„Toxic Church“: Gab Hillsong Germany Spendengelder für Luxus aus?

Im Podcast „Toxic Church“ werden schwerwiegende Vorwürfe gegen den deutschen Zweig der Freikirche Hillsong erhoben. Gegenüber PRO dementiert der Hauptpastor: Es gebe keinen Luxus oder teure Geschenke, mit Finanzen werde sorgsam umgegangen.
Von Jörn Schumacher

Unter der Überschrift „Das Geschäft mit dem Glauben“ berichtet das Online-Magazin „Correctiv“ von seinen Recherchen zum Umgang mit Spendengeldern in der Kirche Hillsong Germany, dem deutschen Zweig der australischen Megachurch. In einem achtteiligen Podcast mit dem Titel „Toxic Church – Die Hillsong-Story“ beleuchten die Journalisten die Vorwürfe genauer. Die Reihe ist einer der erfolgreichsten Podcasts im Bereich Religion bei den gängigen Podcast-Anbietern. In einem Online-Artikel fassen die Journalisten die wichtigsten Punkte der Kritik an Hillsong zusammen.

Correctiv liegen interne Unterlagen vor, die zeigen, dass die Kirche ihrem deutschen Vorstand und weiteren Führungskräften luxuriöse Reisen, eine teure Wohnung in bester Lage in Düsseldorf, Dienstwagen, eine Lebensversicherung, Besuche im Fitnessstudio und teure Geschenke bezahlte. In den Abbuchungen tauchten „hunderte Unterkünfte“ auf, darunter in Luxushotels, dazu gehöre ein Aufenthalt im „Four Seasons Hotel“ in London im Jahr 2013, der rund 2.000 Euro kostete.

Im Sommer 2011 wurden gut 800 Euro für das Fünf-Sterne-Hotel „Royal Garden“ in London abgebucht. Regelmäßig brachte Hillsong Germany demzufolge internationale Gäste im 5-Sterne-Superior-Hotel RIVA in Konstanz mit Blick auf den Bodensee unter. Dort koste ein Hotelzimmer hunderte Euro pro Nacht.

Die Vorwürfe seien falsch, sagt Freimut Haverkamp im Interview mit PRO. Viele Dinge seien aus dem Kontext gerissen. Auch seien die Antworten, die Hillsong Germany auf die Anfragen von Correctiv gegeben hätten, kaum erwähnt worden.

Manche Flüge seien ungewöhnlich teuer gewesen, lautet ein Vorwurf von Correctiv. Das Recherche-Netzwerk machte einen Flug nach Kapstadt vom 12. Januar 2015 für den leitenden Pastor von Hillsong Germany, Freimut Haverkamp, aus, der knapp 4.100 Euro kostete. Mehrere Quellen berichteten, dass die Familie Haverkamp 2015 einen privaten Urlaub in Südafrika verbracht haben soll. Das Online-Magazin fragt: „Wurden die Flugtickets der fünfköpfigen Pastoren-Familie von Spendengeldern bezahlt?“

Haverkamp antwortet auf die Vorwürfe, dass sich die Gemeindeleitung sehr bewusst darüber sei, dass sie verantwortungsvoll mit den Spendengeldern umgehen müsse. „Wir haben eine Verantwortung, diese Finanzen gemäß der Satzung, die wir als gemeinnütziger Verein haben, und gemäß unserer Berufung als Gemeinde einzusetzen. Wir haben nie Geld für irgendeinen Luxus ausgegeben, wie es im Artikel suggeriert wird“, sagte der Pastor gegenüber PRO. Es seien keine teuren Geschenke gekauft worden, so Haverkamp, und die Wohnung in Düsseldorf sei sogar eher günstig gewesen und habe der Gemeinde viel Geld gespart, das sonst für Hotels ausgegeben werden hätte müssen.

Toxic-Church-Vorwürfe: Teure Wohnung und Geschenke

Den Abbuchungen zufolge gönnte sich die Hillsong Church Germany über Jahre eine kostspielige Wohnung in bester Lage in Düsseldorf, mitten in der Altstadt: zwischen 1.420 Euro und 2.740 Euro kostetet die Miete pro Monat. Zusätzlich entstanden Kosten von fast 20.000 Euro für eine Maklercourtage, eine weitere Provision mit nicht benanntem Adressat, einen Kücheneinbau und weitere Einrichtungsgegenstände.

Haverkamp betont, dass bei Hillsong Germany das „Vier-Augen-Prinzip“ gelte, jede Ausgabe müsse also von einer höheren Instanz bestätigt werden – „Also: Welche Autos, Flüge oder Hotels dürfen gebucht werden, welche Geschenke dürfen gekauft werden und so weiter. Diese Vorgaben gelten für alle Angestellten und ehrenamtliche Mitarbeiter – auch für mich.“

Dass es 2013 eine Buchung für ein Four Seasons Hotel in London gegeben hat, räumt Haverkamp ein. Doch hier habe es sich um eine Massen-Buchung für mehrere Teilnehmer eines globalen Kirchen-Events gehandelt. „Wir haben dann die anteiligen Kosten für Teilnehmer von Hillsong Germany übernommen“, so Haverkamp. „Allerdings für mehrere Personen und mehrere Nächte. Da erscheinen dann 2000 Euro für ein Hotel in London gleich in einem komplett anderen Licht.“ Außerdem habe es sich mitnichten um einen „Luxus-Urlaub“ gehandelt, sondern um mehrere Arbeitstreffen.

Nach eigenen Angaben erhielt Hillsong Germany allein 2021 mehr als 4,1 Millionen Euro Spenden.

Die Mutterkirche in Australien habe im Jahr 2021 fast 77 Millionen Australische Dollar an Einnahmen gehabt, einen Großteil über Spenden, so Correctiv. Die 1983 in Australien gegründete Hillsong-Kirche gehört zu den größten Freikirchen der Welt. In 30 Ländern gibt es mittlerweile Ableger, rund 150.000 Menschen besuchen weltweit die Gottesdienste. Auch Prominente gehören dazu, etwa Hailey und Justin Bieber, Bono, Selena Gomez und Hugh Jackman. Die in der christlichen Szene sehr bekannten Hillsong-Lieder verzeichneten allein auf YouTube bis zu 490 Millionen Aufrufe.

Hillsong Germany habe allein im Jahr 2019 umgerechnet rund 130.000 Euro an die Mutterkirche in Australien überwiesen. „Im Gegenzug zeigte sich der globale Vorstand mit Geschenken an die regionalen Führungskräfte großzügig“, heißt es bei Correctiv. Der deutsche Hauptpastor Haverkamp habe zu seinem 40. Geburtstag 2019 ein Geschenk im Wert von gut 6.800 Euro erhalten. Auch die Familienmitglieder hätten „kostspielige Geschenke“ bekommen.

Hillsong Germany bestreitet die Vorwürfe

Haverkamp bestätigt gegenüber PRO, dass Hillsong Germany fünf Prozent der Jahreseinnahmen an die Mutterkirche in Australien überweist. „Wir bekommen von dort auch Rat, etwa in Sachen IT oder bei der Technik, auch pastorale Hilfen“, so der Pastor. „Wir sind ja auch Teil des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP), auch dort geben wir etwas ab.“

Correctiv merkt an: „Was die Anhängerinnen und Anhänger der Pfingstgemeinde womöglich nicht wissen: Was das Reich Gottes ist, das mit Spenden gepflegt werden soll, interpretiert Pastor Haverkamp offenbar sehr frei.“ In Deutschland hat Hillsong Germany in Konstanz eine Zentrale, weitere Standorte gibt es in Düsseldorf, München, Wien und Zürich. Die Konstanzer Hillsong Germany ist als gemeinnütziger Verein eingetragen. „Damit ist sie steuerbegünstigt. Der Verein profitiert zum Teil von ermäßigten Steuersätzen“, so Correctiv. „Die Unterstützerinnen können ihre Spenden von der Steuer absetzen.“

Darauf angesprochen, erklärt Haverkamp: „Wir sind eine Freikirche, und wir finanzieren uns nicht durch Kirchensteuern, sondern wie jede Freikirche durch Spenden. Wenn wir Spenden einsammeln, wollen wir auch genau klarmachen, wofür diese gedacht sind.“ Hillsong betreibe einen „sorgsamen und transparenten Umgang“ mit den Spenden.

Die Journalisten konnten nach eigener Aussage interne Finanzdokumente einsehen, die für die Jahre 2010 bis 2015 die Einnahmen und Ausgaben der Konstanzer Zentrale auflisten. Außerdem werteten sie Finanzunterlagen für das Jahr 2019 aus, die ein Whistleblower in Australien an die Öffentlichkeit brachte, und sie sprachen mit Insidern aus der Gemeinde.

Haverkamp berichtet, dass sich 2021 eine anonyme Person bei der Gemeinde gemeldet habe, die behauptet, interne Finanzdokumente bekommen zu haben. Sie habe der Gemeinde aber nicht schaden wollen und sie eigentlich nicht veröffentlichen wollen.

Hillsong: Kein Wohlstandsevangelium

Auf Nachfrage von Correctiv teilte ein Pressesprecher von Hillsong mit: „Vorwürfe der Veruntreuung von Spendengeldern bei Hillsong Church Germany weisen wir auf das Entschiedenste zurück.“ Die satzungsmäßige Verwendung der Spendengelder sei durch eine jährliche Prüfung durch einen Steuerberater festgestellt. Außerdem teilte die Kirche mit: „Von Hillsong Church Germany verauslagte Kosten für mitreisende Familienangehörige sind von den Mitarbeitern zu erstatten.“ Die hohen Hotelpreise in London seien nicht repräsentativ für die sonstigen Reisekosten.

Im Interview mit PRO distanzierte sich Hillsong-Pastor Haverkamp deutlich von einem „Wohlstandsevangelium“, wie es in manchen Kirchen Amerika propagiert wird. „Bei uns führt niemand ein Luxusleben oder strebt dieses an“, so der Pastor. Ein Pastor sollte „ein dienendes Herz“ haben, zudem lehne er die Ansicht ab, der Pastor einer Gemeinde müsse überdurchschnittlich gesegnet und als eine Art VIP auftreten. „Das wird bei uns auch nicht gepredigt.“

Die australische Megakirche werbe „besonders offensiv um finanzielle Unterstützung“, heißt es weiter. „Minutenlang“ würden die Gottesdienstbesucher um Spenden gebeten, „meist untermauert mit emotionaler Musik und Bibelzitaten“. Auf seiner Internetseite zitiert Hillsong Germany den Bibelvers: „Der Gottesfürchtige aber ist großzügig und gibt gerne.“ Wer sogar noch mehr als ein Zehntel seines Brutto-Lohnes der Kirche spende, erfahre einen größeren Segen, laute die Botschaft.

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