Stolperstein-Initiator sieht Erinnerungskultur nicht gefährdet

Trotz antisemitischer Vorfälle hält Gunter Demnig, der Initiator der Stolpersteine, das Bewusstsein für die NS-Verbrechen nicht gefährdet. Er erlebt hingegen reges Interesse an seiner Arbeit, auch von jungen Menschen.
Da sie kein Grab besuchen können, haben die Angehörigen Blumen an den neuen Stolpersteinen der Familie Cohn niedergelegt

Der Stolperstein-Initiator Gunter Demnig sieht trotz jüngster antisemitischer Vorfälle und Vandalismus an jüdischen Gedenkstätten die Erinnerungskultur in Deutschland nicht gefährdet. „Ich denke, dass das Bewusstsein immer stärker wird“, sagte Demnig am Samstag im WDR-Radio. In Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern habe er erlebt, dass ihnen die Erinnerung wichtig sei und damit die Frage, wie es zu den NS-Verbrechen kommen konnte. Wenn der Umkehrschluss dann am Ende laute, „so etwas darf nie wieder passieren, wenn wir das erreichen, dann sind wir gut“.

Demnig verlegt seit 1996 sogenannte Stolpersteine vor einstigen Wohnhäusern von Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt, deportiert und ermordet wurden. In den vergangenen Monaten wurden in mehreren deutschen Städten die in Gehwegen eingelassenen Messingtafeln von Unbekannten beschädigt, beschmiert oder herausgerissen und gestohlen. Bei der Verlegung von Stolpersteinen sei aufgrund der letzten Vorkommnisse jetzt immer Polizei dabei, erzählte Deming. Wegen seiner Arbeit habe er in den vergangenen Jahren auch drei Morddrohungen erhalten.

Demnig zeigte sich von den Anfeindungen unbeeindruckt. „Mit den Steinen werden Spuren verlegt, hoffentlich für längere Zeit“, sagte der Konzept- und Aktionskünstler dem WDR. Herausgerissene würden wieder ersetzt. „Denn das ist auch etwas, was mir der Rabbi von Köln mitgegeben hat: Ein Mensch ist erst vergessen, wenn der Name vergessen ist.“ Seine Stiftung „Spuren – Gunter Demnig“ habe sich diesem Auftrag verschrieben.

Die Stolpersteine sind nach Ansicht des Künstlers mittlerweile ein Teil der deutschen Kultur geworden. Das zeigten die Putzaktionen von Schülern und Geschichtsvereinen, bei denen zweimal im Jahr die zehn mal zehn Zentimeter großen Messingplatten in den Straßen gesäubert werden, sagte er. „Sie erregen Aufmerksamkeit und werfen auch bei den Passanten wieder Fragen auf, die wollen wissen: Was macht ihr jetzt hier? Und das sind die Momente, wo ich weiß, warum ich es mache.“

Die Stolpersteine des Konzept- und Aktionskünstlers Demnig gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Bis jetzt hat er rund 113.000 Gedenksteine in mehr als 30 Ländern Europas verlegt. Allein in Nordrhein-Westfalen gibt es etwa 15.000 Stolpersteine. Demnig ist nach eigenen Angaben zurzeit auf einer zweiwöchigen Tour unterwegs, um rund 300 neue Stolpersteine zwischen Gladbeck und Hamburg zu verlegen.

epd
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