Die Kirchenstatistiken der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für das Jahr 2017 zeigen, dass die Zahl evangelischer und katholischer Christen in Deutschland weiter rückläufig ist. Nach einem Rückgang von rund 660.000 bleiben evangelischer und katholischer Kirche 2017 zusammengerechnet noch rund 44, 8 Millionen Mitglieder. Aufgrund dieser Zahlen rechnet Welt-Autor Matthias Kamann damit, dass voraussichtlich 2024 weniger als 50 Prozent der Deutschen noch einer Kirche angehören. Das stimmt den Journalisten nachdenklich.
Wenn sich die Entwicklung so weiter fortsetze, sei bald der christliche Glaube „nicht nur eine Minderheitenveranstaltung, sondern auch das Kirchenvolk eine Minorität“, schreibt der Autor in einem Essay unter dem Titel „Christen als Minderheit“ am Samstag. Kamann geht davon aus, dass dann die Kirchen „ihren Sonderstatus“ in gesellschaftlichen Diskussionen verlieren. „Zwar werden weiterhin ihre Vertreter bei Anhörungen im Bundestag sprechen und diversen Gremien angehören – aber ohne größeres Gewicht als die Leute vom Paritätischen Wohlfahrtsverband oder von den Arbeitgebern“, schreibt der Welt-Redakteur.
Ein Grund: Religiöses Desinteresse
Kamann rechnet zudem damit, dass die Kirchen in Zukunft auch in den öffentlichen Debatten weniger sagen können, weil aufgrund sinkender Kirchensteuereinnahmen in einer möglichen Wirtschaftskrise die entsprechenden Stabsstellen verkleinert werden müssten. Diese sorgten derzeit noch für die „Sprechfähigkeit“ der Kirchen. Als Grund für den Mitgliederschwund der Kirchen nennt er religiöses Desinteresse. Dies lasse auch der nicht vorhandene massenhafte Übertritt zu den Freikirchen erkennen. „Alljährlich treten Hunderttausende aus, weil ihnen das Christentum so wenig bedeutet, dass sie die Institution für entbehrlich halten und ihr kein Geld geben wollen“, schreibt Kamann.
Die Kirchen erkennen in ihren Statistiken im demografischen Wandel in Deutschland eine Ursache für den Rückgang ihrer Mitglieder. Das sieht auch der Welt-Autor so. Unter den Kirchenmitgliedern sei die Zahl junger Eltern nicht mehr ausreichend groß, um durch Geburten und Taufen die hohe Zahl versterbender Mitglieder zu kompensieren. „Eine Religion, die nicht in Familien vermittelt wird, schwindet“, schreibt Kamann und erkennt in der Entwicklung gravierende Folgen. Zwar lasse sich „ohne christliche Kirchen noch das ethische Diskutieren über Gut und Böse erlernen, über richtig und falsch“, jedoch sei noch keine andere Besetzung für die Rolle gefunden, die bislang die Kirchen innehatten. Er bemängelt, dass über den christlichen Glaubensschwund und die Folgen daraus kaum geredet wird. Kamann kommt zu den Fazit: „Die Deutschen lassen sich beim Abschied vom Christentum auf ein ungeheures Experiment ein.“
Von: Norbert Schäfer