Meinung

Tagesschau-Sprecher über Umgang mit schlechten Nachrichten

Schlechte Nachrichten gehören zu seinem Job. Und dennoch versucht der Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber in einer Welt voller Schreckensnachrichten das Gute zu sehen. Dabei begibt er sich auf Spurensuche und wird auch im Religiösen fündig.
Von Martin Schlorke
Constantin-Schreiber-Cover

In seinem neuesten Buch begibt sich Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber auf die Suche nach dem „Glück im Unglück“, wie der Titel verspricht. Auf den ersten 32 Seiten beschäftigt sich der Journalist erst einmal mit dem Unglück: einem Potpourri aller schlechten Nachrichten auf, die man sich so vorstellen kann. Er schreibt über den Krieg in der Ukraine, die Corona-Pandemie, den Klimawandel, die Inflation, den Wohlstandsverlust oder die Flüchtlingssituation.

Es geht um die Gefahr der „Durchpolitisierung des Alltags“, also die allgegenwärtigen Diskussionen rund um die Gender-Sprache, kultureller Aneignung oder Political Correctness. Oder den Vertrauensverlust in Politik, Institutionen und Kirchen. „Hat die Kirche nicht eine Frohe Botschaft zu verkünden und fehlt es uns nicht an einer solchen mehr denn je?“, fragt Schreiber.

Aus seiner Sicht tragen die Kirchen selbst die Schuld an der Abkehr ihrer „Schäfchen“. Die evangelische Kirche widme sich zu viel den politischen Themen, während die katholische Kirche aufgrund des Missbrauchsskandals und der mangelhaften Aufarbeitung selbst zum Politikum geworden sei. Einen Vorschlag, wie die Kirchen gegen diesen Trend steuern können, macht Schreiber, der sich selbst als „nicht religiös“ bezeichnet, aber leider nicht.

Keine neuen Erkenntnisse, aber viel Persönliches

Als einen Katalysator für Krisenempfinden macht Schreiber die Sozialen Netzwerke und deren Algorithmen aus. Denn diese machten den „Dauerkonsum von schlechten Nachrichten“ nicht nur möglich, sondern würden diesen auch noch fördern. Gewissermaßen geraten Menschen so in einen Sog, aus dem „manche nicht mehr herausfinden“, schreibt der Tagesschau-Sprecher.

Soweit sind das alles keine neuen Erkenntnisse oder Studien, die Schreiber in seinem Buch niederschreibt. Neu ist ebenso wenig der Überblick über Glück, den er zum Besten gibt. Nachdem Schreiber die Definition von Glück im Duden sucht – ohne großen Erkenntnisgewinn – widmet er sich verschiedenen Definitionen von Glücksforschern, Psychologen und der physiologischen Seite.

Spannend, weil praktischer und persönlicher, wird es aber immer dann, wenn er von seinen eigenen Erfahrungen spricht. So hat Schreiber seit August 2022 seine persönliche Glücksliste mit Dingen angelegt, die ihn glücklich machen. Auf dieser steht neben gutem Essen und Reisen auch Klavierspielen. Seitdem spielt er wieder regelmäßig Klavier und lässt auf Twitter seine Follower teilhaben.

Glücklich sei der Mensch auch, wenn er Gutes tut, stellt Schreiber fest und versucht fortan einen „Freundlichkeitstag“ in seinem Alltag zu implementieren – mit mäßigem Erfolg, wie er unterhaltsam beschreibt. Vielmehr wird er beispielsweise beim Versuch, seinen Sitzplatz in der Hamburger S-Bahn einer älteren Dame anzubieten, von einem anderen Fahrgast beleidigt. Am Ende entscheidet sich der Journalist für eine Blutspende, weil er so auch „etwas Gutes“ tun kann.

Diese praktischen Erfahrungen mögen wissenschaftlich nicht so wertvoll wie das Zitieren von Glücksforschern und diversen Studien daherkommen, sind aber ein sinnvoller und durchaus lohnender Tipp an die Leser. Zudem beschreibt er diese Anekdoten sehr unterhaltsam.

Erfahrungen mit Christentum

Auf der Suche nach Glück kann ebenso Spiritualität oder Religion zum Ziel führen, schreibt Schreiber. Obwohl er selbst nicht religiös ist, habe ihn vor allem der Nahe Osten „spirituell berührt“. Dort lebte er Ende der 90er Jahre in einer christlich-syrischen Familie in Damaskus.

Ihn habe beeindruckt, wie der „tiefe Gottesglaube“ den ganzen Alltag der Familie durchzogen habe. „Dieses Christentum hat mir sehr zugesagt, anders als dasjenige in unseren Breiten, das ja immer sehr weltlich daherkommt.“

An dieser Stelle übt Schreiber erneut Kritik an der protestantischen Kirche in Deutschland, die er vor einigen Jahren verließ. Die Kirche in Deutschland greife zu oft aktuelle politische Themen auf. Eine solche Kirche brauche er nicht, denn „dafür gibt es ja schon Parteien und Organisationen“. Und wieder möchte man nachfragen: Wie muss Kirche stattdessen sein?

Das Inschallah-Prinzip

Am Ende des Buches widmet sich Schreiber dann noch verschiedenen Methoden, um mit schlechten Nachrichten umzugehen. So sortiert er gedanklich alles Private in eine Schublade und alles Berufliche (schlechte Nachrichten) in eine andere. Oder er wendet das Inschallah-Prinzip an. (wörtlich: „So Gott will“ oder umgangssprachlich: „hoffentlich“). Dabei geht es darum, manche negativen Dinge als gegeben zu akzeptieren. Das betrifft etwa einen verspäteten Zug.

„Glück im Unglück“ lohnt sich zu lesen, weil es mehr als ein klassischer Lebensratgeber ist. Es ist ein unterhaltsam geschriebener Erlebnisbericht eines Journalisten, der sich inmitten schlechter Nachrichten auf die Suche nach dem Glück macht – und zumindest für sich Antworten findet.

Constantin Schreiber: „Glück im Unglück. Wie ich trotz schlechter Nachrichten optimistisch bleibe“, Hoffmann und Campe, 160 Seiten, 22 Euro, ISBN: 978-3-455-01610-9

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