„Das ist Wahnsinn. Mit so viel hatte ich nicht gerechnet“, sagt Manuela Bühner-Lankhorst. Die Sozialarbeiterin bei der Caritas Kleve hatte im Dezember dazu aufgerufen, Winterjacken, Handschuhe, Schals, Mützen, warme Schuhe, Iso-Matten und Schlafsäcke für Obdachlose zu spenden. „Drei Tage später hatte ich drei Garagen voll und ein Unternehmer spendete 70 Schlafsäcke.“ Die 38-Jährige packte die Textilien in ihr Auto und verteilte sie gezielt an Menschen in Not.
Denn zur Zeit können sich Bedürftige nicht wie üblich in Kleiderkammern versorgen. Nicht nur Obdachlosen fehlen die Anlaufstellen, an denen sie sich mit dem Nötigsten eindecken können. „Wir haben auch besonders die Familien im Blick“, sagt Michael Schroeder-Busch, der bei der Diakonie Hannover die Bekleidungsausgabe koordiniert. Eltern mit niedrigem Einkommen könnten es sich zum Beispiel oft nicht leisten, neue Wintersachen zu kaufen, wenn ein Kind plötzlich einen Wachstumsschub habe.
Kleiderkammern melden Annahme-Stopp
Kleiderspenden gibt es mehr als genug. Rund eine Million Tonnen Altkleider werden nach Angaben des Dachverbandes FairWertung in Deutschland jährlich an Sammelstellen abgegeben. Seit Beginn der Corona-Krise ist die Menge vermutlich noch gestiegen. Viele Menschen haben die Lockdowns dazu genutzt, ihre Kleiderschränke aufzuräumen. Vielerorts quellen die Kleiderkammern nun über. So meldet etwa die Caritas im Bistum Münster einen Annahme-Stopp in den meisten ihrer Kleiderkammern und Sozialkaufhäusern – die Lagerkapazitäten seien erschöpft.
Doch von der riesigen Auswahl können Bedürftige derzeit kaum profitieren. Zwar dürfen die Kleiderstuben im begrenzten Umfang Ware ausgeben, weil sie Notleidende versorgen. Aber durch die beschränkten Öffnungsmöglichkeiten könnten viele Menschen nicht erreicht werden, beobachtet Schroeder-Busch. Im Haus der Diakonie in Hannover können Kunden telefonisch Einzeltermine für die Bekleidungsausgabe vereinbaren. Gerade für Menschen mit schlechten Deutsch-Kenntnissen sei diese Hürde oft schon zu hoch, sagt der Sozialarbeiter.
Auch die beiden Kleiderkammern der Diakonia in München sind nur für Notfälle geöffnet. Schon beim ersten Lockdown im Frühjahr 2020 habe man überlegt, wie Bedürftige besser erreicht werden könnten, sagt die Leiterin der Kleiderkammern, Gaby Beurer. „Wir haben dann Kleidung an Obdachlose am Hauptbahnhof ausgegeben.“ Allerdings habe sich das als wenig sinnvoll erwiesen. Weil die Menschen sich die Sachen nicht wie in der Kleiderkammer selbst aussuchen konnten, habe die verteilte Kleidung oft nicht zum Bedarf gepasst.
Qualität der gespendeten Textilien nimmt ab
Nun habe die Diakonia ein erfolgreicheres Konzept mit einer mobilen Kleiderkammer im Freien erprobt. Zusammen mit der Münchner Tafel gaben die Mitarbeiterinnen Mitte Februar auf dem Großmarktgelände Kleidung aus. „Innerhalb von drei Stunden haben wir rund 300 Menschen versorgt“, sagt Beurer. Allerdings waren die nicht alle vor Ort, sondern oft hätten Eltern Kleidung für ihre Kinder oder weitere Familienmitglieder mitgenommen.
Viele gemeinnützige Organisationen trifft der Lockdown auch wirtschaftlich. So finanziert sich etwa die Diakonia zum Großteil durch den Verkauf gebrauchter Kleidung. Die fehlenden Einnahmen aus den sieben Second-Hand-Läden und dem Sozialkaufhaus rissen ein Loch von 750.000 Euro in die Kasse, sagt Geschäftsführer Thomas Rosenberger. „Aus eigener Kraft kämen wir da nicht raus.“ Die GmbH hat zum Glück ihre Gründer, die Diakonie München und Oberbayern und das Evangelisch-Lutherische Dekanat München im Rücken. Durch den Lockdown seien nun 90 Prozent der Belegschaft in Kurzarbeit.
Ein Bereich, in dem es mehr Arbeit gibt, sei aber die Sortierung von Altkleidern, weiß Beurer. Denn die 160 Container der Diakonia seien oft überfüllt. Die Kleiderkammern bekommen in der Corona-Krise zusätzlich einen Trend zu spüren, der laut FairWertung schon seit einigen Jahren zu beobachten ist: „Die Qualität der abgegebenen Textilien nimmt immer weiter ab“, sagt Thomas Ahlmann, Geschäftsführer des Netzwerkes gemeinnütziger Altkleidersammler. Nur noch 55 bis 60 Prozent der abgegebenen Kleidung tauge als Second-Hand-Ware. Vor drei bis vier Jahren seien es noch zehn Prozent mehr gewesen. Er appelliert an die Verbraucher, keine kaputte Kleidung abzugeben.
Von: epd