Antisemitismus wird durch die neuen Medien befeuert und gefährdet so unsere Demokratie. Das sagte der Autor und Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Michael Blume, am Donnerstag in einem Vortrag in der Berliner Stadtbibliothek.
Antisemitismus richte sich immer, aber nicht nur gegen Juden. Judenhass als Verschwörungsmythos bedrohe auch andere, wie Sinti und Roma, Homosexuelle oder Ärzte. In der aktuellen Corona-Krise seien beispielsweise Juden und Ärzte das Ziel von Verschwörungstheoretikern, erklärte Blume. Davor habe er bereits im Januar gewarnt. Zwar würden die Auswirkungen für Juden nicht so schlimm wie die der Pestpogrome, dennoch müsse die gesamte Bevölkerung wachsam sein und dem Einhalt gebieten, forderte Blume. Es sei an der Zeit, dass die Religionen zusammenhalten und jeder „sein Hirn einschaltet“. In so einer Krise entscheide sich, was ein jeder im Herzen trage.
Eine große Gefahr für jüdisches Leben gehe von Rechtsextremismus aus, der aber regional unterschiedlich stark auftrete, sagte Blume. Ebenso seien auch linker, christlicher, osteuropäischer oder islamischer Antisemitismus weit verbreitet. Mit Hilfe des Internets breite sich Antisemitismus noch schneller aus und sei so ein globales Problem geworden, das weltweit Demokratien bedrohe. Welche Auswirkungen die digitale Radikalisierung mit sich brächten, zeigten die Attentate in Halle und Hanau.
„Uns stehen heftige Jahre bevor“
Neue Medien spielten in der Geschichte immer eine große Rolle für Verschwörungstheoretiker, so Blume. So habe der Buchdruck Hexenverfolgung befördert oder das Radio und Fernsehen die Propaganda der Nationalsozialisten verbreitet. Das Internet reihe sich in diese Aufzählung ein. Trotz der großen Möglichkeiten, die der Fortschritt der Kommunikationsmittel mit sich bringe, bliebe ein Risiko. Blume zeigte sich aber optimistisch, dass die heutige Gesellschaft besser mit diesen Herausforderungen umgehen könne. Der Lernprozess im Umgang mit Medien sei heute viel schneller. Dennoch sehe er dahingehend „heftige Jahre“ auf die Gesellschaft zukommen.
Um dem entgegenzuwirken, müssten die Menschen wieder mehr miteinander reden und das Lesen neu lernen. Das bedeute, die klassischen Medien neu zu schätzen und zu nutzen. Diese seien im Vergleich zu digitalen Formaten weniger „überemotionalisiert“, erklärte Blume. Weiterhin bedürfe es, neben einer kognitiven Bildung, auch einer „Herzensbildung“. Ein Doktortitel allein schütze nicht vor antisemitischen Ansichten. Dialog als „eine Reise ins Herz seines eigenen Glaubens“ sei der Schlüssel, um Hass zu bekämpfen.
Von: Martin Schlorke