Wie die Online-Ausgabe der Washington Post am Donnerstag meldete, gehört Jones auch heute zu keiner Denomination oder Kirche und es scheint so, als hätte er keinen Kontakt zu anderen Pastoren in seiner Stadt. Evangelikale Dachverbände, wie die National Association of Evangelicals in den USA und die Deutsche Evangelische Allianz, haben die geplante Koranverbrennung scharf kritisiert und sich in aller Form von Terry Jones distanziert. "Wir hoffen, dass diese Gruppe in den USA von ihrem unsinnigen Vorhaben ablässt. Mit christlichem Glauben hat das jedenfalls überhaupt nichts zu tun! Das Recht auf Religionsfreiheit ist unteilbar und kann nicht allein von einer bestimmten Gruppe unter Ausschluss anderer in Anspruch genommen werden", teilt der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Jürgen Werth, am heutigen Mittwoch mit. Ähnlich äußert sich der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Martin Schindehütte. Die Ankündigung sei eine "unerträgliche Provokation." Solch provozierende Handlungen seien mit dem christlichen Zeugnis nicht vereinbar und trügen in keiner Weise dazu bei, Probleme zu lösen und Vertrauen zu schaffen.
Stellungnahme der Kölner Evangelischen Allianz
Indes nahm am Freitag der Vorstand der Evangelischen Allianz Köln zu der geplanten Aktion Stellung. "Eine solche Handlung hat nichts mit der Person, den Lehren und dem Geist Jesu zu tun, wie wir sie verstehen: Friedfertigkeit und Respekt vor den Éberzeugungen Andersdenkender sind Kernwerte christlicher Ethik", heißt es in einer Erklärung des Vorsitzenden Michael Höring. Und weiter: "Wir haben das jahrelange Wirken von Terry Jones in Köln mit ansehen müssen: Seine ‚Christliche Gemeinde Köln‘ war schon im Namen Programm, nämlich die einzige wahrhaft christliche Gemeinde Kölns zu sein. Deshalb hat er sich auch der Zusammenarbeit mit der Evangelischen Allianz in Köln und den in ihr vertretenen Christen aus den unterschiedlichen Kirchen und Gemeinden verweigert. Nach unserer Wahrnehmung ging es bei ihm immer um Macht und Geld – er hatte Probleme mit den Behörden wegen zahlreicher finanzieller Unregelmäßigkeiten und Gesetzesverstößen." Mitglieder seiner Gemeinde seien in großem Umfang Opfer geistlichen Missbrauchs geworden; viele seien schließlich in andere Gemeinden gekommen, wo sie oft langjährige Heilungsprozesse durchliefen. "Wir haben es begrüßt", teilt Höring mit, "dass die Gemeinde sich vor einiger Zeit von Terry Jones getrennt und distanziert hat."
Terry Jones und die Christliche Gemeinde Köln
Der Pastor und Leiter des "Dove World Outreach Centers", der 58-jährige ehemalige Hotelmanager Terry D. Jones, kam Anfang der 1980er Jahre nach Deutschland und gründete nach einem kurzen Aufenthalt in München die Christliche Gemeinde Köln (CGK). Als junge Freikirche mit herausfordernder Lehre und moderner Musik erhielt sie, insbesondere von jungen Menschen, sehr schnell Zulauf, so dass bis Mitte der 1990er Jahre die Anzahl der Gottesdienstbesucher auf etwa 800 bis 1000 angewachsen war. Doch schon zu diesem Zeitpunkt stellte sich heraus, dass für Terry Jones nicht mehr die Verbreitung des Evangeliums im Vordergrund stand, sondern sein persönliches Machtimperium. Mit den anderen christlichen Gruppen in der Domstadt wollte er nichts mehr zu tun haben. Von der Evangelischen Allianz in Köln wurde er wegen seiner Sonderwege abgelehnt. Terry Jones, der schon zuvor in seiner Gemeinde eine straffe hierarchische Struktur eingeführt hatte, die auf der Basis von Befehl und Gehorsam funktionierte, nutzte dieses System, um ein Klima von Angst und Kontrolle zu schaffen. Kritik wurde im Keim erstickt und entweder als Rebellion oder als Stolz bezeichnet, beides "Todsünden" in der CGK. Terry Jones und seine Frau Sylvia sahen sich als die von Gott eingesetzten Leiter der Gemeinde, denen nicht widersprochen werden durfte. Widerspruch gegen sie war Widerspruch gegen Gott. "Sie regierten unantastbar in selbstherrlicher Alleinherrschaft", sagt ein Aussteiger gegenüber pro. "Alle hatten sich ihnen unterzuordnen." Mitglieder, welche die Gemeinde verlassen wollten, wurden unter psychischen Druck gesetzt und zum Verbleiben aufgefordert. Dabei arbeitete Jones mit einem Programm, das man in der Regel nur von Sekten kennt: Obskure Heilsversprechen, Entlohnung im Jenseits, Einschüchterung, Manipulation.
Als daraufhin mehr und mehr Menschen die Gemeinde verließen, geriet diese in finanzielle Schwierigkeiten, was dazu führte, das verstärkt über Geld und Geben gepredigt wurde. "In den Predigten ging es nicht mehr um Gottes Liebe und um seine Gnade, sondern um Geld und Gehorsam und dass wir mehr geben müssten", so ein ehemaliges Gemeindemitglied gegenüber pro. Teenager wurden aus der Schule genommen und mussten mit anderen Mitgliedern in der Gemeinde "dienen". Konkret bedeutete dies, dass sie oft 12 Stunden täglich ohne Entgelt oder allenfalls gegen Kost und Logis in der Obdachlosenhilfe "Lisa-Jones-Haus", benannt nach Jones erster, inzwischen verstorbenen Frau, arbeiten mussten oder in dem Zweckbetrieb "TS & Company", über den damals Retourenware auf Ebay versteigert wurde. "Man musste viel für die Gemeinde arbeiten", bestätigt der Aussteiger. "Man machte das ja für Gott, und das musste reichen."
"Wer sich nicht untergeordnet oder genügend engagiert hatte, wurde kalt gestellt und abgeschrieben", erzählt ein anderes ehemaliges Gemeindemitglied. Dies habe auch dazu geführt, dass in Ehen und Familien Spannungen auftraten, wenn der eine Partner loyal und der andere kritisch der Gemeinde gegenüberstand.
2002 wurde Jones vom Kölner Amtsgericht zu einer Geldbuße von 3.000 Euro verurteilt, weil er jahrelang einen in Deutschland nicht anerkannten Doktortitel geführt hatte, der ihm von einer kalifornischen Bibelschule verliehen worden war. Dessen Führung hätte vom nordrhein-westfälischen Bildungsministerium genehmigt werden müssen. Eine erste Verwarnung der deutschen Justiz hatte Jones nicht ernstgenommen, sondern als "Verfolgung" bezeichnet.
Der Druck, den Jones auf die Gemeinde ausübte, verdichtete sich. Obskure manipulative Seelsorgeprogramme hielten die Mitglieder auf Spur. Teilweise wurden sie finanziell erheblich geschädigt, weil sie ihr ganzes Vermögen der Gemeinde opferten. Teenager wurden zur "Pastorenausbildung" in die USA geschickt. Insider bezeichneten den Aufenthalt dort auch gerne als Bootcamp, weil dort ähnlich strenge Regeln vorherrschten: Man durfte Anweisungen nicht in Frage stellen, nur dann sprechen, wenn man die Erlaubnis hatte und für persönliche Korrespondenz nur den E-Mail-Account der "Dove World Outreach Academy" nutzen. Besuche von Familie und Freunden waren nicht erlaubt, Hochzeiten, Beerdigungen oder Geburtstagen konnten nicht als Ausnahme geltend gemacht werden.
Gemeindeleitung: "CGK war Sekte"
Die Zunahme der Manipulation und des religiösen Missbrauchs in der Gemeinde führte schließlich dazu, dass Terry D. Jones im Januar 2008 als Pastor der Christlichen Gemeinde Köln abgesetzt wurde. Wie Stephan Baar, Mitglied der heutigen CGK-Gemeindeleitung gegenüber pro sagt, habe man sich von Terry Jones getrennt, weil man endlich erkannt habe, dass die Gemeinde nicht mehr nach christlichen Maßstäben, sondern personenbezogen, also auf Terry Jones bezogen,m geführt wurde. Jones‘ Motivation sei die "Sucht nach Ruhm und Anerkennung" gewesen. Auf die Frage "Würden Sie die damalige CGK als Sekte bezeichnen?", antwortet Baar: "Ich persönlich müsste das heute leider bejahen."
Für die Menschen innerhalb des Systems sei dies schwer zu durchschauen gewesen. Allerdings habe es dann Ende 2007 doch so etwas wie eine "Offenbarung" gegeben, die dazu geführt habe, dass der Ältestenkreis nicht mehr bereit war, das System des Pastors mitzutragen. Terry Jones verließ daraufhin Deutschland und wurde Pastor des "Dove World Outreach Center" in Florida, einer Gemeinde, die mit der CGK freundschaftlich verbunden war, und die in den Jahren zuvor bereits von Deutschland aus geleitet wurde, weil deren Gründer, Dr. Donald Northrup, verstorben war.
Die Christliche Gemeinde Köln, die derzeit noch von 60 bis 80 Menschen besucht wird, hat seitdem jeden Kontakt und jede Beziehung zu Terry Jones abgebrochen. "Wir distanzieren uns aufs äußerste von Terry Jones und von seinem Vorhaben", betont Baar.
Seit Januar 2008 arbeitet die Gemeinde daran, diese Phase des religiösen Missbrauchs aufzuarbeiten. So hat die Beraterin Inge Tempelmann im Mai 2008 ein entsprechendes Seminar in der Gemeinde durchgeführt und ist auch heute noch mit zahlreichen Betroffenen im intensiven Austausch. "Menschen, die gegebenenfalls über lange Zeit religiös missbräuchlichen Dynamiken ausgesetzt waren, haben in ihrem Leben sehr häufig vehemente Folgen zu verkraften", sagt die Beraterin, die sich auf religiösen Missbrauch spezialisiert hat, gegenüber pro. "Jahrelanger Missbrauch kann zu tiefgreifenden Veränderungen der Persönlichkeit führen. Affektregulation, Wahrnehmung und Bewusstsein der Betroffenen sind oft nachhaltig beeinträchtigt. Ihr Wertesystem sowie ihr Selbst- und Weltverständnis wurde durch die massiven Grenzverletzungen erschüttert und verändert." Erst recht, wenn diese Grenzverletzungen "im Namen Gottes" geschehen seien. "Welch eine Verunglimpfung dessen, was Jesus Christus der Menschheit an Lebensqualität zutiefst ermöglichen wollte und will!", fügt Tempelmann hinzu. (pro)