Thomas Gottschalk befindet sich „im letzten Drittel“ seiner Lebensreise. Diese Worte wählt er in seinem neuen Buch „Herbstbunt“. Der Fernsehmoderator geht darin ehrlich mit den Höhen und Tiefen seines Lebens um, berichtet über gesellschaftliche Entwicklungen, die ihn sorgen, und über den katholischen Glauben, der nicht nur seine Kindheit, sondern auch die Zeit danach geprägt hat.
„Meine Generation pubertierte in einer Zeit, als die Röcke der Mädchen so kurz waren wie nie zuvor.“ Gottschalk nimmt den Leser mit in die Zeit „der Pille, von wenigen berufstätigen Frauen und intakten Familien als Norm“. Für Gottschalk ist es aber auch eine Kindheit und Jugendzeit im bayerischen Kulmbach, in dem er katholisch sozialisiert wird.
Mit meinen Möglichkeiten das Optimum erreicht
Das Leben seines Sohnes sei heute so von Algorithmen beeinflusst, wie Gottschalks früheres Leben vom Katholizismus. Dadurch bekam der Showmaster in siner Kindheit ein konservatives Weltbild vermittelt. „Ich bin einen langen Weg gegangen, bis es mir gelang, schwules Verhalten als normal zu betrachten“, nennt der Oberfranke als Beispiel. Noch immer habe er „spießige Reflexe“, wenn sich Männer küssten.
In seinem Heranwachsen hat ihn auch sein Onkel Hans geprägt. Der katholische Pfarrer habe ihn immer wieder mit dem Satz erinnert und ermahnt: „Und vergiss mir den Hergott nicht.“ Selbst einmal im kirchlichen Bereich zu arbeiten, sei für ihn nicht wirklich infrage gekommen: „Ich wollte ins Radio und schaffte es ins Fernsehen. Mit meinen Möglichkeit habe ich erreicht, was es zu erreichen gab.“ Gefehlt habe ihm der Mut zum Widerspruch. Ein wirklicher Rebell sei er nicht gewesen. Sein Vater habe ihm die Wahrheit als das wichtigste aller Güter gepredigt.
Gottschalk beschäftigt sich auch mit der Zukunft der Medienwelt. Das Fernsehsofa seiner Zeit sei mittlerweile in der Asservaten-Kammer der Unterhaltungsgeschichte gelandet. Die großen Fernsehsender seien am Ende, die mächtigen Streaming-Anbieter dagegen erst am Anfang ihrer Kunst. Auf dem Marktplatz der Sozialen Medien bauten immer mehr Anbieter ihre Stände auf. Der Nutzer wisse gar nicht, ob er Meldungen erst im Originalton oder schon als Echo höre, formuliert der Mann der Medien seinen Blick auf deren Entwicklung. Die bildhafte Sprache zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch des viele Themen reflektierenden Gottschalks.
Früher habe er solche Kanäle exklusiv bespielt, heute würden sie von allen bespielt. Der TV-Star schreibt auch darüber, dass er Zeit seines Lebens als Promi Angst davor hatte, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.
Älter und klüger werden
Gottschalk schreibt nach über 50 gemeinsamen Jahren auch über die Trennung von seiner Frau Thea, die im Frühjahr 2019 offiziell wurde. Er sei aus der Kurve geflogen, habe sich aber lange gewunden, das offen und ehrlich zu kommunizieren. Gottschalk fragt und hat für sich noch nicht geklärt, ob er als Ehemann versagt hat: „Mir hat nichts gefehlt, was mir bewusst gewesen wäre.“ Trotzdem habe er sich neu in Karina verliebt.
Gottschalk hat auch für sich erkannt, sorgsam mit seinem Körper umzugehen. Die Anfälligkeit seines Körpers wurde ihm bei einem Sturz in Jerusalem bewusst. „Man muss den Herbst erreicht haben, um zu erkennen, wie wunderbar der Frühling ist. Wer nur älter wird, aber nicht klüger, der ist schön blöd“, wählt Gottschalk auch hier wieder ein philosophisch anmutendes Beispiel.
„Herbstbunt“ ist schon die zweite Autobiografie des früheren „Wetten, dass ..?“-Moderators. 2015 kam sein Buch „Herbstblond“ auf den Markt. Auch dieses Mal ist Gottschalk ehrlich, offen und selbstkritisch. Mit dem Buch will er nicht nur unterhalten, sondern auch wichtige Lebensfragen stellen.
Ihn beschäftigen sein eigenes Altern und wie die Entwicklungen in der Medienwelt die Gesellschaft verändern. Die Lektüre des Buches ist kurzweilig. Der Glaube spielt vor allem in seiner Kulmbacher Kindheit und Jugend eine wichtige Rolle. Auch später hat der Leser den Eindruck, dass die in der Kindheit gelegte Basis Gottschalks Leben zumindest am Rande beeinflusst und er den Herrgott tatsächlich nicht vergessen hat.
Thomas Gottschalk: „Herbstbunt. Wer nur alt wird, aber nicht klüger, ist schön blöd“, Heyne, 272 Seiten, 15,99 Euro, ISBN 978-3-453-20706-6