Seine bewusste Entscheidung für ein Leben als Christ fällt Holmer früh. Die Schulkameraden gehen zur Partei, er in die Kirche. Als Theologiestudent bekommt er 1953 die Chance, in den Westen zu gehen. Aber Holmer bleibt, weil im Osten Pastoren gebraucht werden. Bei seiner ersten Pfarrstelle in Mecklenburg spürt er bereits den Druck des SED-Regimes. Er stemmt sich mit allen Kräften gegen die Zwangskollektivierung der Bauern und gewinnt ihr Vertrauen: „Das wünschte ich mir heute auch wieder, ein wirklich echtes Zusammenstehen von Pastoren und Gemeinde“, meint Holmer.
1983 kommt er mit seiner Familie nach Lobetal bei Bernau in der Nähe von Berlin. Er wird Direktor der Hoffnungstaler Anstalten, die sich um Suchtkranke, um Menschen mit Behinderung und um alte Menschen kümmern. Auch hier polarisiert Holmer. Als Anstaltsleiter muss der „Feind des Sozialismus“ häufig mit den Behörden verhandeln: „Ich hab mich gehütet ihnen zu schmeicheln, aber habe mich auch gehütet sie zu beschimpfen. Ich musste den Weg dazwischen nehmen“.
„Handele nach deinem Gewissen, und du bist ein freier Mensch“
Als er zum 40. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus eine Rede hält, spricht er auch ganz offen kritische Punkte des DDR-Systems an. Die Teilung des Landes könne ihm nicht gefallen, aber dies sei nur die vorletzte Frage: „Die letzten Fragen sind die, wie ein Mensch selig wird und wie wir leben vor Gott“, stellt er im Interview heraus. Positiv hebt er hervor, dass der DDR-Staat Menschen mit Behinderung ein Zuhause gebe, und der Staat weiter die diakonische Einrichtung unterstütze: „Ich wollte meine innere Freiheit haben, nach dem Motto, das ich schon in der Nazizeit gewählt hatte: Handele nach deinem Gewissen, und du bist ein freier Mensch.“
Nach dem Fall der Mauer passiert das, wofür Holmer lange Zeit in aller Munde ist. Weil die Hoffnungstaler Anstalten keinen Platz für das Ehepaar Honecker haben und sich die Genossen von Honecker abwandten, springt der Pastor in die Bresche. Mehrere Wochen ist er Gastgeber der Honeckers: vor dem Essen beten sie, tagsüber geht er mit dem Ex-Staatsratsvorsitzenden spazieren.
Die Frage nach dem Warum?
Immer wieder fragen Menschen, warum er Honecker in sein Haus aufgenommen habe: „Das Zentrum unseres christlichen Glaubens ist Vergebung und Versöhnung. Und wir sind nicht gerufen, dass wir Honecker unschuldig erklären. Wir sind nicht gerufen, dass wir Gericht über ihn halten. Wir sind nur gebeten worden, dass wir ihm Asyl geben, und wir hoffen, dass ein ordentliches Gericht seine Schuld klärt“, erklärt er im Interview. Er habe ein Zeichen setzen wollen, für den Weg der Besinnung und der Bereitschaft zur Versöhnung und nicht des Hasses und der Revanche, obwohl er und seine Familie behindert worden sein, wo es nur ging.
Nach der Pensionierung kehrt Holmer wieder zu seinem Wurzeln zurück. In Mecklenburg-Vorpommern baut er eine Klinik für Suchtkranke auf. Nach wie vor ist es die Botschaft des Evangeliums, die sein Leben prägt. „Es ist für mich eine echte Erfahrung, dass ich Wut und Ärger und Bitterkeit aus dem Herzen abgeben und dem anderen vergeben kann. Dann bin ich es los und macht Gott damit, was er will. Das ist die Hilfe, die uns gegeben wird in unserem Glauben.“ (pro)
Eine Antwort
Nur mit dieser klaren Botschaft von der Vergebung und Versöhnung,wie sie Pastor Uwe Hollmer, durch sein Handeln und durch seine klare Verkündigung, können unsere Kirchen eine geistliche Erneuerung erfahren.
Die oft verzankten, verbitterten menschlichen Verhältnisse können so frei und versöhnt werden.
Wir haben in unserer Gesellschaft einen tiefen Schaden von Unversöhnlichkeit und Hass.