Anlässlich des „Weltjahres der Astronomie“, das 2009 begangen wird, befragte „Welt“-Autor Paul Badde den Chef der Vatikanischen Sternwarte in Castel Gandolfo. Vor 400 Jahren hatte Galilei Galileo erstmals mit einem Teleskop in die Tiefe des Weltraums gesehen.
„Religion und Wissenschaft sind fruchtbare Ergänzungen“
Auf die Frage, ob sein Blick als Wissenschaftler in den Sternenhimmel nicht „inkompatibel“ mit seinem christlichen Glauben an einen persönlichen Schöpfergott sei, sagte Funes: „Nein, ich bin Priester und Astronom zur gleichen Zeit. Meine Berufung als Jesuit bestand im Gegenteil in dieser doppelten Berufung, nämlich Priester und Wissenschaftler zu sein.“
Die Arbeit der päpstlichen Astronomen stünde ganz unter dem Motto der Jesuiten „Alles zur größeren Ehre Gottes“. „Hier in Castel Gandolfo begegnet die Wissenschaft der Religion. Es ist eine ganz besondere Grenze, an die die Kirche hier stößt, und in gewisser Weise ist es die letzte Grenze: das Grenzenlose. Denn es sind ja doch sehr tiefe Fragen der Menschheit, über die wir hier sprechen. In gewisser Weise ist es die ultimative Grenze. Denn welche Grenze soll sonst noch hinter dem Universum und Grenzenlosen auf uns warten? Es ist unsere bleibende Sehnsucht, dem Heiligen Vater, unseren Kollegen, der Suche nach Wahrheit, den Menschen und dem täglichen Beweis zu dienen, dass Religion und Wissenschaft keine Gegensätze, sondern fruchtbare Ergänzungen sind.“
Für Funes ist allein die vermutete Anzahl der Galaxien im Universum – 100 Milliarden – ein Zeichen für einen Schöpfergott. Statistisch gesehen kommen auf jeden lebenden Menschen 15 Galaxien. „Schon das ist eigentlich nicht mehr zu glauben. Da ist es eine sehr menschliche und tiefe Frage, warum es so viele Galaxien gibt und nicht einfach Nichts. Ich habe keine Antwort, wie es zu diesem wundervollen Universum kam. Für mich spiegelt die Schönheit des Universums die Schönheit des Schöpfers“, sagt der Forscher.
Die „Welt“ fragt: „Aber ist es nicht vollkommen unnachvollziehbar, dass der Schöpfer aller Gestirne, der die Sonne und Sterne bewegt, wie Dante sagt, dass der ein menschliches Gesicht haben soll?“ Funes: „Ja, das ist erstaunlich, nicht wahr. Schauen Sie sich nur meine Weihnachtskrippe an. Gott ist Mensch geworden! Dass der Schöpfer des Himmels und der Erde einer von uns geworden ist, lässt sich nur damit erklären, dass er sich in uns verliebt hat. Darum wollte er einer von uns werden. Das ist ein großes Geheimnis. Das können wir nicht erklären. Das ist weit jenseits aller Wissenschaft.“
Weihnachtsgeschichte zeigt: Wissenschaft steht mitten drin statt nur dabei
Zum Stern von Bethlehem, von dem im Matthäus-Evangelium die Rede ist, sagt Funes: „Wir haben keinen historischen Nachweis dieses Sterns. Vielleicht war es eine Konjunktion von zwei Planeten oder die Explosion eines Sterns, oder es war ein Komet. Das Evangelium ist kein astronomischer Bericht. Es erzählt die Geburt Jesu als eines der wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte. Bei der Geburt jedes Königs wurde damals der Himmel nach einem Zeichen abgesucht.
Für mich kommt in diesem Evangelium aber noch etwas anderes zum Ausdruck. Als Jesus geboren wurde, liefen Hirten und Sterndeuter zu seiner Krippe. Die Hirten standen am Rand der Gesellschaft, die Sterndeuter aber für die Wissenschaft. Es waren extreme Positionen der antiken Gesellschaft. Gott hat seine Geburt der ganzen Menschheit offenbart, heißt das. Dass die Kirche immer auf der Seite der Schutzlosen stand, ist bekannt. Mutter Teresa ist ein Beispiel dafür. Dass die Kirche aber auch von Anfang an auf der Seite der Wissenschaft stand, davon erzählt die Wanderung der Sterndeuter. Unsere Aufgabe ist es, sie bei der Reise der Menschheit zu begleiten. Wir lernen, was die Wissenschaft mit ihrer Freude an Entdeckungen lernt, und teilen mit ihr auch die Ermüdung langer Forschung.“ (PRO)