USA. Einige Pastoren werfen der Künstlerin vor, in ihren Texten Gott zu verhöhnen und christliche Werte zu missachten. Lieder wie „Fortnight“ und „I Can Fix Him“ enthalten explizite Themen, die in der christlichen Lehre problematisch sind. Swift wird vorgeworfen, mit ihren Texten die christliche Sexualethik zu untergraben und sich über religiöse Werte lustig zu machen.
Taylor Swift bleibt ein faszinierendes Phänomen, das tief in der Popkultur verwurzelt ist, aber immer wieder religiöse und moralische Fragen aufwirft. Ob sie für ihre Fans tatsächlich eine Erlöserfigur ist, bleibt umstritten. Eines ist jedoch sicher: Ihre Musik und ihr öffentliches Auftreten haben eine emotionale Kraft, die viele Menschen dazu anregt, über ihr eigenes Leben und ihre eigenen Werte nachzudenken. Ob sie als Popgöttin oder als Künstlerin mit einem komplexen spirituellen Hintergrund wahrgenommen wird, hängt letztlich von der Perspektive ihres Publikums ab.
Von: Martina Blatt und Petra Kakyire
Der Text erschien zuerst in der Ausgabe 5/2024 des Christlichen Medinemagazins PRO. Hier können Sie das Heft kostenlos bestellen oder digital lesen.