Markus Schanz studiert am pfingstkirchlichen Theologischen Seminar Beröa bei Darmstadt und besucht in seiner Freizeit Jugendliche in Gefängnissen im süd- und mittelhessischen Raum. „Das Wichtigste ist, die Jungs erzählen zu lassen und ein ehrliches Interesse an ihnen zu haben“, sagt er. „Ich will denen nichts aufdrängen oder verkaufen, sondern einfach Wertschätzung entgegenbringen.“ Bei seinen Gesprächen im Gefängnis habe er mit jungen Leuten zu tun, die in ihrem Leben noch nie ein ermutigendes oder bestätigendes Wort erhalten hätten. „Wenn ich von Gnade und Hoffnung spreche, dann trifft sie das im Herzen, weil sie so etwas bisher gar nicht kannten“, berichtet Schanz. Er baut ein langfristiges Vertrauensverhältnis zu den Straftätern auf und weiß: „Wenn du denen gleich mit dem Glauben kommst, machen die Meisten alle Schotten dicht. Immer wollte jemand ihnen was von oben aufdrängen, darum mache ich es andersherum. Ich wecke ihre Neugier.“
„Allein die Tatsache, dass ich freiwillig Menschen im Gefängnis besuche, lässt die Insassen dort aufhorchen“, sagt Schanz. „Die schauen mich an und sagen: ‚Hey, es ist Samstagabend, es ist schönes Wetter, warum kommst du hier rein?‘ Und ich sage dann: ‚Ihr habt recht, ich könnte jetzt auch was anderes machen. Aber weil ich etwas mit Gott erlebt habe, das mein Leben komplett verändert hat, will ich es euch weitersagen und dadurch Hoffnung geben.‘ So merken die, dass da was dran ist. Denn sonst wäre mein Verhalten völlig unsinnig.“
Als Teenager auf die schiefe Bahn
Schanz hat den idealen Anknüpfungspunkt, um das Interesse seiner Gesprächspartner zu wecken: Er saß selbst einmal im Gefängnis. Aufgewachsen in einem christlichen Elternhaus, geriet er als Teenager auf die schiefe Bahn, experimentierte mit Drogen, besorgte sich schließlich Geld durch Diebstähle und Überfälle. Auch ein „Warnschussarrest“ half nicht, machte ihn im kriminellen Freundeskreis nur cooler. Mit 18 Jahren wurde Schanz wegen verschiedener Raubüberfälle und schwerer Körperverletzung zu knapp drei Jahren Haft verurteilt. „Das war für mich der totale Filmriss“, erinnert er sich. „Manche kommen damit besser klar, aber für mich war es sehr schwer. Die ersten Wochen waren besonders zermürbend, ich konnte nichts essen, hatte Stress mit anderen Gefangenen.“ Er habe Jesus schon hundertmal in brenzligen Situationen um Hilfe gebeten, ohne es wirklich ernst zu meinen. „In der Haft habe ich dann endlich kapiert, dass ich verloren bin und es ohne Jesus keinen Ausweg für mich gibt.“ Also habe er sich hingekniet und ein Übergabegebet gesprochen. Schon hinter Gittern hätten sich daraufhin einige Umstände zum Besseren verändert, beispielsweise wurde er in einen anderen Zellenblock verlegt.
Nach zweieinhalb Jahren wurde Schanz vorzeitig entlassen. Juristisch blieb er sauber, fiel aber bald in alte Verhaltensmuster zurück. „Ich habe dann relativ schnell gemerkt: Drogenkonsum und regelmäßige Discobesuche, was mir früher Spaß gemacht hatte – das bringt nichts, ich fühle mich dabei irgendwie leer.“ Also machte er erneut einen Schnitt, änderte seinen Lebensstil. Er trennte sich von kriminellen Freunden, gab alle illegal erworbenen Gegenstände weg. „Die Typen aus meinem damaligen Umfeld dachten, ich wäre total durchgeknallt“, sagt er und lacht.
Trotzdem blieb Schanz konsequent: Er machte eine Ausbildung, danach sein Fachabitur, bekam ein Stipendium der IHK zum Handelsfachwirt, jobbte parallel bei einem Autohändler und lernte die Bibel in einem Hauskreis besser kennen. Heute arbeitet er neben dem Theologiestudium bei einer Eventagentur. In seiner Biografie sieht er das Wirken Gottes: „Er gebraucht oft die Schwachen, die am wenigsten von sich halten, um sich in ihrem Leben zu verherrlichen.“
Ein Muslim findet Jesus
Ein Erlebnis, das Schanz besonders beeindruckt hat, liegt noch gar nicht lange zurück: „Ein Junge aus einer streng muslimischen, saudischen Familie hat mich im Gefängnis angesprochen. Er hat mir heftige Sachen erzählt – zum Beispiel, dass er im Gefängnis vergewaltigt wurde. Es hat mich überrascht, dass er mir gleich so viel Vertrauen entgegengebracht hat – ich glaube, Gott hat hier ein Fenster aufgemacht.“ Ein knappes Jahr besuchte Schanz den Jungen, berichtete aus seinem Leben, schenkte ihm eine Bibel. „Er hat darin gelesen und Fragen gestellt, die zeigten, dass er sich mit dem Inhalt wirklich auseinandergesetzt hat. Eines Tages habe ich ihn dann gefragt, ob er sein Leben Jesus geben möchte, und das hat er getan.“ Die beiden haben noch Kontakt, der ehemalige Muslim lebt seinen Glauben heute in Freiheit – innerlich wie äußerlich. Die Geschichte des Jungen ist kein Einzelfall. Anfang Juni wurde ein junger Mann im Gefängnis getauft. Ein Jahr zuvor hatte Markus Schanz ihn das erste Mal besucht.
Die Arbeit von hauptamtlichen Gefängnisseelsorgen, meist aus den Landeskirchen, sieht Schanz ambivalent. „Es ist super, wie sie die Häftlinge betreuen“, sagt er, „sie haben aber insgesamt einen anderen Schwerpunkt als ich. Die meisten, die ich kenne, haben eher eine soziale Ambition als eine evangelistische.“ Schanz ist der Meinung, dass vielen Seelsorgern die konkrete Botschaft der Bibel nicht über die Lippen käme: „Ein Satz wie ‚Jesus kann dein Leben verändern‘, das ist denen zu krass. Ein offensives Glaubensbekenntnis macht sie skeptisch.“
Markus Schanz bemüht sich jeden Tag aufs Neue, zwischen dem Täter als Mensch und seiner Straftat zu differenzieren: „Es steckt immer ein Mensch dahinter, und wer sich aufmacht, ihn kennenzulernen, der merkt, dass verschiedene Umstände dazu geführt haben, die Person an einen Punkt zu bringen, an dem sie kriminell wurde. Wer in seiner Kindheit Gewalt erlebt hat, gibt fast immer als Erwachsener Gewalt weiter.“ Natürlich sei dies keine Entschuldigung, und ein Täter müsse zu seiner Verantwortung stehen. Aber: „Jesus hatte keine Berührungsängste mit Gefangenen, er hat sie nicht verurteilt oder bloßgestellt. Jeder sollte sich bewusst machen, wie viel auch ihm selbst vergeben wurde, bevor er auf andere herabblickt.“ (pro)
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