Sucht der Stadt Bestes und engagiert euch

Christen haben den Auftrag, die Gesellschaft mitzugestalten, „Salz und Licht“ zu sein. Dafür in die Politik zu gehen, kann ein Weg sein, aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Ein Gastbeitrag von Uwe Heimowski
Von PRO
Heimowski

Klar ist: Jesus war kein Politiker. Ja er hat sogar gesagt: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18,36). Aber es wäre ein großes Missverständnis, daraus abzuleiten, dass Jesus sich nicht für den Zustand der Welt interessiert hätte. Die Bergpredigt (Matthäus 5-7) ist (auch) eine Art Manifest für eine christlich-soziale Gesellschaftsordnung: Frieden, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind die Themen. Vollkommenen werden wir diese Werte nicht erreichen, das ist klar, und das meint Jesus, wenn er sagt, sein Reich sei nicht von dieser Welt. Aber: Jesus sagt auch, dass Christen „Salz und Licht“ sein sollen, dass sie sich – buchstäblich – einmischen sollen, so wie man den Sauerteig in den Teig hineinmischt. „Was ihr wollt, das euch die Leute tun, das tut ihr ihnen zuerst“, lautet seine goldene Regel. Christen sollen aktiv sein, ja an der Spitze stehen, wenn es darum geht, Gutes zu tun.

Schon am Anfang der Bibel erhält Adam den „Schöpfungsauftrag“: Er soll die Welt gestalten. Viele der großen Figuren des Alten Testaments waren Politiker: Mose, David, Salomo, um nur einige zu nennen.
Doch nicht nur beim „Spitzenpersonal“ ist Politik ein Thema. Der Prophet Jeremia fordert die nach Babel verschleppten Juden auf: „Sucht der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s auch euch wohl.“ (Jeremia 29,7).

Der Begriff „Politik“ kommt vom Griechischen: „Polis“ – „die Stadt“; ein Politiker ist jemand, der Verantwortung für das Wohlergehen einer Stadt (und eines Landes) übernimmt. Für die ganze Stadt, nicht nur für die Gläubigen. Genau das fordert Jeremia: Praktisches Engagement ergänzt durch Gebet.

Auch die Bibel beschreibt eine Spannung: Im Römerbrief lesen wir (Kapitel 13), dass wir uns in den Staat einfügen sollen („Seid untertan der Obrigkeit“), während in der Apostelgeschichte (5,29) einem blinden Untertanengehorsam eine Grenze gesetzt ist: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“, antwortet Petrus als die staatlichen Autoritäten ihm verbieten, von Jesus zu erzählen. Ein Christ wird den Menschen dienen, sich in den Staat einfügen, aber er wird dabei nie seinen Gott und seine Grundwerte verleugnen. „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“, sagt Jesus (Matthäus 22,21).

Wenn Christen einen Unterschied machen

Politisches Engagement ist also ein biblischer Gedanke. Und es lohnt sich. Christen können einen Unterschied in der Gesellschaft machen. Dafür gibt es eine Reihe von Beispielen.

Nehmen wir den 9. November 1989: die Mauer ist gefallen. Deutschlands Teilung wurde überwunden. Begonnen hat diese „friedliche Revolution“ in den Kirchen. Es waren Christen, die ihre Gotteshäuser für Friedensgebete geöffnet haben. In der Nikolaikirche in Leipzig mit ihrem Pfarrer Christian Führer hat es begonnen, viele andere Orte sind gefolgt. Mit einer Kerze und einem Liedzettel in der Hand gingen die Menschen auf die Straße – und keine Nationale Volksarmee, keine Staatssicherheit und kein Parteiapparat vermochte sie aufzuhalten. Das war geistlich und hochpolitisch zugleich.

Denken wir an die 1960er Jahre in den USA. Der Baptistenpastor Martin Luther King führt den gewaltlosen Widerstand der Schwarzen an. Gespeist von der biblischen Überzeugung, dass alle Menschen gleich geschaffen sind, kämpft er gegen den Rassismus.

Seine berühmte Rede „I have a dream“ ist gespickt mit biblischen Bildern und Zitaten. King selber ist kein gewählter Politiker. Seine Bewegung ist, wenn man so will, eine „außerparlamentarische Opposition“. Doch sie ist der Wegbereiter für den 20 Januar 2009, als mit Barack Obama der erste frei gewählte afroamerikanische Präsident ins Weiße Haus einzog. Martin Luther King hat seinen Kampf mit dem Leben bezahlt, doch als Christ wusste er, dass sein Einsatz weit über das eigene Leben hinaus geht.

Oder gehen wir noch ein Jahrhundert zurück. 1807 verabschiedete das britische Parlament ein Gesetz zur Aufhebung des Sklavenhandels. Zuvor hatte ein und derselbe Abgeordnete diesen Antrag 18 Jahre lang Jahr für Jahr (mit wenigen Pausen) eingebracht. William Wilberforce (1759–1833) war bereits im Alter von 21 Jahren ins britische Unterhaus gewählt worden. Vier Jahre später fand der junge Mann zum Glauben. Er traf ehemalige Sklavenhändler, erkannte die menschenunwürdigen Bedingungen und widmete seit 1787 seine Arbeit dem Kampf gegen die Sklaverei. Erfolgreich. Mit langem Atem. Ein Christ hat hier den Unterschied gemacht und unzählige Leben gerettet.

Politisch aktiv werden – wo und wie?

Politisch aktiv werden, wie fängt das an? Es beginnt im Kopf: Indem ich verstehe, dass ich unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten kann (und muss). Wer nicht handelt, der wird behandelt. Eine Demokratie bietet viele Möglichkeiten. Die Mitarbeit in einer Partei ist eine davon. Alle Parteien suchen Nachwuchs – und in den meisten können sich Christen auch mit gutem Gewissen engagieren. Aber auch ein Schülersprecher ist politisch. Ein Mitarbeiter im Stadtjugendring. Ein Helfer beim Freundeskreis für Flüchtlinge. Ein Teilnehmer an einer Demonstration gegen Rassismus. Ein Mitglied bei „Amnesty international“. Ein Unterstützer von Hilfswerken im In- und Ausland.

Die Möglichkeiten, politisch aktiv zu werden, sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Wichtig dabei ist, dass Christen sich – egal wie die jeweilige Berufung oder konkrete Aufgabe aussieht – von biblischen Werten leiten lassen, nicht von Eigeninteressen. Unser Lebensstil verleiht unseren Worten und Taten die nötige Glaubwürdigkeit. Und eines sollten Christen auf jeden Fall tun: Wählen gehen.

Es wächst eine junge Generation heran, die sich für Politik interessiert – aber zugleich anfällig für Populismus ist. Es wäre großartig, wenn „ältere“ Christen sie ermutigen und begleiten, aktiv nicht nur die Gemeinde zu gestalten, sondern auch das Beste für Stadt und Land zu suchen.


Uwe Heimowski ist geschäftsführender Vorstand des christlichen Hilfswerks Tearfund Deutschland. Von 2016 bis 2022 war er Beauftragter der Deutschen Evangelischen Allianz beim Deutschen Bundestag und der Bundesregierung. Der Beitrag wurde zuerst in der Zeitschrift „Die Gemeinde“ veröffentlicht.

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