Um jeden weiteren Lebenstag kämpfen

In der Schweiz gibt es die Möglichkeit eines begleiteten Suizids. In einer 30-minütigen Dokumentation begleitet der Fernsehsender arte einen 52-jährigen Patienten mit Lungenkrebs, der dieses Lebensende erwägt. Auch zwei Medizinerinnen kommen zu Wort, die gänzlich unterschiedliche Positionen dazu haben.
Von PRO
Diesen Cocktail nehmen Patienten in der Schweiz ein, um ihrem Leben ein Ende zu setzen

Elmar May ist 52 Jahre alt. Er leidet sowohl an Lungen- als auch an Knochenkrebs. Die Ärzte geben dem Vater einer wenige Monate alten Tochter nicht mehr viel Zeit zum Leben. May muss entscheiden, ob er auf einer Palliativstation sterben will, oder ob er zur Selbsttötung in die Schweiz fährt. Rund um seine Lebensgeschichte und die Entscheidung über sein Lebensende dreht sich die arte-Dokumentation „Tod auf Rezept: Wie wollen wir sterben?“. Darin kommen zwei Ärztinnen zu Wort: eine Schweizerin, die begleiteten Suizid anbietet, und eine deutsche Palliativmedizinerin, die dies ablehnt. Mit ihr tauscht sich May über seine Erfahrungen aus, nachdem er sich dagegen entschieden hat, sich in der Schweiz selbst zu töten.

Ärztlich begleiteter Suizid ist in Deutschland nur in extremen Ausnahmesituationen möglich. Die Schweiz gilt dagegen als „Eldorado für Sterbehilfe“, wie der arte-Beitrag betont.

„Der letzte Schritt liegt beim Sterbenden“

„Wir werden geboren, ohne dass wir gefragt sind, aber die Menschen erlauben uns zu sagen, du darfst nicht sterben“, kritisiert May. Er verspürt innere Unruhe und hat Angst vor dem weiteren Fortschreiten der Krankheit. Seine neugeborene Tochter hat ihn dazu bewogen, nicht den Schritt zu gehen, seinem Leben mit ärztlicher Hilfe in der Schweiz ein Ende zu setzen. Mit der jungen Familie möchte er noch jeden Tag genießen, der ihm bleibt.

Die Schweizer Ärztin Erika Preisig bietet assistierten Suizid an. Sie möchte damit auch den Sterbetourismus beenden. Menschen sollen irgendwann „selbstbestimmt“ in ihrem eigenen Land sterben dürfen, sagt sie in der Doku. Die Filmemacher begleiten sie dabei, wie sie eine tödliche Infusion vorbereitet, die alle Muskeln lähmt und zur totalen Erschlaffung führt. Weil dies ein unnatürlicher Todesfall ist und Mord ausgeschlossen werden muss, müssen auch Polizei, Staatsanwalt und Gerichtsmedizin vor Ort erscheinen. Die Sterbenden müssen selbst die Bewegung ausführen, damit das Medikament über eine Kanüle in den Körper fließt, betont Preisig den Unterschied zur „aktiven Euthanasie“ in den Niederlanden: „Der letzte Schritt liegt beim Sterbenden.“

„Dann gehen, wenn es genug ist“

Die Ärztin selbst hatte die Freitod-Begleitung aus religiösen und ethischen Gründen zunächst abgelehnt. Durch die Geschichte des eigenen Vaters und seinen Selbstmordwünschen habe sich ihre Haltung geändert. Sie verweist darauf, dass die Palliativ-Medizin auch Grenzen habe und nicht alle Schmerzen lindern könne. Die Medizin ermögliche eine sanfte Geburt. Dann müsse es auch möglich sein, „Menschen, die viel gelitten haben, im letzten Moment Leid zu ersparen“. Für sich selbst wolle sie sich diesen „Notausgang“ auch offenhalten, „dann zu gehen, wenn es genug ist“.

Anders sieht es Silke Pietsch ist Leiterin der Palliativstation in Hof. Sie ist strikt gegen jede Form von Sterbehilfe. Der Wunsch nach Sterbehilfe sei bisher noch nicht oft an sie herangetragen worden. Aus ihrer Sicht sind gute Behandlungen möglich, um mit abschirmenden Medikamenten das Leiden der Patienten zu lindern. Wichtig sei es, beim Patienten zu bleiben und mit ihm zu kommunizieren. Der Mensch wolle am Lebensende gerne autonom handeln. Sie möchte das Lebensende erleichtern, so gut sie es kann.

Am Ende der Dokumentation lässt May mit seiner Tochter und seiner Partnerin einen grünen Ballon zum Himmel steigen. Untertitelt ist dies mit dem Satz: In memoriam Elmar May.

Von: Johannes Blöcher-Weil

„Tod auf Rezept: Wie wollen wir sterben?“, arte, Dienstag, 12. Februar, 19.40 Uhr

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