Allein an den Weihnachtstagen seien im Iran 70 evangelische Christen verschleppt und misshandelt, zum Teil auch angeklagt worden. "Menschenrechtsorganisationen wie Open Doors oder Human Rights Watch sprechen von der größten Verfolgungswelle seit langem", berichtet die Tageszeitung "Die Welt" in ihrer Samstagsausgabe.
Demnach schätzt das amerikanische "Center for Religious Freedom" die Zahl der im Iran Verhafteten sogar auf bis zu 600. Sie würden ohne juristischen Beistand festgehalten und dürften keinen Kontakt zu ihren Angehörigen aufnehmen. Der Generalgouverneur der Provinz Teheran, Morteza Tamdan, kündigte weitere Verhaftungen an und begründete diese mit dem "verderblichen Einfluss" der Christen. Damit ist laut "Welt" die Missionierung gemeint, die im Iran vor allem durch evangelikale Christen, die sich in Hauskirchen organisierten, stattfände.
Morddrohungen, Verhaftungen, Folter
Heiner Bielefeldt hält das Verständnis von Mission der iranischen Behörden für "irreführend". Bereits die Ankündigung von Gottesdiensten oder geöffnete Kirchentüren gälten als ein Akt der Mission, ebenso wie der Vertrieb von Bibeln. Diese Handlungen seien jedoch von Artikel 18 der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen gedeckt, zu deren Unterzeichnern auch der Iran gehört. Religionsfreiheit sei aber nicht als Menschenrecht in der iranischen Verfassung verankert, sagte Bielefeldt in der "Welt".
In dem Artikel wird das Vorgehen der iranischen Behörden gegen Christen so beschrieben: "Es beginnt mit anonymen telefonischen Morddrohungen, dann folgen Überwachungsaktionen und schließlich Razzien bei Treffen von evangelikalen Hausgemeinschaften. Bei den Verhören wird geschlagen und gefoltert. Auf die ‚Geständnisse‘ folgen neue Verhaftungen." Die Zeitung zitiert den Iran-Experten und und Mitarbeiter der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Max Klingberg. Er sieht in diesem Vorgehen ein Zeichen für Nervosität, da die Untergrundkirchen im Iran seit Jahren wüchsen: "Es gibt mehrere Tausend Konvertiten im Iran. Immer mehr Iraner entdecken das Christentum als Alternative zum ultraorthodoxen Islam iranischer Prägung."
Thomas Schirrmacher: Iraner schauen christliches Fernsehen
Einen "nicht unerheblichen Einfluss" hätten auch christliche Fernsehsendungen im Iran, zitiert "Die Welt" den Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz, Thomas Schirrmacher. Seit 1995 sendet beispielsweise der Sender "Sat-7" von Zypern aus christliche Sendungen in arabischer Sprache. "Sat-7 wendet sich nur an Christen, wird aber auch von immer mehr Muslimen eingeschaltet", sagt Schirrmacher in dem Artikel. "Das ist umso erstaunlicher, weil es sich meist um rein seelsorgerliche Beiträge handelt."
Im Sommer sollen Sonderberichterstatter des Hochkommissariats für UN-Menschenrechte nach Teheran reisen, um die Menschenrechtslage zu sondieren. "Da dürften dann auch die Probleme der christlichen Minderheiten zur Sprache kommen", hofft Bielefeldt in der "Welt". (pro)