Die amerikanische Sängerin Taylor Swift gewann zwölf Grammys, 40 Billboard Music Awards und 29 American Music Awards. Sie ist mit Abstand die erfolgreichste und wohlhabendste Popkünstlerin aller Zeiten. Welche Rolle spielt Religiosität bei der Pop-Sängerin Taylor Swift? Welche religiösen Elemente finden sich in Swifts Musik? Die Sozialethikerin Linda Kreuzer von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien hat mit der Neutestamentlerin Eva Puschautz, der Sozialethikerin Noreen van Elk und der Redakteurin Annika Schmitz im Januar 2025 einen zweitägigen Workshop durchgeführt, um das Pop-Phänomen wissenschaftlich zu betrachten.
„Der große Einfluss von Swift auf ihre Fangemeinde zeigt, wie Popkultur kollektive Identitäten, Rituale und Werte prägen kann“, heißt es in der Veranstaltungsankündigung. Der Workshop mit dem Titel „Take us to Church, Taylor!“ sollte herausarbeiten, ob ihre Fangemeinde mit ihrem regen Austausch, der Selbstfindung und einer kollektiven Identität mit einer religiösen Gemeinschaft vergleichbar ist. PRO hat mit Kreuzer über das Phönomen Taylor Swift gesprochen.
PRO: Sie befassen sich akademisch mit dem Thema Taylor Swift? Wie sieht das aus?
Linda Kreuzer: Aktuell sitze ich an einem Antrag einer Förderung für eine Weiterführung des Projektes. Aufgrund der Nachfrage nach dem Workshop ist durchaus angedacht, die Forschung zu dem Thema weiter zu institutionalisieren. Bisher gibt es an keiner theologischen Fakultät ein entsprechendes Projekt. In Deutschland gibt es zwar ein Netzwerk namens „pop.religion“, das im evangelischen Bereich zu dem Thema Popkultur und Religion forscht, aber dort hat man meines Wissens nach noch nie konkret auf Taylor Swift Bezug genommen.
Was waren die Ergebnisse des Workshops?
Grundsätzlich gab es die Erkenntnis, dass es auf dem Gebiet noch sehr viel zu erforschen gibt. Einerseits in der textlichen und musikalischen Auseinandersetzung mit Swifts Werk; da geht es beispielsweise um den Gottesbegriff bei ihr. Ebenso kann man aus einer pastoralen Perspektive fragen, inwiefern ihr Werk in der Lebenswelt von Menschen eine Unterstützung sein kann. Gibt sie in irgendeiner Weise Lebenshilfen oder gar einen Lebenssinn? Andererseits kann man im Blick auf die Fans fragen: Inwiefern unterscheidet sich ein Swift-Fan von Anhängern anderer Popkulturphänomene wie etwa dem Fußball? Inwiefern hat das Phänomen gesellschaftliche Auswirkungen auf junge Menschen?
Ist Taylor Swift selbst religiös?
In Interviews hat sie sich selbst als Christin bezeichnet. Sie war in einem katholischen Kindergarten, ihre Konfession hat sie aber bisher nie explizit genannt. Christliche Werte sind ihr aber wichtig, dezidiert bedeutet das bei ihr Nächstenliebe und das Füreinander-Dasein.
Wie kamen Sie auf die Idee, sich mit Taylor Swift wissenschaftlich auseinanderzusetzen?
Im August 2024 sollte es ein Konzert in Wien geben, Eva Puschautz und ich hatten Karten, meine älteste Tochter sollte mitkommen, sie ist großer „Swiftie“ (begeisterter Fan von Taylor Swift Fans, Anm. d. Red.). Aber aufgrund von Anschlagsdrohungen wurde das Konzert abgesagt. Meine Tochter hat tagelang geweint. Die große Emotionalität und die Auswirkungen des Ereignisses auf die ganze Stadt waren auffällig und überraschend. Es gab in der Stadt Sing-Treffen von Fans. Sie haben ihre Freundschaftsbänder – eine Art Erkennungszeichen – an Bäumen aufgehängt, fast wie in einer rituellen gemeinsamen Trauerarbeit; die Evangelische Stadtpfarrkirche hatte ihre Türen geöffnet, tagelang Taylor Swift-Lieder gespielt und Fans eingeladen, in den Kirchenraum zu kommen. Wir stellen nach einer Recherche fest: Es gibt dazu bislang kaum theologische Forschungsarbeit.
Wie groß war die Resonanz auf Ihren Workshop?
Sehr groß. Auf unsere Einladung hin haben sich zu 90 Prozent deutsche Teilnehmer gemeldet. Ein Teilnehmer forscht eigentlich schwerpunktmäßig zum Thema mittelalterliche Mystik, zu Bernhard von Clairvaux und dem Liebesbegriff; er sucht Parallelen zwischen diesem Mönch und dem Sprechen über Liebe bei Taylor Swift. Es gab insgesamt viele innovative Beiträge, und alle waren sich einig, dass man daraus mehr machen sollte. Geplant ist für dieses Jahr die Herausgabe eines Sammelbandes zu dem Thema. Es ist beispielsweise klar geworden, dass es in Swifts Texten sehr viele religiöse Bezüge gibt.
Gibt es eine Botschaft von Taylor Swift, die mit der Kirche oder der Bibel eine Schnittmenge bildet?
Die zentrale Schnittmenge, über die wir auch viel diskutiert haben, ist wohl der Begriff der Liebe. Taylor Swift spricht nicht von einer Gottesliebe, aber ihre Bezüge auf die Liebe aus Beziehungen kann man durchaus transzendieren. Menschen, die das hören, können das für ihre Gottesbeziehung fruchtbar machen. Das ist wohl auch der Grund, warum die Taylor-Swift-Gottesdienste so gut funktionieren.
Haben Sie einen solchen Gottesdienst schon einmal besucht?
Noch nicht. Beim Workshop war eine Kollegin, die sich diese Taylor-Swift-Gottesdienste genauer angesehen hat. Die Songs dienen da aber eher als Rahmen, sie sind nicht Teil einer Verkündigung. Etwa so wie es auch Heavy-Metal-Gottesdienste gibt. Es gibt da offenbar keine Theologie, die sich aus Taylor Swifts Werk heraus entwickeln würde. Auch der Begriff des „Swiftianismus“, der da tatsächlich eine Art Religion identifiziert, geht unserer Einschätzung nach zu weit. Das wäre ein sehr verwässerter Religionsbegriff. Aber natürlich gibt es Elemente, die man als quasi-religiöse Rituale identifizieren kann.
Zum Beispiel?
Es gibt zum Beispiel die „Friendship Bracelets“, Freundschaftsbänder, die selbst geknüpft und dann ausgetauscht werden. Die haben sich zu einem Erkennungszeichen entwickelt, das Austauschen auf Konzerten unter wildfremden Fans ist zu einem Ritual geworden. Typisch ist auch eine starke Interaktion zwischen Taylor Swift und ihrem Publikum. Fans skandieren beispielsweise Einwürfe auf ihren Konzerten, die Swift aufgreift und in ihre Lieder einarbeitet, die sie dann wiederum auf späteren Konzerten spielt. Die Fans veranstalten Treffen, auf denen sie Swifts Lieder singen.
Die fast religiöse Verehrung von Pop-Idolen kann man theologisch ja grundsätzlich durchaus auch kritisch sehen, gibt es diese Kritik?
Ja, ich unterstreiche das, dass jede Form der Verehrung einer Person immer ganz große Gefahren mit sich bringt. Taylor Swift verkauft sich als die gute Freundin, als das nahbare Mädchen von nebenan, in der Realität ist sie aber natürlich eine Multimilliardärin, die völlig abgeschottet vom Rest der Welt lebt.
Vielen Dank für das Gespräch!