Verrohung der Sexualmoral in Holland – TV-Serie gestartet

A m s t e r d a m (PRO) - Über verrohende Sitten und eine schwindende Sexualmoral in den Niederlanden hat der Deutschlandfunk am heutigen Mittwoch berichtet. Immer mehr Niederländer fordern in der Öffentlichkeit Maßnahmen gegen die "Schattenseiten" der sexuellen Befreiung der 60er Jahre. Auch der Evangelische Rundfunk in den Niederlanden hat nun eine Fernsehserie zu diesem Thema gestartet.
Von PRO

Am Dienstag strahlte der „Evangelische Omroep“ (Evangelische Rundfunk) mit Sitz in Hilversum die erste Folge der Sendung „40 Dagen Zonder Seks“ („40 Tage ohne Sex“) aus. Es geht um sieben junge Niederländer im Alter zwischen 15 und 20 Jahren, vier Mädchen und drei Jungs. Sie sollten 40 Tage lang ohne Sex leben und wurden in dieser Zeit von der Kamera begleitet.

Ziel der Sendung ist es vor allem, die jüngeren Menschen im Land wieder zum Nachdenken über Sex und Moral anzuregen, so die Verantwortlichen. „Gott und Sexualität – das scheint zunächst nicht zusammenzupassen“, heißt es auf der Webseite zur Sendung. „Doch Gott ist schließlich der Erfinder der Sexualität“, fügen sie hinzu und verweisen auf die evangelistische Webseite www.waaromjezus.nl. „Sex ist sehr kostbar, und deswegen ist es am besten, man wartet damit, bis man einen Partner hat, der für einen etwas Besonderes ist.“

In der heutigen Kultur habe Sex mit Liebe, Treue und Intimität nichts mehr zu tun, sagt Moderator Arie Boomsma. Stattdessen sei Sex zu einem billigen Konsumartikel geworden, zu einem Snack zwischendurch. Die Produktion greift eine Diskussion auf, die in der niederländischen Gesellschaft schon seit längerem schwele, berichtet der „Deutschlandfunk“. Als die 19-jährige Teilnehmerin Saskia ihrem Freund mitteilte, dass sie ab sofort 40 Tage lang keinen Sex mit ihm haben würde, legte er den Hörer auf mit den Worten: „Dann ruf‘ ich eben Diana an.“ Die Reaktionen auf die Sendung sind ansonsten insgesamt sehr positiv. Die Macher von „40 Tage ohne Sex“ erhalten bereits seit Wochen Anfragen von Jugendorganisationen und Schulen, die Unterrichtsmaterial für Diskussionen bestellen wollen.

Philosophin kritisiert „Pornofizierung der Gesellschaft“

„Höchste Zeit“, kommentiert die Philosophin Stine Jensen, die an der Universität Amsterdam Kulturwissenschaften und Ästhetik lehrt. Das Problem in der niederländischen Gesellschaft betreffe schon längst nicht mehr bloß eine Sexualisierung: „Unsere Gesellschaft ist pornofiziert“, sagt sie. „Früher musste man sich anstrengen, um einen Porno zu finden. Heute ist es umgekehrt: Man kann ihm kaum noch entgehen, die Pornographie breitet sich überall aus.“ Sie ist überzeugt: „Wir sind an die Grenzen unserer sexuellen Freiheit gestoßen. Ich brauche mir doch nur meine Studentinnen anzusehen. Das sind alles kleine Pamela Andersens… Neulich erschien eine Studentin bauchfrei zum mündlichen Examen. Auf ihrem Mini-T-Shirt stand: Am I hot enough for you – bin ich heiß genug für dich?“

In der Deutschlandfunk-Sendung „Sex und Moral“, die am Dienstag in der Reihe „Europa heute“ ausgestrahlt wurde, berichtet Reporterin Kerstin Schweighöfer von heutzutage üblichen Moralvorstellungen unter jungen Niederländern. In Amsterdam etwa sei der Sex für junge Mädchen ein ganz gewöhnliches Tausch-, Macht- und Zahlungsmittel geworden. „Manche tun es für ein Handy, andere schon für einen Drink. Und in Discos und Clubs wird nicht mehr bloß getanzt: Da kommt es auch schon mal zu Live-Sex auf der Bühne“, berichtet Schweighöfer.

In Rotterdam sei es für manche Jungen ganz normal, die Freundin an Freunde oder Bekannte auszuleihen. Das habe die Untersuchung einer Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit dem städtischen Jugendamt ergeben. Eine Folge: Es kam zu mehreren Gruppenvergewaltigungen.

Tausende fordern neue Medienerziehung

Zusammen mit vier anderen hat die Wissenschaftlerin ein Manifest verfasst, das inzwischen mehr als 10.000 Mitbürger unterschrieben haben – Politiker, Schriftsteller, Eltern und Lehrer. Die Initiatoren fordern darin eine andere sexuelle Moral und eine bessere Medienerziehung. „Videoclips mit halbnackten Frauen in unterwürfigen Positionen – immer willig, immer zum Sex bereit“, protestiert Jensen. „Reklameplakate für Unterwäsche, auf denen überdimensionale Hinterteile zur Schau gestellt werden oder pralle Dekolletés: Die Frau wird einseitig als Lustobjekt präsentiert. Jugendliche müssen vor den Manipulationen der Medien gewarnt werden. Deshalb fordern wir die Einführung des Unterrichtsfaches Medienerziehung.“

Unterstützung findet die Gruppe beim sozialdemokratischen Minister für Bildung, Kultur und Wissenschaft, Ronald Plasterk. Auch er spricht von einer „Verrohung der Sitten“ und plädiert für einen Verhaltenskodex für die Medien. Auch die sexuelle Freiheit habe ihre Grenzen, so Plasterk. Die linken Oppositionsparteien beschimpfen ihn indes als Moralapostel, der den Mief der prüden 50er Jahre verbreite.

„Vielen Wählern allerdings spricht Plasterk aus dem Herzen“, so Deutschlandfunk-Autorin Schweighöfer. „Die sexuelle Befreiung der 60er Jahre habe Schattenseiten mit sich gebracht, die nicht länger übersehen werden dürften.“

Die Sendung „Sex und Moral“ des Deutschlandfunks kann online angehört werden.

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