Leutheusser-Schnarrenberger will die gewerbsmäßige Suizidhilfe, wie sie etwa die in der Schweiz ansässige Organisation "Dignitas" betreibt, unter Strafe stellen. Bezahlten Sterbehelfern droht einem vom Kabinett durchgewunkenen Gesetzesentwurf zufolge bis zu drei Jahre Haft. In der kommenden Woche beschäftigt sich der Deutsche Bundestag mit dem Vorschlag der Justizministerin. Am Montag erklärte sie in Berlin bei der EKD-Veranstaltung "Treffpunkt Gendarmenmarkt", damit wolle ihr Ministerium verhindern, dass eine Entwicklung in Gang gesetzt werde, die Menschen in Richtung Suizid dränge.
Mit ihr diskutierte Präses Nikolaus Schneider. Erst am Montag veröffentlichte seine Kirche eine Stellungnahme zur Sterbehilfe, in der sie sich dafür ausspricht, "nicht nur die gewerbsmäßige, also gewinnorientierte Suizidbeihilfe unter Strafe zu stellen, sondern jede Form organisierter (geschäftsmäßiger) Beihilfe zur Selbsttötung". So erklärte Schneider: "Alles, was wir gesellschaftlich organisieren, soll der Lebenserhaltung dienen." Auch ehrenamtliche Sterbehilfe halte er für problematisch: "Unser Gott ist ein Gott des Lebens."
"Keine Sorge, ich lasse dich nicht allein"
Zudem forderte Schneider eine bessere Ausstattung im palliativ-medizinischen Bereich. Der Sterbeprozess müsse besser organisiert werden, sodass jedem Sterbenden die Botschaft vermittelt werden könne: "Keine Sorge, ich lasse dich nicht allein." Der rheinische Präses sieht zudem eine "falsche Entwicklung im gesamtgesellschaftlichen Bereich". Die Zahl alter Menschen, die Suizid begingen, sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, während die Zahl der Selbstmörder in Deutschland grundsätzlich abgenommen habe. Die Vorstellung vieler Menschen von Autonomie bis zum Schluss halte er für "ein Stück weit irreal". Stattdessen warb er für mehr Vertrauen in die Sterbebegleitung. Sterben in Würde sei möglich, auch ohne assistierten Suizid, ist Schneider überzeugt.
Leutheusser-Schnarrenberger erklärte, sie halte es für unverhältnismäßig und falsch, auch strafrechtlich gegen ehrenamtliche Sterbehelfer oder Angehörige von Sterbenden vorzugehen. Im Einzelfall sei der assistierte Suizid nicht strafbar. Rechtlich sei es deshalb schwierig, Sterbehilfe zu verbieten, wenn Organisationen sie wiederholt betrieben. Bei einer generellen strafrechtlichen Erfassung träfe diese auch Familienangehörige. "In diesem Bereich hat die Politik mit den Strafgesetzen nichts zu suchen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger.
Der hauptberufliche Ethikberater des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld, Klaus Kobert, beobachtet eine Entwicklung hin zu einer "Entwertung des Lebens". "Es gibt immer mehr Angehörige, die winken mit einer Patientenverfügung", sagte er beim "Treffpunkt Gendarmenmarkt". Patienten selbst äußerten im Krankenhaus selten den Wunsch nach Sterbehilfe. Wenn, täten sie dies meist zu Beginn der Behandlung. Häufig bleibe der Wunsch im Laufe des Sterbeprozesses nicht bestehen. Mit Hilfe palliativer Maßnahmen sei das körperliche Leiden im Angesicht des Todes "eigentlich" überwindbar. (pro)