Linda Teuteberg ist nicht nur Abgeordnete der FDP, sondern auch Synodenmitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Bei einer Podiumsdiskussion am Dienstag zeigte sie sich skeptisch, was den Umgang ihrer Kirche mit AfD-Anhängern angeht. Sie habe Bauchschmerzen, wenn die Kirche entsprechende Menschen ausschließe, sagte sie mit Bezug auf einen Beschluss der Landeskirche in Berlin und Brandenburg zur Unvereinbarkeit einer AfD-Mitgliedschaft mit Kirchenämtern. Die Landessynode hatte dazu am Samstag getagt.
Anstatt im Umgang mit anderen Ansichten stets Selbstbestätigung zu suchen und so zu tun, „als gäbe es nur die Erleuchteten und die Leugner“, seien alle dazu aufgerufen, ernsthafte Debatten zu führen. Christen sollten sich um AfD-Wähler bemühen und den Diskurs führen. Auch Politikern riet sie, die inhaltliche Auseinandersetzung bis zum Wahltag zu suchen, anstatt permanent nur „Koalitionen auszuschließen“. Sie müssten über die Themen sprechen, die die Menschen bewegten und so dafür sorgen, dass die Ziele ihrer Parteien erkenn- und unterscheidbar blieben. Dabei sollten sie durchaus vor der AfD warnen. Aber weder sei ein Thema besonders wichtig, weil die AfD es anspreche, noch sei es tabu. „Migration rechtsstaatlich zu begrenzen, ist ein legitimes Anliegen“, nannte sie als Beispiel.
Teuteberg war eine von drei Podiumsteilnehmern beim „Treffpunkt Gendarmenmarkt“ des EKD-Büros in Berlin zum Thema „Was für ein Volk?! Kirche und Gesellschaft im Osten – 35 Jahre nach der friedlichen Revolution“. Mit ihr diskutierten der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, Carsten Schneider (SPD), und Pfarrer, Autor und Podcaster Justus Geilhufe aus Großschirma in Sachsen.
Abgrenzung keine Lösung
Auch Geilhufe sprach sich für einen Dialog mit AfD-Wählern aus und erzählte aus seinem Alltag: In der Provinz funktioniere Abgrenzung nicht: „Was soll ich machen, wenn der Vorsitzende des Schulfördervereins mich fragt, ob ich ein Gebet zu einer Baumpflanzung spreche, dieser Vorsitzende aber AfD-Bürgermeister ist?“ Es sei für ihn keine Lösung, solche Anfragen immer abzulehnen.
Stattdessen habe er gute Erfahrung mit Dialogformaten in der Kirche gemacht. Er lade dazu Personen mit kontroversen Thesen ein und eröffne einen Bürgerdialog in der Kirche. „Und plötzlich merken die Besucher: Das ist ja ein Mensch, der da sitzt“, auch wenn er ihre Meinung nicht teile. „Dazu gehört der Mut, sich in diese Zwischenräume hineinzubegeben und das ist eine Qualität, die Kirchgemeinden und Christen haben“, ist Geilhufe überzeugt. Aufgabe der Kirche sei es, einen Raum zu schaffen, „wo Menschen einfach sein können“.
Kirche ist wichtiger Ort des Dialogs
Geilhufe beklagte einen Verlust des Glaubens im Osten Deutschlands. Dieser Verlust erschwere auch das „normale alltägliche Gespräch über ernste Themen“. „Die christliche Vorstellung von Wahrheit ist: Sie ist da draußen und ich brauche die anderen, um dahin zu kommen.“ Heute aber dächten viele, sie seien allein im Besitz der Wahrheit. Besonders der AfD sei es gelungen, sich selbst als das Gute und die anderen als das Böse darzustellen. Der Ostbeauftragte Schneider und Geilhufe waren sich einig: Aus diesem Grunde sei es eigentlich egal, welche Skandale die AfD produziere – sie werde weiterhin gewählt.
Schneider erklärte, für die Kirchen sei es ein wichtiges Statement, sich gegen die AfD zu stellen. Dennoch erreiche sie so nicht deren Wähler. Die Kirche nannte er einen wichtigen Ort des Austauschs für verschiedene Milieus: „Das sehe ich sonst an wenigen Orten.“
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