Steffen Ehl hat für Tech-Unternehmen gearbeitet, „darunter große Player aus dem Silicon Valley wie Cisco und Oracle“, wie er sagt. Seit Juli ist er Leiter für Marketing und Vertrieb Deutschland bei einem weltweit agierenden Spezialisten für Datenspeicherung. Seinen Einblick in neue Technik-Entwicklungen möchte er mit Christen teilen. Dafür hat er vor kurzem den Podcast „Adlerblick“ gestartet.
PRO hat mit Ehl darüber gesprochen, warum beim Zusammentreffen von Christen und Technik häufig Chancen und Skepsis zugleich aufkommen. „Ich bringe Menschen, die Ahnung von etwas haben, zusammen“, umreißt er grob seine Aufgabe. Das möchte er auch im christlichen Bereich tun.
PRO: Wie kamen Sie auf die Idee zum Podcast „Adlerblick“?
Steffen Ehl: Der Grundgedanke war, wie man Technologie und Christsein zusammenbringen und vielleicht weniger Fehler machen als etwa bei der Einführung des Internets und bei Social Media kann? Darüber hatte ich zunächst einen Blog namens „Adlerblick“ geschrieben. Dann kam die Idee, daraus auch einen Podcast zu machen. Ich habe in den letzten 25 Jahren für große Tech-Firmen gearbeitet. Dazu gehörten auch große Player des Silicon Valley wie Oracle und Cisco. Mein Glaubensleben verlief parallel dazu. Mit der Einführung von ChatGPT und der Tatsache, dass Machine Learning auf eine neue Ebene kam, wurde mir aber klar, dass diese technologische Entwicklung problematisch ist für uns Gläubige.
Wieso?
Es bedeutet, dass wir über kurz oder lang unabhängiger von Bildschirmen werden. Bisher gehen wir ja immer an einen Bildschirm, wenn wir eine Information benötigen. In Zukunft wird das eher über andere Kanäle laufen, beispielsweise Lautsprecher wie bei Alexa. Das bedeutet auch, dass es nicht mehrere Antwortmöglichkeiten gibt, wie etwa Google sie auflistet, sondern lediglich eine. So macht es ChatGPT ja auch heute schon. Es gibt nicht zehn Optionen, sondern eine. Und wenn diese Antwort etwa zu einer Frage nach Glaube oder Christsein falsch ist, dann entsteht eine Spirale, aus der man immer schwerer heraus kommt. Es ist wichtig, nicht erst zehn Jahre lang alles für Teufelszeug zu halten und abzulehnen, sondern jetzt schon technologischen Anschluss zu haben. Hier kann man durchaus den Zug verpassen. Das war bei anderen technischen Innovationen vielleicht nicht so dramatisch. Aber eine KI, die etwas Falsches gelernt hat vom Gegenteil zu überzeugen, wird schwierig. Es ist wichtig, dass sie die richtigen Grundparameter kennt – auch in Fragen zu Glauben und Jesus. Kurz: Ich wollte das Thema Technologie, mit dem ich im Job zu tun habe, mit meinem Glauben verbinden.
Meinen Sie hier die Echo-Kammern, bei denen die Ausgaben von KI wiederum die Eingabe von Folge-Generationen von KI-Systemen werden und sich so falsche Fotos oder Aussagen von selbst immer weiter verbreiten?
Ja, denn eine KI umzutrainieren ist aufwändig und bräuchte erstmal ein Verständnis der Notwendigkeit. Hinzu kommt: Wenn wir bildschirmunabhängig werden, dann gibt es nur eine Antwortmöglichkeit. Wenn Alexa mir eine Liste von möglichen Antworten vorlesen würde, will das niemand hören. Deswegen gibt es nur eine einzige Antwort. Und hier wäre es gut, wenn wir Christen daran beteiligt wären.
Es wird ja nicht mehr lange dauern, bis auch das iPhone – immerhin eines der am meisten genutzten Smartphones weltweit – eine KI haben wird; Apple nennt es „Apple Intelligence“…
Ja, KI wird sicher überall kommen. Daran arbeiten alle. Und das sollten die christlichen Organisationen auch tun. Jede Ortsgemeinde und jeder Verband sollte sich damit beschäftigen und sich die Frage stellen: Wie können wir KI gut nutzen?
Und, wie können wir KI gut nutzen?
Es gibt sehr viele Anwendungsfälle. Angefangen bei Bibel-Übersetzung, die automatisierter abläuft, über die Optimierung von Prozessen in der Gemeinde bis hin zur Analyse dessen, wie eine Predigt bei den Gemeindemitgliedern ankommt. Aber auch bei globalen Fragen, wie man das Evangelium nach Nordkorea bekommen kann oder wie man von Europa aus kranke Menschen in Malawi operieren kann. Der wichtigste Schritt ist, anzufangen, und sei es auch nur mit kleinen Dingen, um den Abstand nicht zu groß werden zu lassen.
Welche Technologien sollten Christen Ihrer Meinung nach nutzen?
Die Sprachmodelle, ob von Google, Meta oder OpenAI, laufen ja derzeit an, aber KI wird sich in alle Lebensbereiche ausweiten. Die Robotik wird davon geprägt sein. Es gibt ja jetzt Pilotversuche von Robotern in der Pflege. Für viele ist die Vorstellung fürchterlich, dass ältere Menschen von einem Roboter versorgt werden und dass Arbeitsplätze verloren gehen. Ich wünsche mir aber, dass man diese Themen offener angeht und schaut, welche Chancen es da gibt, etwa dass Pflegekräfte entlastet werden, und nicht nur die Risiken sieht. Als man das Messer erfunden hat, hätte man auch dafür plädieren können, die Idee sofort zu verwerfen, weil man damit Menschen töten kann. Aber das hält ja niemanden davon ab, jemanden mit einem Messer zu töten. Und nicht nur Chirurgen sind froh, dass es Messer gibt. Genauso stecken in Technologien enorme Chancen, das Evangelium zu verbreiten.
Ist Virtual Reality da ein Thema für Sie?
Ich habe in meiner ersten Podcast-Folge mit Jakob Buchholz gesprochen, der an einer Idee für eine „Kirche im Metaverse“ arbeitet. Das ist eine große Chance. Erstens um junge Menschen zu erreichen, aber auch in Bezug auf verfolgte Christen, die nicht die Möglichkeit haben, Kirchenräume zu besuchen. Da können sich Glaubensgeschwister über sichere Leitungen treffen. Aber in einem besseren Rahmen als bei einer Videokonferenz. Vieles ist noch in der Phase der Ideengebung. Aber eine Idee, die man entwickelt, ist immer noch besser als gar nichts zu machen.
Warum sind Christen oft besonders skeptisch, wenn es um neue Technik geht?
Christen sind vermutlich grundsätzlich konservativer und bewahrender. Hinzu kommt bei manchen eine Endzeit-Furcht. Da ist ja viel von Verfolgung die Rede, und Technologie lässt sich dafür missbrauchen. In der Anfangszeit des Internets wurde mit dem gleichen Argument gewarnt. Jesus sagt aber, dass wir unsere Häupter erheben und uns freuen sollen, wenn diese Verfolgung kommt. Er sagt nicht, dass wir uns einbuddeln sollen. Und es wird nichts besser dadurch, dass wir keine Erfahrung mit Technologie haben. Als der Buchdruck von Guttenberg erfunden wurde, war es auch ein Risiko, verstärkt Fake News zu verbreiten. Und sicher haben viele ihre Arbeit verloren, weil Bücher nicht mehr abgeschrieben werden mussten. Aber Luther hat trotzdem danach gesucht, wie daraus etwas Gutes werden kann. Dieses Mindset rechne ich ihm hoch an. Ein bisschen mehr Luther-Mindset würde uns allen guttun.
Vielen Dank für das Gespräch!