Christliche Gemeinden spielen eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung von Kriegsfolgen in der Ukraine. Das erklärte der Ukrainer und Promotionsstudent des Zivilrechts, Vladyslav Zaiets, am Dienstag bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Er lebt in der Nähe von Kiew. Christen bezeichnete er wegen ihres Engagements als „seelische, kulturelle und moralische Basis der Gesellschaft“.
So hätten Organisationen wie die katholische „Caritas“ seit Beginn des Krieges mehr als 20 Tonnen Hilfsgüter verteilt, Programme für Kriegsveteranen und Familien initiiert und psychologische Unterstützung geleistet. Evangelische, auch baptistische Gemeinden hätten dabei geholfen, mehr als 120.000 Menschen aus Angriffsgebieten zu evakuieren und mit Kleidung zu versorgen. Sie arbeiteten an der Reintegration von Veteranen oder Kriegsopfern mit und brächten so „Hoffnung für die Zukunft“ in die Ukraine.
Russland verfolgt Christen
Im Gegensatz dazu warf Zaiets Russland vor, Christen zu verfolgen. Mehr als 600 kirchliche Gebäude seien im Krieg bereits zerstört oder beschädigt worden. Geistliche, die nicht mit russischen Angreifern zusammenarbeiten wollten, würden gefangen genommen und gefoltert.
Regina Elsner, Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik an der Universität Münster, betonte die feste Verankerung von Religionsfreiheit in der Ukraine. Es gebe rund einhundert unterschiedliche Religionsgemeinschaften und eine rechtlich garantierte Militärseelsorge nach den religiösen Mehrheitsverhältnissen des Landes. 350 Seelsorger seien innerhalb der Streitkräfte aktiv.
„Fragen, inwiefern russische Geistliche an Kriegsverbrechen beteiligt sind“
Anders sehe es in Russland aus: Zwar seien auch in der russischen Armee Geistliche eingebunden – 100 an der Zahl. Jedoch entstammten sie flächendeckend der Russisch-Orthodoxen Kirche und seien teilweise in die Kampfhandlungen verwickelt. „Es wird zu fragen sein, inwiefern Geistliche der russischen Orthodoxie an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sind“, sagte Elsner. Es sei nicht erkennbar, dass russische orthodoxe Priester bei Kriegsverbrechen intervenierten, stattdessen erlaube das Kirchenrecht ausdrücklich deren Dienst an der Waffe.
Kritisch sahen einige Experten am Dienstag allerdings das Fehlen eines institutionalisierten Kriegsdienstverweigerungsrechts aus religiösen Gründen – abgesehen von einigen bestimmten Religionsgemeinschaften (welche das sind, lesen Sie hier). Auch Vladyslav Zaiets stellte fest, dass es das in Kriegszeiten nicht gebe, wohl aber die Möglichkeit für Pazifisten, sich Streitkräften anzuschließen, die nicht direkt an Kampfhandlungen beteiligt seien.
Pinchas Goldschmidt, Oberrabbiner Moskaus im Exil und Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz, berichtete von dem Exodus vieler Juden aus Russland aufgrund wachsenden Antisemitismus. Putin und seine Regierung schürten judenfeindliche Klischees, etwa, dass der ukrainische Präsident Selenskyj – selbst jüdisch – ein Faschist sei. Derweil sei ein Drittel der jüdischen Bevölkerung Russlands geflohen, viele nach Israel. Eines ist für ihn klar: „Der Antisemitismus in Russland kommt nicht von der Kirche.“ Er komme vom Staat selbst.