Constantin Schreiber ist vieles: Jurist, Journalist, Tagesschausprecher, Buchautor. Aber eines ist er sicher nicht: Ein Islamhasser.
Kritik und Willkommenskultur
2019 erschien sein Buch „Kinder des Koran“. Es beleuchtet, wie in Schulbüchern islamischer Länder systematisch antisemitische und sexistische Klischees präsentiert werden. Bereits 2017 kam Schreibers Report „Inside Islam“ heraus, der Moscheegemeinden in Deutschland Integrationsfeindlichkeit attestierte. Vor zwei Jahren veröffentlichte er den dystopischen Roman „Die Kandidatin“, der sich um eine muslimische Kanzleranwärterin dreht.
Schreiber gilt vielen seit diesen Veröffentlichungen als Islamkritiker, ein Label, das er stets von sich wies. Gegenüber PRO sagte er vor einigen Jahren: „Übrigens sehe ich den Islam und auch Religiosität als solche nicht als etwas Schlechtes. Ganz im Gegenteil.“ Das erscheint glaubhaft, immerhin war er über viele Jahre Korrespondent in arabischen Ländern, erhielt einst sogar den Grimme-Preis für seine Sendung „Marhaba – Ankommen in Deutschland“, in der er auf Arabisch die deutsche Kultur erklärt.
Beides passt nicht zu einem, der Muslime verunglimpfen und bestenfalls nicht in Deutschland haben möchte. Es passt eher zu einem, der konstruktive Kritik üben will, weil ihm Teile der arabischen und muslimischen Kultur am Herzen liegen.
Das alles war der selbsternannten „Undogmatische Radikale Linke“ egal. Einer aus deren Reihen warf Schreiber vor zwei Wochen an der Uni Jena eine Torte ins Gesicht. Die Gruppe wirft Schreiber vor, den Islam zu verunglimpfen.
Es war jenen Studenten egal, die im Vorfeld jener Lesung vor der Tür Flugblätter verteilten, in denen sie Schreiber mit dem nationalsozialistischen Filmemacher Veit Harlan verglichen.
Es war auch dem Taxifahrer egal, der Schreiber einst nach Hause fuhr, die ganze Fahrt lang schwieg und dann vor dessen Haus angekommen nur einen Satz sagte: „Jetzt weiß ich, wo du wohnst.“
Es war auch jenen egal, die Schreiber nach Erscheinen der „Kandidatin“ mit einem Shitstorm straften oder ihm, wie ein Autor der Süddeutschen Zeitung, „Rechtspopulismus“ oder „reaktionäre“ Ideen unterstellten.
Nun haben sie Schreiber mit gemeinsamen Kräften zum Schweigen gebracht. Er werde nichts mehr sagen über das Thema Islam. Nie wieder. Weil er diese „Negativität“ in seinem Leben nicht haben wolle, sagte er der Zeit.
Befindlichkeiten verdrängen die Debatte
Der Fall Schreiber macht eines deutlich: Unsere Gesellschaft erträgt die Debatte nicht mehr. Selbst gemäßigte und differenzierte Stimmen wie Schreiber werden lieber verdrängt, als sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Das ist auch deshalb geradezu zynisch, weil Schreiber selbst vor zwei Jahren eine Toleranz-Stiftung gründete, sie sich um ein konstruktives Miteinander in der Gesellschaft bemüht.
Die Kritiker der Kritiker, seien sie Tortenwerfer oder einfache Leserbriefschreiber, berufen sich oft auf Befindlichkeiten. Nach dem Motto: Schreiber verletzt Muslime. Wer ein konservatives Buch über die Haltung der Bibel zu Homosexualität herausbringt, verletzt Schwule und Lesben. Wer gewisse Formen des Genderns als grammatikalisch inkorrekt kritisiert, traumatisiert Transpersonen (ein ebensolcher Leserbrief ging bei uns bereits ein). Wer fordert, Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf müsse weiterhin gelesen werden, verletzt Schwarze, denn Pippis Vater bedient in der Geschichte rassistische Motive.
Es ist wichtig, dass jeder, besonders jene, die in der Öffentlichkeit stehen, sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Journalisten, Autoren, Schauspieler, Moderatoren, Politiker, Künstler, sie alle müssen sensibel sein und verantwortlich mit ihrer Macht, die Meinung zu beeinflussen, umgehen. Aber wir müssen auch weiterhin diskutieren dürfen.
Befindlichkeiten dienen derweil dazu, die Debatte zum Verstummen zu bringen. Doch wenn die Gemäßigten als Rassisten, Homo-Feinde oder Islamhasser verunglimpft werden, dann sehen manche von ihnen sich gezwungen, anderen das Feld zu überlassen. Den Extremen nämlich. Den Linken und Rechten mit Sendungsbewusstsein etwa.
Der Rückzug Schreibers beim Thema Islam zeigt eines überdeutlich: Wir müssen wieder lernen, zu streiten. Auch wenn es manchmal weh tut.