Versöhnung zwischen Schöpfung und Evolution?

Auch im 21. Jahrhundert ist die Diskussion über die Auslegung und die Konsequenz der Schöpfungsberichte nicht abgeschlossen. Pastor Siegfried Großmann versucht in seinem neuen Buch „Und es war sehr gut“, einen Mittelweg zwischen einem wörtlichen Verständnis und historisch-kritischer Auslegung zu finden. Eine Rezension von Tobias Becker
Von PRO
Siegfried Großmann will Christen zu einem „schöpfungsgemäßen Lebensstil” herausfordern
Die Schöpfungsgeschichte polarisiert. In regelmäßigen Abständen löst die Auslegung der ersten Worte der Bibel eine hitzige Debatte über fundamentale Fragen des Glaubens aus. Kreationistische Ansätze, also ein wörtliches Schriftverständnis, umgehen Großmann zufolge seriöse wissenschaftliche Erkenntnisse, vor allem im Bereich der Evolution. Die Ausweichlösung, dass Menschen schon „mit einem Alter geschaffen“ seien und folglich keine Evolution notwendig sei, ist für Großmann nicht überzeugend. Die historisch-kritische Auslegung hingegen kranke an dem modernen Bezugsrahmen, der wenig Spielraum für einen Gott lasse, der als reale Person agiere. Die Schöpfung sei folglich nur eine „Gottesvorstellung“ der damaligen Menschen, weniger eine Reaktion auf wirkliche Begegnungen und Erfahrungen mit Gott.

Der Schöpfungsbericht und die Naturwissenschaft können sich gegenseitig ergänzen

Der Bildungsreferent Großmann plädiert für eine Deutung, die den Schöpfungsbericht inhaltlich als inspiriertes Wort Gottes sehe. Der Wortlaut der Texte sei aber zeitlich gebunden. Malerische Beschreibungen beispielsweise über Sonne, Mond und Sterne, die am Himmelsgewölbe befestigt wurden, entsprächen dem damaligen Wissenstand über den Kosmos, seien aber nicht mit dem heutigen Verständnis zu vereinen. Das bedeute nicht, dass die Texte keine wichtige Aussage hätten. Ein wirklicher Mehrwert des Schöpfungsberichtes liege beispielsweise in der Weite, die der Text vermittle. Sie gäben die Möglichkeit an einen Schöpfer zu glauben, der außerhalb von Raum und Zeit stehe und vor dem Urknall existiert habe. Dieses Denkmodell wäre eine Ergänzung und nicht ein Gegenmodell zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Schöpfung und Naturwissenschaft seien folglich nur zwei Betrachtungsweisen von dem selben Sachverhalt.

Die Bewahrung der Schöpfung hat auch eine Beziehungsdimension

Neben Auslegungsfragen betont Großmann in seinem Buch auch die Verantwortung, die aus der Schöpfungsbotschaft hervorgehe. So würde der Schöpfungsglaube helfen, die „Würde der Schöpfung“ intellektuell und emotional zu erkennen. Die Wissenschaft könne helfen, die „Gefährdung der Schöpfung“ besser zu beschreiben. Die sachlich-nüchterne Betrachtung von globalen Problemen würde folglich um die Beziehungsdimension erweitert. Umweltschäden und schlechte Sozialstrukturen seien dementsprechend nicht nur eine Bedrohung der Lebensgrundlage, sondern auch eine Missachtung der „Würde der Schöpfung“ und der Person Gottes. Christen hätten diesen Zusammenhang oft in „beschämender Weise“ missachtet und sich mit „Selbstgenügsamkeit“ zufrieden gegeben. Seiner Meinung nach müssten sich Christen dieser Verantwortung neu bewusst werden und, falls notwendig, eine globale „Bewegung für die Schöpfung“ gründen.

Kritik an Gender und Kita

Großmanns Buch ist klar und verständlich geschrieben. Aktuelle Themen, die die Schöpfungsbotschaft betreffen, wie zum Beispiel Gendertheorie und Krippenerziehung, werden angeschnitten, aber nicht umfassend behandelt. So kritisiert Großmann an der Gendertheorie, dass die Gottesebenbildlichkeit grundsätzlich in der Komplementarität der Geschlechter liege und nicht in der kulturellen Konstruktion eines Geschlechtes. Seiner Meinung nach diktiere eine Minderheitsmeinung den gesamtgesellschaftlichen Diskurs. Christen sollten vermehrt für die schöpfungsgemäße Grundorientierung eintreten, ohne Andersdenkende auszugrenzen. Dadurch könnten sie der nachkommenden Generation eine Leitlinie bieten. Weiter hinterfragt Großmann auch den Diskurs über die Krippenerziehung. So sei jeder Versuch, die Erziehung der Kinder hauptsächlich in die Hand der öffentlichen Einrichtungen zu geben, in der Vergangeheit gescheitert. Dem biblischen Schöpfungsauftrag gemäß seien Kinder „als ein Fleisch“ an die Familie gebunden. Die frühkindliche öffentliche Bildung, so hilfeich und notwendig sie oftmals auch sei, könne diese Bindung nicht genügend ausgleichen und sei sehr technokratisiert. Die „Herzensbildung“ in der Familie käme zu kurz. Alles in allem enthält Großmanns „Rundumschlag“ nur vereinzelt wirklich neue Thesen. Die Zusammenstellung ist aber gelungen, bemerkenswert kompakt und unpolemisch. Für einen kurzen und fundierten Überblick zum aktuellen Stand der Diskussion ist das Buch lesenswert. (pro)

Siegfried Großmann: „Und es war sehr gut“, Brunnen-Verlag, 160 Seiten, 14,99 Euro, ISBN: 9783765520358

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