Theologen: Kein neues Sterbehilfegesetz

Es braucht kein neues Gesetz zur Suizidbeihilfe in Deutschland. Das haben die beiden Theologen Reiner Anselm und Peter Dabrock in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erklärt und wünschen sich stattdessen eine Stärkung der Palliativmedizin.
Von Anna Lutz
Der Sozialethiker Peter Dabrock spricht sich gegen Sterbehilfe aus

Während die Abgeordneten des Deutschen Bundestages seit Monaten an einem neuen Gesetz zur Regelung der Suizidbeihilfe arbeiten, schlagen Experten nun in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) einen anderen Weg vor. Keiner der vorliegenden Gesetzentwürfe helfe suizidgefährdeten Menschen wirklich, schreiben sie.

Statt Ressourcen für die Realisierung von Beratungsstellen und einer neuen rechtlichen Infrastruktur zu verschwenden, „sollte dieses Geld primär in Suizidprävention sowie die Palliativ- und Hospizversorgung investiert werden“, schreiben unter anderem die beiden evangelischen Theologen Peter Dabrock und Reiner Anselm. Dabrock war Mitglied im Deutschen Ethikrat, Anselm sitzt im Bayerischen Ethikrat.

Gesetz könnte Sterbehilfevereine stärken

„Trotz der sehr liberalen Regelung ist es in den vergangenen drei Jahren auf breiter Ebene nicht zu unverantwortlichen Praktiken im Zusammenhang mit der Suizidassistenz gekommen“, schreiben die Experten. Dem entgegen stünden die derzeit vorliegenden Gesetzentwürfe, die „bewusst oder zumindest billigend“ die Position von Ärzten schwächten. Jenen also, die die Lage von Patienten am besten einschätzen könnten.

Statt ihnen zu vertrauen, wolle die Politik den Schutz des Lebens der Verfahrenssicherheit überantworten, „anstatt das Augenmerk ganz auf die Prävention und vor allem auf die Verbesserung der Versorgung und Betreuung einer vulnerablen Gruppe zu legen“.

Eine weitere Kritik der Ethiker: Die Gesetzesentwürfe könnten unfreiwillig zur Normalisierung von Suizidbeihilfe beitragen oder gar jenen gewerblichen Suzidhilfeorganisationen in die Hände spielen, die manche eigentlich verhindern wollten. Einmal erlaubt, könnte „deren Handeln dann als in besonderer Weise legitimiert und als ‚staatlich anerkannt und geprüft‘ erscheinen – ein Werbeargument, das seine Wirkung kaum verfehlen dürfte“.

Gesetz ist in Planung

Statt eines neuen Gesetzes schlagen Dabrock und Anselm gemeinsam mit dem Staatsrechtler Wolfram Höfling und der Palliativmedizinerin Claudia Bausewein vor, „die regulatorische Gestaltung den im Gesundheits- und Sozialsystem tätigen Organisationen selbst zu überlassen, von Wohlfahrtsverbänden bis zu den verfassten Ärzte- und Pflegekammern“. So wünschen sie sich die Etablierung einer Kultur, „die unterstützt, aber nicht bevormundet“. Diese zu fördern, solle im Fokus aller gesetzgeberischen Aktivitäten stehen.

Hilfe bei Suizidgedanken

Denken Sie darüber nach, sich das Leben zu nehmen? Holen Sie sich Hilfe, zum Beispiel bei der Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 geurteilt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, hierbei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Eine bis dahin geltende Regelung, die organisierte Suizidassistenz von Sterbehilfeorganisationen verboten hatte, erklärte das Gericht für nicht zulässig. Nun geht es im Bundestag um eine mögliche Folgeregelung.

Aus den Fraktionen heißt es, derzeit würden Gespräche angestrebt, um eine gemeinsame Regelung zu finden, die alle bisher vorliegenden Gesetzesentwürfe berücksichtigt. Eine Einigung soll noch vor der Sommerpause erfolgen.

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