Goldene Locken, bunte Bärchen und zahlreiche Wetten: Thomas Gottschalk gibt in seiner Autobiografie nicht nur Einblick in seine Fernsehkarriere, sondern auch in sein Glaubensleben – und erzählt, wie es ihm mit dem Unfall von Samuel Koch ergangen ist. Eine Rezension von Anne Klotz
Von PRO
Foto: HEYNE
Religion spielte immer eine Rolle in seinem Leben, schreibt Gottschalk in seiner Autobiografie
Gottschalk ist ein „Vorzeigemensch“. Das weiß er ganz genau, das gibt er auch zu. Er zeigt sich deshalb gerne vor Menschen, weil er vor ihnen das ausleben kann, was eine seiner größten Stärke ist: unterhalten. Als „zoon politikon“, also als Gemeinschaftsmensch, bezeichnet er sich in seiner Autobiografie, die den verschmitzten Titel „Herbstblond“ trägt. Er sei eine Person, die erst in der Gesellschaft anderer ihre Bestimmung findet. „An diesem Syndrom leide ich in der Tat“, schreibt er. „Obwohl ich gut alleine sein kann, brauche ich ein Gegenüber, um zu funktionieren.“ Das gehe im kleinen Kreis wie im großen, im Hinterzimmer wie vor der Fernsehkamera.
Nicht nur auf seine blonden Locken anspielend, verweist Gottschalk in dem Titel der Autobiografie auch auf den Herbst des Lebens. „Gegen das Altwerden meiner Idole habe ich mich lange gestemmt, vermutlich, um das eigene nicht wahrnehmen zu müssen“, bekennt der ehemalige „Wetten, dass..?“-Moderator. Sinkende Einschaltquoten der Samstagabendshow, Konkurrenz auf den privaten Sendern und wenige außergewöhnliche Wetten verursachten schon im Sommer 2010 Torschlusspanik bei Gottschalk. „Das würde alles nicht mehr lange gut gehen, und ich wollte mir langsam eine Ausstiegsstrategie einfallen lassen, bevor mir das Gesetz des Handelns entglitt und ich nicht mehr Täter, sondern nur noch Opfer wäre.“
Unfall von Samuel Koch: „Ich fühlte mich verantwortlich“
Dass der Tag dann schneller kam, als er dachte, zeigte sich schließlich ein gutes halbes Jahr später. Stars wie Oscar-Preisträger Christoph Waltz, Teenie-Schwarm Justin Bieber und Schauspielerin Cameron Diaz sollten in der Dezember-Sendung auftreten, saßen schon in der Garderobe. Jäh beendet wurde die Show kurz nach Beginn von dem tragischen Unfall Samuel Kochs, der sich bei seiner Wette schwer verletzte und seitdem querschnittsgelähmt ist. „Ich wusste sofort, dass das keine Bagatelle war, hoffte aber inständig, mich zu irren, weil eben in meiner Welt nicht sein kann, was nicht sein darf“, schreibt Gottschalk. „Das sind die Gesetze des Showgeschäfts, und daran hatte ich auch deswegen geglaubt, weil sie sich für mich immer bestätigt hatten.“
Der Ernst, der ihm sonst so fremd sei, hatte sich in der Dramatik des Erlebten von selbst eingestellt. „Ich war am Ende meiner Kunst angekommen und sagte das den Zuschauern auch“, erzählt Gottschalk. Zum ersten Mal in seiner Showkarriere habe er nach Worten ringen müssen. „Ich fühlte mich in einer Weise verantwortlich, die ich kaum beschreiben kann.“
Als der Fernsehmoderator Samuel und seine Familie am Folgetag im Krankenhaus besucht, schlug er ein gemeinsames Gebet vor. Gottschalk wusste, dass die Familie gläubig ist. „Das Vaterunser gehört eigentlich nicht in den Werkzeugkoffer des Entertainers“, sei aber von Kindheit an ein wichtiger Teil seines Lebens. „In diesem Moment wollte ich dem frommen Wunsch ‚Dein Wille geschehe‘ allerdings nicht folgen. Es konnte nicht der Wille eines gütigen Gottes sein, dass dieser junge Kerl nie mehr auf seinen eigenen Beinen würde stehen können.“ Gottschalk beschreibt eindringlich, wie er haderte – mit sich, seinem Glauben, seinem Können. Die Tür zum Ausstieg aus „Wetten, dass..?“ hatte sich tragisch geöffnet, Gottschalk entschied, sie zu durchschreiten.
Ehrlich, offen und selbstkritisch
Der Glaube an Gott spielt schon seit der Geburt eine Rolle in Gottschalks Leben. Er ist christlich aufgewachsen und führt vieles in seinem Leben auf Gott zurück. „In Ermangelung anderer Sponsoren glaube ich daran, dass Gott mir eine Gabe mit auf den Weg gegeben hat, die er insgesamt sehr zögerlich verteilt hat.“ Im Dunstkreis der Kirche aufgewachsen, war sein Gottvertrauen als Kind noch unbegründet. Heute folge er dem Theologen Hans Küng darin, dass ein ‚in der Vernunft begründetes Gottvertrauen‘ wissenschaftlich und philosophisch durchaus zu rechtfertigen sei.
Schwungvoll und ehrlich beschreibt Gottschalk in der Autobiografie das, was ihn und sein Leben geprägt hat. Neben seiner einfachen Herkunft und seiner Familie ist das vor allem sein beruflicher Werdegang. Er beäugt sich im Rückblick sehr kritisch und gibt zu, dass ihm in seinem Job viel zugefallen sei. Fehltritte und Schwächen gesteht er ein, ohne entschuldigende Erklärungen dafür zu finden. Wohlwissend, dass Höhen und Tiefen zum Leben dazugehören, zeigt er sich in dem Buch als ein Mann, der viel ausprobiert hat, der sich von Niederlagen nicht hat entmutigen lassen. Bei der Lektüre wird aber vor allem deutlich, was er kann: unterhalten und authentisch sein. (pro)
Thomas Gottschalk: „Herbstblond. Die Autobiographie“, Heyne, 368 Seiten, 19,99 Euro, ISBN: 978-3-453-20084-5
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